Katastrophenschutz:Sandsäcke und Spezialpumpen für den Ernstfall

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Die Feuerwehren stellen sich darauf ein, dass sie immer häufiger vollgelaufene Keller und Garagen auspumpen müssen. (Foto: Pia Bayer/dpa)

Weil sich Unwetter mit starken Regenfällen häufen, arbeitet der Landkreis München mit dem Wasserwirtschaftsamt an einem Sturzflut-Risikomanagement. Die Feuerwehren rüsten technisch auf - und raten auch Hausbesitzern dazu.

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis München

Die Bilder aus den zerstörten Ortschaften an der Ahr, an der Erft, an der Rur haben sich in das nationale Gedächtnis ebenso eingebrannt wie die Meldungen über mehr als 180 Menschen, die bei dem Jahrhunderthochwasser Mitte Juli 2021 in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen ihr Leben verloren haben. Auch andernorts haben sich in der jüngeren Vergangenheit Naturkatastrophen ereignet, die bis heute nachwirken. Etwa am 1. Juni 2016, als sich im niederbayerischen Simbach der gleichnamige Bach wegen Starkregens in einen reißenden Fluss verwandelte und die Stadt verwüstete - sieben Menschen kamen damals ums Leben.

Selbst in Gegenden, die bisher gemeinhin als nicht besonders gefährdet gelten, wächst die Sorge vor einer klimabedingten Zunahme von Sturzfluten, Starkregen und Gewittern. Der Landkreis München will sich nun für diese Veränderungen rüsten, die längst zu spüren sind. Zusammen mit dem Wasserwirtschaftsamt München und den Städten und Gemeinden hat er nun erste Vorbereitungen zur Erstellung eines Sturzflut-Risikomanagements getroffen. Denn, wie das Münchner Landratsamt betont, kommt den Kommunen beim Hochwasserschutz eine besondere Rolle zu, da "der Schutz von abfließendem Wasser eine hoheitliche Aufgabe der Daseinsvorsorge" ist.

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Wie sehr klimatische Veränderungen den Alltag der Menschen beeinflussen, bekommen vor allem die Einsatz- und Rettungskräfte zu spüren. "Wir haben solche Ereignisse im Landkreis in den vergangenen Jahren schon oft erlebt", sagt Eduard Klas, Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Ottobrunn und im Landratsamt zuständig für den Katastrophenschutz. "Bei Starkregenereignissen kann das Wasser einfach nicht ablaufen, weder über die Kanalisation noch über den Boden."

Dies wird vor allem in einer dicht besiedelten Gemeinde wie Ottobrunn immer wieder spürbar. Auf gerade einmal etwas mehr als fünf Quadratkilometern wohnen dort etwa 24 000 Menschen, die Bodenversiegelung ist dementsprechend weit vorangeschritten. Auch deshalb hat die Kommune ein eigenes Förderprogramm zur Entsiegelung auf den Weg gebracht. Dennoch lagern mittlerweile bei der Freiwilligen Feuerwehr im Ortszentrum dauerhaft 600 bereits gefüllte Sandsäcke. "Manche wundern sich darüber, weil sie das Gefühl haben, hier kann es doch nicht zu Überschwemmungen kommen", sagt Kommandant Klas. "Aber die Säcke brauchen wir, wenn es mal pressiert. Denn das Wasser sucht sich seinen Weg." Und es kommt laut Klas immer häufiger vor, dass vor allem Keller und Tiefgaragen in der Gemeinde volllaufen.

Der Ottobrunner Feuerwehrkommandant Eduard Klas ist im Landratsamt für den Katastrophenschutz zuständig. (Foto: Claus Schunk)

Darauf hat sich die Feuerwehr in den vergangenen Jahren auch technisch eingestellt. Im Katastrophenfall werden werden die tieferliegenden Räume dann mit sogenannten Schmutzwasserpumpen leergepumpt und nicht mehr, wie in der Vergangenheit, mit Klarwasserpumpen. Denn mit den Sturzbächen und -fluten dringt auch immer Dreck in die Keller und Tiefgaragen ein. "Anders kriegst du den Batz ja gar nicht raus", sagt Klas.

