Fußball:Nachwuchsarbeit gegen viele Widerstände

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Gelungene Förderung: Karim Adeyemi (links) erhielt seinen Feinschliff bei der Spielvereinigung Unterhaching. Nun konnte er in Katar, wie hier im Training gegen Leon Goretzka, als Reservist WM-Luft schnuppern. (Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images)

Die Spielvereinigung Unterhaching hat sich auf die Förderung junger Talente spezialisiert. Dass die in Deutschland nur bedingt funktioniert, hat laut Präsident Manfred Schwabl auch mit den Vorgaben des DFB zu tun.

Von Stefan Galler, Unterhaching

Schon wieder ist die deutsche Fußball-Nationalmannschaft bei einem Turnier früh rausgeflogen, diesmal bei der hochumstrittenen Weltmeisterschaft in Katar. Nicht einmal jeden Fußball-Freund hat das wirklich interessiert, die Blamage hat aber zur Folge, dass die deutsche Talentausbildung mal wieder in den Fokus rückt. Einer der Hauptkritikpunkte ist, dass es genau dieser Nachwuchsförderung an Struktur fehle - und deshalb nur wenige junge Spieler in der Bundesliga landen würden. Aber wie sieht man das in den Klubs, auf deren Schultern die Ausbildung junger Spieler lastet?

Fragt man bei Manfred Schwabl nach, stellt jener erst einmal eines klar: "Ich werde jetzt sicherlich nicht in die offene Wunde hauen, es geht eher darum aufzuzeigen, wie wir Jugendarbeit verstehen, dann kann sich jeder seinen Teil selbst denken." Mit "wir" meint der 56-Jährige den Regionalliga-Spitzenreiter Spielvereinigung Unterhaching, dem Schwabl seit zehn Jahren als Präsident vorsteht. Hier hat man mittlerweile eingesehen: Die einzige Chance für einen ambitionierten unterklassigen Verein, finanziell und sportlich erfolgreich zu sein, liegt darin, Spieler frühestmöglich zu fördern und die hoffnungsvollsten Talente irgendwann gewinnbringend zu veräußern.

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Die Verpflichtung, den Kindern eine solide Ausbildung mitzugeben, sei in Deutschland noch nicht bei allen Klubs angekommen, sagt Schwabl. Und das liege eben auch, so viel Kritik muss erlaubt sein, an den Vorgaben des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). So sei der Fördertopf, den der DFB in der dritten Liga etwa für Vereine auslobt, die auf den Nachwuchs setzen, eher ein "Fördertöpfchen" und deshalb eben auch kein echter Anreiz, wie Schwabl erläutert: "Der Anteil von Spielern, die für deutsche U-Nationalmannschaften spielberechtigt wären, liegt in der dritten Liga gerade mal bei fünf bis sieben Prozent."

Sein Verein habe in der Saison 2020/21 den höchsten Anteil an Einsätzen von Jugendspielern in der gesamten dritten Liga gehabt. "Und am Ende sind wir abgestiegen." Doch das habe seine Einstellung keineswegs verändert, eher im Gegenteil, so der SpVgg-Präsident: "Seither setzen wir unsere Philosophie sogar noch früher um, beginnen unsere Förderung schon bei Kids in den jüngsten Jahrgängen." Nachdem man bei den Acht- bis Zehnjährigen feststelle, ob ein grundsätzliches Talent vorhanden ist, sei vor allem der Übergangsbereich zwischen elf und 13 Jahren entscheidend: "Und da beginnen wir schon, genauer hinzuschauen", sagt Schwabl.

Manfred Schwabl bei der Begegnung seiner Spielvereinigung Unterhaching gegen den FC Augsburg II im November. (Foto: Sven Leifer/IMAGO/foto2press)

So würden sportliche Fähigkeiten ebenso geprüft wie das Familienumfeld und die Situation in der Schule. Und der Verein gibt Tipps, was Ernährung und Schlaf angeht. "Wir wollen möglichst viele durchbringen, deshalb müssen wir auch viel Geduld haben", sagt der frühere Nationalspieler. "Wenn ich einen dribbelstarken Spieler habe, darf ich ihm nicht nach drei missglückten Dribblings sagen, dass er nach dem vierten raus ist. Das ist der größte Fehler." Wichtiger sei, dass Trainer ihre Spieler animierten, ihre Stärken auch auszuleben.

Bestes Beispiel für genau so eine Förderung ist Karim Adeyemi: Er fiel beim FC Bayern als Zehnjähriger durchs Raster, es mangelte an Disziplin. Bei Haching sahen sie schnell, welch großes Potenzial der junge Kicker hat. Und Schwabl persönlich kümmerte sich darum, das Juwel zu schleifen. Er sprach mit den Lehrern, holte die Eltern ganz nahe an den Verein heran und bat den Pubertierenden immer wieder mal zum Einzelgespräch. Und Adeyemi zahlte diese Fürsorge zurück, er reifte zum Jugendnationalspieler. Schwabl riet zu einem Wechsel zu Red Bull Salzburg, weil er vermutete, der damals 16-Jährige würde dort die meiste Spielpraxis erhalten. Der Plan ging auf, Adeyemi wurde regelmäßig im Farmteam der Salzburger, beim Zweitligisten FC Liefering eingesetzt, ehe er mit 18 zum Stammspieler in der ersten österreichischen Bundesliga avancierte. "Das wäre bei einem deutschen Klub kaum möglich gewesen", sagt Schwabl. Mittlerweile spielt Adeyemi bei Borussia Dortmund und schnupperte in Katar erstmals WM-Luft.

"Die U19-Bundesliga ist nett und süß, hat aber nichts mit Erwachsenenfußball zu tun."

Und hier sieht Schwabl eines der großen Probleme im deutschen Fußball: Während in anderen Ländern wie Portugal, Frankreich, Holland oder mittlerweile sogar England 17- und 18-Jährige immer häufiger regelmäßig in den obersten Spielklassen eingesetzt würden, traut man den Talenten in Deutschland zu wenig zu - oder nimmt sie nach den ersten Fehlern gleich wieder raus. "Die U19-Bundesliga ist nett und süß, hat aber nichts mit Erwachsenenfußball zu tun. Dabei ist es das, was junge Talente brauchen: Wettkampfhärte." Matthijs de Ligt etwa sei mit 18, 19 Kapitän bei Ajax gewesen und im Champions-League-Halbfinale gestanden. "Und auch er wurde nicht verbrannt, wie es dann bei uns immer heißt."

In Haching suchen sie unermüdlich weiter nach Rohdiamanten, den nächsten haben sie offensichtlich bereits gefunden: Maurice Krattenmacher, der im August erst 17 geworden ist, spielt bereits jetzt regelmäßig unter Trainer Sandro Wagner in der Männermannschaft, er hat bereits entscheidende Tore erzielt, ist mittlerweile deutscher U18-Nationalspieler und wird regelmäßig im Sportpark mit Standing Ovations der Zuschauer bedacht. Schwabl beobachtet die Entwicklung nicht ohne stolz: "Mehr Regionalität und eine intensivere Förderung, das würde dem deutschen Fußball gut tun."

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