Landtagswahl: CSU-Kandidatin Kerstin Schreyer:Frau vom Fach

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Die Unterhachingerin Kerstin Schreyer ist seit März bayerische Sozialministerin. Für die gelernte Sozialpädagogin, die bei der Wahl ihr Direktmandat im Landkreis-Süden verteidigen will, ist das der Traumjob.

Von Iris Hilberth, Unterhaching

Jetzt einfach mal reinspringen wäre schön. Es ist nur ein kurzer Gedanke, der Kerstin Schreyer am Ufer des Deininger Weihers in den Sinn kommt, den sie aber ganz schnell wieder verwirft. Es ist heiß, es ist Sommer, aber es ist auch Wahlkampf und Schreyer schließlich nicht zum Vergnügen hier. Sie will wieder für die CSU in den Landtag - zum dritten Mal - und dazu muss sie wohl erneut den Stimmkreis München-Land Süd gewinnen. Daher verteilt sie Bälle mit Partei-Logo, spricht mit Badegästen, dann wartet schon der nächste Termin. Seit sie Ministerin ist, hat sich die Taktung merklich erhöht. Da ist die Idee, einfach mal im See abzutauchen, geradezu absurd. Sie weiß das, sie war schon immer sehr diszipliniert, sehr fleißig und würde sich niemals darüber beklagen. "Wir machen das schließlich alle freiwillig", sagt sie über Politiker.

Seit Ministerpräsident Markus Söder die 47-jährige Unterhachingerin im März zur Sozialministerin gemacht hat, muss der Deininger Weiher ein Sehnsuchtsort bleiben, der "mit typisch bayerischer Optik Ruhe und Frieden ausstrahlt", wie sie sagt, und an dem das Handy nicht klingelt, weil es einfach keinen Empfang gibt. Aber Regierende haben keinen Feierabend. Eine Ministerin wird mit Akten vom Chauffeur zu Hause abgesetzt und trägt eine Mappe mit der Aufschrift "Sehr wichtig" unter dem Arm, wenn sie morgens wieder abgeholt wird. Dass nun andere über ihren Tagesablauf entscheiden, daran musste sie sich gewöhnen, doch sie sagt: "Für mich ist es der Traumjob."

Beim Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz nachjustiert

Nun betonen das vermutlich alle Politiker, die am 14. Oktober vom Wähler einen neuen Fünf-Jahres-Auftrag bekommen wollen. Bei Kerstin Schreyer konnte man in den vergangenen Monaten aber beobachten, dass die Aufgabe, die ihr Söder anvertraut hat, eine Herzensangelegenheit ist. Sie ist in den Themen zu Hause, weiß, wovon sie spricht. Man kann darüber streiten, ob das Familiengeld, das ihr ausgesprochen wichtig ist, eine sinnvolle Sache ist und ob Obdachlosenhilfe auch anders organisiert werden kann als Schreyer es angestoßen hat.

SZ-Grafik (Foto: N/A)

Man muss der Sozialpädagogin und Familientherapeutin aber recht geben, wenn sie sagt: "Ich bin jetzt an einem Punkt angekommen, an dem ich einsetzen kann, was ich gelernt habe." Sie habe den Praxisbezug nie verloren, wisse, wen sie anrufen könne, um bei Betroffenen nachzufragen. Söder bekam dieses fachliche Know-how seiner Sozialministerin gleich zu Beginn seiner Amtszeit zu spüren, als nämlich das Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz zur Abstimmung stand. Vorbereitet hatte das noch Schreyers Vorgängerin. "Als ich gekommen bin, war der Gesetzesentwurf fertig", sagt Schreyer, "und der hat mir Bauchschmerzen bereitet." Das habe sie Söder auch gesagt und bewirkt, dass nachjustiert und unter anderem die umstrittene Unterbringungsdatei gestrichen wurde. "Darüber bin ich sehr froh", sagt Schreyer. Es gehe ihr darum, "mit den Belangen der Betroffenen sensibel umzugehen". Stigmatisierung helfe nicht beim Heilungsprozess.

Manche unterstellen ihr, dass sie schon immer Ministerin werden wollte. Schreyer streitet das ab. Sie hat stets betont, dass sie die Aufgabe erledige, für die man sie vorsehe, als Landtagsabgeordnete für den Landkreis München, dann auch als stellvertretende Fraktionsvorsitzende und später als Integrationsbeauftragte der Staatsregierung. Aber hätte man sie gefragt, welches Ministerium sie gerne leiten würde, wenn sie für eines vorgesehen wäre, es wäre ganz klar das Sozialministerium gewesen. Parteivorsitzende und Ministerpräsidenten konnten sich ihrer Loyalität stets sicher sein, Schreyer ist keine Politikerin, die öffentlich von der CSU-Linie abweichen würde. Aber sie sagt auch: "Wer mich kennt, weiß, dass ich kein einfacher Mensch bin, aber ich kann mit unterschiedlichen Menschen zusammenarbeiten."

"Ich bin menschlich spürbar."

Ihre politische Laufbahn hatte schnell Fahrt aufgenommen, auch weil die CSU immer auf der Suche nach Frauen in ihren Reihen ist. Schreyer hat dennoch einiges einstecken müssen, vor allem von den Männern: Georg Fahrenschon wollte ihr 2008 die Kandidatur wieder streitig machen, dann zogen die Parteifreunde Florian Hahn als Kreisvorsitzenden vor. Dass sie schließlich Ministerin wurde und andere nicht, quittiert sie nur mit einem kleinen Lächeln. "In meinem Leben war noch nie etwas einfach", sagt sie, "man darf so etwas nicht so verkrampft sehen, sondern sollte für seine Ideale eintreten. Damit bin ich immer sehr gut gefahren."

Man erlebt in diesen Monaten und Wochen vor der Wahl eine Kerstin Schreyer, die präsent ist, für ihre Themen kämpft, wie Inklusion und den Schutz von Frauen vor Gewalt, und die in ihrem Amt an Profil und Souveränität gewonnen hat. "Ich bin über das Stadium raus, mich über alles zu ärgern", sagt sie. Dass sie einst zu schüchtern gewesen sein soll, sich bei der Jungen Union vorzustellen, kann man sich heute nicht mehr vorstellen. "Das eine schließt das andere nicht aus", sagt sie, "ich war eigentlich schon immer schlagfertig, sonst hätte ich gar nicht mit Jugendlichen arbeiten können." Auch heute merke man es ihr noch an, wenn ihr etwas nahegehe, gibt sie zu, findet das aber nicht schlimm. "Im Unterschied zu anderen bin ich menschlich spürbar, und es gibt viele Bürger, die genau das an mir mögen", ist sie überzeugt.

Im Ministerium konnte der Amtsleiter sie gerade noch davon abhalten, sich bei jedem Mitarbeiter einzeln vorzustellen. Die Leute wären schockiert, wenn plötzlich sie in der Tür stehe, hat man ihr erklärt. Schließlich sei sie die Ministerin. Die Momente, in denen sie sich selbst morgens daran erinnern muss, werden sicher weniger. Am Deininger Weiher kann das vorkommen.

Die SZ stellt in loser Folge die Direktkandidaten der sieben größten Parteien im Landkreis vor. Alle Porträts sind nachzulesen unter www.sueddeutsche.de/muenchen/landkreismuenchen.

© SZ vom 28.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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