Fleischerzeugung:Öko-Ochsen für die Wiesn

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Das städtische Gut Karlshof bei Ismaning stellt auf biologische Landwirtschaft um. Das verringert den Ertrag, doch Kommunalreferentin Kristina Frank ist überzeugt: "Glückliche Tiere schmecken einfach besser."

Von Florian Weber, Ismaning

Bisher werden die Ochsen auf Gut Karlshof konventionell gehalten. Das soll sich ändern. (Foto: Robert Haas)

Ein genüsslich schmatzender Ochse blickt von links neugierig drein, während eine schwarz-weiße Katze mit buschigem Fell die Neuankömmlinge umschnurrt. Es riecht nach frisch geschnittenem Gras. Das Vogelgezwitscher wird vom Brummen der Landmaschinen begleitet und durch das stündliche Bimmeln der Hofuhr unterbrochen. Das Gut Karlshof zwischen Ismaning und Fischerhäuser wirkt wie eine Postkartenidylle. Dabei steht der landwirtschaftliche Betrieb der Stadt München vor einer Herausforderung.

Acht von zehn Höfen der Landeshauptstadt wirtschaften bereits komplett ökologisch. Zwei sollen bis 2030 nachziehen: das in Eching im Landkreis Freising gelegene Gut Dietersheim und Gut Karlshof, das die Wiesn-Besucher in normalen Jahren mit Ochsensemmeln beglückt.

Verantwortlich für die Umstellung sind die Münchner Kommunalreferentin Kristina Frank als erste Werkleiterin und Alfons Bauschmid als zweiter Werkleiter der Stadtgüter München. Die beiden wirken wie ein ungleiches Duo. Auf der einen Seite Frank, die mit braunen Lederstiefeln und einer Sonnenbrille mit Gläsern so groß wie Tennisbälle vor dem Hofladen steht. Sich unter ausuferndem Gelächter von einem Ochsen übers Gesicht lecken lässt und von einem Termin zum andere hetzt. Auf der anderen Seite der unscheinbare, grauhaarige Brillenträger Bauschmid, der geduldig und begeistert davon erzählt, was vor dem Gut liegt. Doch was liegt vor dem Gut? Was bedeutetet die Umstellung auf ökologische Landwirtschaft? Für das Wohl der Tiere, für die Umwelt und die Mitarbeiter?

Das staatliche Gut Karlshof liegt zwischen Ismaning und dem Gemeindeteil Fischerhäuser. (Foto: Robert Haas)

Das Herz von Gut Karlshof ist die Ochsenmast. Knapp 550 kastrierte männliche Rinder leben derzeit auf dem Hof. Ihr Fleisch gilt als besonders zart. Und diese Ochsen sind es auch, die das Gut von anderen Höfen abheben- die Karlshofer Ochsen gelten als Delikatesse. Zukünftig wird es davon jedoch weniger geben.

Mit etwa einem halben Jahr stoßen die Jungtiere, sogenannte Fresser, zum Hof. Derzeit werden sie von regionalen Höfen erworben oder auf einem Markt in Kirchheim ersteigert. Wichtig dabei ist, dass die Jungtiere in größtmöglichen Gruppen nach Ismaning kommen. Standardmäßig liegt die Gruppengröße bei 10 bis 30 Tieren. Die Umstellung auf Ökolandbau erfordert, dass auch die Fresser künftig von ökologischen Betrieben stammen. Vergleichbare Strukturen wie in der konventionellen Landwirtschaft gibt es dafür noch nicht.

"Das Angebot in der Region ist viel geringer", sagt Bauschmid. "Und wir werden die Tiere nur noch in viel kleineren Gruppen kaufen können." Deswegen hat der Hof entschieden, seinen Ochsenbestand zu verkleinern. Von 550 auf etwa 450 Tiere. Erstens, um die Regionalität weiterhin gewährleisten zu können. Und zweitens, um dem höheren Krankheitsrisiko vorzubeugen. Denn, so erklärt Bauschmid, wenn die Tiere in kleinen Gruppen von sämtlichen Höfen zusammenkommen, sei das Risiko höher, dass die Neuankömmlinge Krankheiten einschleppen.

Als Kommunalreferentin ist Kristina Frank auch für die städtischen Güter zuständig. (Foto: Florian Peljak)

Für die Ochsenmast ist dies die gravierendste Veränderung. Denn viele Tierwohl-Auflagen erfüllt der Hof bereits. Sowohl die Größe der Weidenflächen als auch die mit Stroh ausgestreuten Ställe entsprechen bereits weitestgehend den Öko-Auflagen. In den Ställen sind sogar blaue Bürstenrollen angebracht, mit denen sich die Ochsen den verspannten Rücken auflockern können. Gelegentlich bildeten sich sogar kurze Warteschlangen vor den Massagestationen, erzählt Frank.

