Mobilität in München:Grüne Welle durch intelligente Ampeln

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Die On-Board-Unit zeigt einen "grünen Teppich" an. Für Linksabbieger wird es an der Ampel ohne Wartezeit weitergehen. (Foto: Florian Peljak)

Die Technik könnten schon bald den Verkehr beschleunigen und Rettungswagen Vorfahrt gewähren. Auf einem Testfeld im Münchner Norden funktioniert sie für einen automatisierten Straßenverkehr bereits.

Von Bernhard Lohr, Oberschleißheim

Ein Rettungswagen fährt mit Martinshorn und Blaulicht auf eine Kreuzung mit roter Ampel zu. In den dort stehenden Autos bricht Hektik aus. Alle versuchen, eine Gasse freizumachen. Wie viel besser wäre es, wenn der Sanitäter am Steuer die Ampel auf seiner Route auf Grün schalten könnte. Technisch ist das dank intelligenter Ampeln, die mit Fahrzeugen kommunizieren, längst möglich. Genauso wie es möglich ist, Autofahrern anzuzeigen, bei welcher Geschwindigkeit sie auf einer Grünen Welle reiten. In einem Testfeld, das im Münchner Norden von Schwabing bis Unterschleißheim reicht, wird all das seit 2021 ausprobiert. Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) verschafft sich Montagmittag bei einem Termin am Schleißheimer Schloss Einblick in die Technologie. "Das ist kein Gimmick", sagt er. Das verspreche Fortschritte für Einsatzkräfte, Fahrkomfort und Umwelt.

Wer das tägliche Stop and go im Berufsverkehr in München und Umland kennt, ist ausreichend geerdet, um sich von solch einer Technik keine Wunder zu erwarten. Für eine freie Fahrt sind allzu oft zu viele unterwegs. Nicht eingebunden sind zudem bei dem Test und wohl auch später Ampeln an Bahnübergängen. Eine solche verursacht auf der B 471 in Oberschleißheim mit die längsten Staus im Münchner Norden. Dennoch steckt laut Bernreiter "riesiges Potenzial" in dem Ampelprojekt, das nur ein Ausschnitt ist in dem weiter gefassten Testfeld namens "Tempus". Tempus steht dabei für "Testfeld München - Pilotversuch urbaner automatisierter Straßenverkehr". 22 Ampeln sind im Norden von München auf der B 13 und der B 471 mit der entsprechenden Technik ausgestattet worden; dazu einige Schilderbrücken auf Autobahnen und in München noch einmal 43 Ampeln.

Verkehrsminister Christian Bernreiter kündigt bei dem Termin am Schloss Schleißheim an, möglichst bald mehr Grünphasen an Ampeln möglich zu machen. (Foto: Florian Peljak)

Wobei in München andere Dinge im Testlauf untersucht werden. Dort geht es vorrangig um Sicherheit beim Rechtsabbiegen und darum, den MVG-Busverkehr zu beschleunigen, wie Tempus-Projektleiter Ulrich Haspel von der am Ministerium angesiedelten Zentralstelle für Verkehrsmanagement (ZVM) sagt. 13 Projektpartner aus Verwaltung, Forschung und Wirtschaft sind bei Tempus mit im Boot, darunter die Technische Universität München und BMW. 17 Millionen Euro stehen zur Verfügung, der Löwenanteil kommt vom Bund, der Freistaat steuert eine halbe Million bei.

BMW ist mit von der Partie, der Autobauer hofft auf Daten fürs autonome Fahren

Minister Bernreiter sagt, sobald die Versuchsphase beendet sei, werde man die Erkenntnisse nutzen, um eine Strategie für einen bayernweiten Einsatz der Technologie zu entwickeln. Die Anwendungen, mit denen man draußen vor der Stadt für eine Verkehrsbeschleunigung vor allem auch für Sanitäter, Feuerwehren und Polizei arbeitet, sind Projektleiter Haspel zufolge auch so gut wie reif für den Einsatz. Anfang 2024 könnte es eine App für Fahrradfahrer geben, sagt er, die diesen eine grüne Welle anzeigt. Die Umsetzung liege letztlich in der Hand von Unternehmen, die die Fähigkeiten auch in Fahrerassistenten integrieren könnten.

Ulrich Haspel vom Tempus-Projektteam zeigt, wie mit einem grauen Kasten an einer Ampel Daten per Wlan an Fahrzeuge gehen können. (Foto: Florian Peljak)

Schon heute finde ein reger Datenaustausch statt, sagt ZVM-Direktor Stephan Stroh. So würden etwa Baustelleninformationen Dienstanbietern zur Verfügung gestellt. Der Freistaat könnte zudem bis 2030 die Hälfte der rund 3000 Ampeln an Staatsstraßen an einen Zentralrechner anschließen. Der Autobauer BMW ist mit seinen Ambitionen, ein selbst fahrendes Auto zu entwickeln, gerne mit dabei. Dessen "Autonomous Driving Campus" in Unterschleißheim hat das Testfeld für Ampel-Beschleunigung - laut Ministerium das größte in Bayern - quasi direkt vor der Tür. An dem Campus ist Alexander Bunkowski für das Projekt zuständig, für das auch BMW Testfahrzeuge stellt. Die unmittelbare Nähe des Testfelds sei natürlich "ideal", sagt er. "Wir sammeln reichlich Erfahrung mit den Daten."

Doch von der intelligenten Ampel, die auf Wunsch auf Grün schaltet oder an der man bei richtiger Geschwindigkeit bei Grün ankommt, ist es ein weiter Weg bis zum autonom fahrenden Auto. Längst liefern Navigationsgeräte oder Google-Dienste Autofahrern viele Informationen. Blitzer werden angekündigt, Staus vorausgesagt und alternative Routen angeboten. Wobei Tempus-Projektleiter Haspel betont, dass die per Wlan an die Fahrzeuge geschickten Ampeldaten besonders zuverlässig seien. BMW-Fachmann Bunkowski hält die Erkenntnisse aus Tempus jedenfalls für einen Baustein in dem großen Plan von BMW, irgendwann den höchsten Level beim selbst fahrenden Pkw zu erreichen. Dabei sei der BMW-Prototyp auf direkte Kommunikation mit Ampeln nicht angewiesen, diese lieferten aber hochwertige Informationen, die etwa bei schlechtem Wetter helfen könnten, wenn die Kameraortung an Grenzen gerate.

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Bei der Suche nach der Grünen Welle ist der Autofahrer mit der neuen Software aber erst einmal mehr gefordert. Ein Tablet und zwei Displays sind an der Windschutzscheibe fixiert, die im Blick zu behalten sind. Bei einer Testfahrt am Montag gegen 12.30 Uhr fällt das nicht schwer. Auf der B 471 in Oberschleißheim herrscht kaum Verkehr. Das Tablet zeigt vier Ampeln an, die auf Grün stehen. Die Testfahrerin hält die Geschwindigkeit. Später auf der B 13 nach Norden zeigt das Display beim Heranfahren an die Kreuzung zum Münchner Ring trotz dort stehender Autos die Fahrbahn als grünen Teppich an. Die Fahrerin weiß: Bei dem Tempo passt alles, es wird für sie zur rechten Zeit Grün sein. Bei der Rückfahrt auf der B 13 Richtung Süden ist es noch simpler. Der Testwagen ist auf simuliertes Einsatzfahrzeug geschaltet. Die Ampel hat das registriert und geht auf Grün, sobald der Wagen sich nähert.

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