Aber auch andernorts kommt es häufiger zu Starkregen und in der Folge zu Überschwemmungen oder Wassereinbrüchen, etwa im ländlichen Aying, wo sich in der teils hügeligen Landschaft schnell reißende Fluten bilden können, die dann auch Mensch und Tier bedrohen können. Außerdem gibt es natürliche Risiko-Bereiche, die schon immer eine Bedrohung darstellen, auch wenn es auf den ersten Blick vielleicht gar nicht so erscheint. Dazu gehört der normalerweise recht idyllische Hachinger Bach, der sich - wie sich beim Jahrhunderthochwasser im Jahr 2013 zeigte - in eine echte Gefahr verwandeln kann.

Der Hachinger Bach kann bei starken Regenfällen schnell über die Ufer treten. (Foto: Claus Schunk)

Seither ringen die Anliegergemeinden gemeinsam mit der Landeshauptstadt München und dem Wasserwirtschaftsamt um eine Lösung für besseren Hochwasserschutz. Das Beispiel zeigt, wie lange es dauern kann, zu echten Fortschritten zu kommen; nach sieben Jahren liegt nun endlich ein Gutachten vor, das aber auch nicht alle Beteiligten zufriedenstellt - auch weil Daten mittlerweile veraltet sind. So stößt vor allem ein vorgeschlagenes Rückhaltebecken an der Tegernseer Landstraße in Unterhaching auf Kritik, weil es wohl nur Vorteile für die Menschen in der Stadt bringen würde, nicht aber für jene in Unterhaching - und deren Keller bei einem tagelange Starkregen wie vor zehn Jahren wohl wieder volllaufen würden.

"Was meinst, wie die absaufen, wenn das Erdgeschoss tiefer liegt"

Das Landratsamt will auch deshalb bei den Kommunen das "Risikobewusstsein" für Sturzfluten und Hochwasser stärken. Es müssten "geeignete Maßnahmen" erarbeitet werden, um die menschliche Gesundheit, die Umwelt, das Kulturerbe sowie die Wirtschaft zu schützen, heißt es aus der Behörde. Im Landratsamt selbst gibt es daher seit Kurzem eine eigens geschaffene Stelle, die sich mit dem "Klimaanpassungsmanagement" beschäftigt. Bis Ende 2025 soll mit dieser eine "umfassende Strategie" erarbeitet werden.

Feuerwehrkommandant Klas hat bereits Vorschläge, wie sich Kommunen, aber auch Hausbesitzer besser vor Sturzfluten oder Hochwasser schützen können. "Man muss sich baulich darauf vorbereiten, entsiegeln, für eine bessere Entwässerung sorgen", sagt er. Sickergruben müssten besser gepflegt werden, aber auch die kämen irgendwann an ihr Limit. "Man muss gezielt dazu übergehen, dass man an der Oberfläche entwässert, etwa mit Rigolen, mit Straßeneinläufen. Aber auch Bauherren müssen schauen, dass ihre Kellerschächte besser geschützt sind." Und es dürfe nicht zugelassen werden, dass "findige Bauherren" Häuser tiefer setzen, weil die Bauhöhe begrenzt ist. "Was meinst, wie die absaufen, wenn das Erdgeschoss tiefer liegt", sagt Klas.

Und jeder Hausbesitzer sollte, wenn möglich, selbst auch ein paar Sandsäcke zuhause haben, empfiehlt der Feuerwehrler. "Wir sind zwar eine starke Feuerwehr, aber bei 24 000 Einwohnern wartet man auf Hilfe, wir können im Ernstfall nicht überall gleichzeitig sein."

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