Nur Kleinigkeiten müssen in den Ställen angepasst werden. Etwa muss das Dach weg, zumindest ein Teil, denn die Ochsen müssen sich abregnen lassen können. So schreiben es die Öko-Auflagen vor. Für die Hofmitarbeiter macht das den Alltag matschiger, dem Wohl der Tiere kommt es aber entgegen. "Und glückliche Tiere schmecken einfach besser", sagt Frank.

Doch das Gut Karlshof ist mehr als nur eine Ochsenmast. Eine Biogasanlage produziert bereits seit 1999 grünen Strom. Verkauft werden Kartoffeln und Feldgemüse, gefüttert wird größtenteils bereits mit Heu, Getreide und Mais aus eigenem Anbau. Die Infrastruktur für ökologische Landwirtschaft ist damit schon lange vorhanden.

Die Ochsen auf dem Gut wollen versorgt werden. (Foto: Robert Haas)

Aktuell wird in Ismaning allerdings noch gespritzt. Das bedeutet: Pflanzenschutzmittel wird großflächig auf die Felder verteilt, um Unkraut und Pilzkulturen zu verhindern. "Wir werden die Fruchtfolge ändern, was zu weniger Ertrag führen wird", sagt Bauschmid. Und wenn Unkraut trotzdem wächst, müsse es unter hohem Zeitaufwand von den Mitarbeitern entfernt werden.

Der geringere Ertrag wird sich auch auf die Biogasanlage auswirken. Der Hof wird deutlich weniger Mais ernten als vor der Umstellung. Aktuell wird dieser an die Ochsen verfüttert und ist einer der wichtigsten Energielieferanten für die Biogasanlage. Um beides weiterzuführen, wird zukünftig nicht mehr genug vorhanden sein. Mais wird in der Biogasanlage durch Klee und Gräser ersetzt werden. Das Problem dabei ist, dass der Ernteaufwand bei Klee und Gräsern deutlich höher ist, als bei Mais - und zudem der Ertrag geringer. Das wird, da das Gut auf Zukäufe verzichten wird, dazu führen, dass die Biogasanlage in Zukunft weniger Strom produzieren wird. Vollauslastung sei unter den veränderten Umständen nicht mehr zu erreichen, sagt Bauschmid.

Weniger Emissionen, aber auch weniger Ertrag

Welche Auswirkungen diese Umstellung für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Betriebs und die Umwelt haben wird, hat die TU München errechnet. Zwei Erkenntnisse stechen besonders hervor: Die Erträge und die Energie, die der Hof produziert, werden enorm zurückgehen. Den Berechnungen der Hochschule zufolge fast um ein Viertel pro Hektar. Andererseits werden sich die Treibhausemmissionen ebenso deutlich verringern. Sogar um mehr als ein Viertel, sagt die Hochschule voraus. Vor allem liege das daran, dass auf mineralischen Dünger verzichtet werde, der einen enormen Emissionsausstoß verursacht.

Interessant ist auch das Fazit der Hochschule, das sie aus diesen beiden Voraussagen trifft: Die Emission, bezogen auf die Getreideeinheit, also den Ertrag, wird aufgrund der vor der Umstellung deutlich höheren Erträge nahezu gleich hoch sein. Bleibt der Verbrauch beim Endverbraucher also gleich, trägt der Umbau nicht zur Emissionsreduktion bei.

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Zudem blicken die Hofmitarbeiter dem Umbau mit gemischten Gefühlen entgegen. Im Beschlussvorschlag des Kommunalreferats zur Entscheidung über die Zukunft des Guts hieß es: "In Teilen der Mitarbeiterschaft herrscht eine gewisse Skepsis gegenüber einer Umstellung auf ökologische Wirtschaftsweise."

"Angst haben wir nicht, allerdings ein Gefühl der Ungewissheit", sagt ein Mitarbeiter des Guts, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Er erzählt, dass er mal einige Monate auf einem Bio-Hof gearbeitet habe. Das habe ihm überhaupt keinen Spaß gemacht. Wieso, verrät er nicht. Er wirkt wie jemand, der lieber arbeitet, als über seine Arbeit zu sprechen. Er redet wenig und raucht viel. Die Zigarettenstummel schnipst er auf den Hof. Auf erneute Nachfrage ruft er einem seiner Kollegen, der gerade den Kopf einiger Ochsen mit einer Spraydose pink färbt, zu: "Was hältst du von Bio?" Beide grinsen sich an, der Wortkarge und der mit der Spraydose. "Des pack ma' scho", kommt als Antwort. Die Ochsen mit dem pinken Kopf werden am Nachmittag vom Schlachter abgeholt.

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