Es ist nur eine von mittlerweile mehr als 1300 Stellen, aber eine mit Symbolkraft - in mehrfacher Hinsicht. In einem gemeinsamen Antrag haben die zwei stärksten Fraktionen im Kreistag - CSU und Grüne - die Schaffung einer Stelle im Landratsamt gefordert, die sich mit dem Thema Artenvielfalt im Landkreis befassen soll. Nach den Querelen bei den Haushaltsberatungen im vergangenen Jahr, bei denen Christsoziale und Grüne heftig aneinander geraten waren, taten sich die beiden Parteien diesmal zusammen. Schwarz- Grün, und insbesondere die beiden Fraktionsführer Stefan Schelle von der CSU und Christoph Nadler von den Grünen, hat an den anderen Parteien vorbei bei mehreren Treffen einen Stellenplan für das Landratsamt von Landrat Christoph Göbel (CSU) im kommenden Jahr erarbeitet.
Nach dem "Desaster" im vergangenen Jahr, sagte Nadler der SZ, sei es wichtig gewesen, gemeinsam mit der CSU einen "ausgewogenen Stellenplan" auf die Beine zu stellen, mit dem alle zufrieden sein können - der Kreistag, der Landrat und die Mitarbeiter im Landratsamt. "Und es geht ja auch um einen demokratischen Aspekt", so Nadler, "die Bürger müssen sich darauf verlassen können, dass die Behörde funktioniert und ihre Anliegen auch bearbeitet werden".
Die Stelle Artenschutz aber ist eine ganz besondere und verkörpert zugleich ein Problem, dass die Staatsregierung zu verantworten hat und die Kommunen ausbaden müssen. Nach dem im Jahr 2018 eingebrachten und erfolgreichen Volksbegehren "Artenvielfalt und Naturschönheit in Bayern" hatte Ministerpräsident Markus Söder dessen Forderung komplett übernommen und den Landkreisen gleichzeitig versprochen, entsprechende staatliche Stellen zu schaffen, die folglich auch vom Freistaat bezahlt werden müssen. Bei der ersten Vergaberunde dieser Stellen aber ging der Landkreis München leer aus, was CSU und Grüne nun dazu veranlasste, den Posten selbst zu schaffen - und auch aus Haushaltsmitteln des Landkreises zu bezahlen. "Weil das Thema zu wichtig ist und wir nicht warten können", sagte Grünen-Fraktionschef Nadler.
Es ist im Kreistag ein immer wiederkehrendes Ärgernis, dass der Freistaat immer mehr Aufgaben auf die Landkreise übertragen hat und weiter überträgt, für die er eigentlich selbst verantwortlich zeichnet. Auf den Kosten bleibt dann die kommunale Ebene sitzen. Zu diesen Verantwortungen gehören etwa die Waffenkontrolle, die Bauleitplanung, das Veterinäramt, die Ausländerbehörde oder die Unterbringung Geflüchteter - und auch die KfZ-Zulassungsstelle. Nur ein Bruchteil der mehr als 1300 Beschäftigten im Landratsamt sind tatsächlich Staatsbeamte und werden vom Freistaat bezahlt. Vom Prinzip "Wer anschafft, zahlt" kann also kaum eine Rede sein.
Den Vorschlag von CSU und Grünen, eine Stelle für die Artenvielfalt schaffen zu wollen, der an diesem Montag, 29. November, im Kreisausschuss des Kreistags noch einmal erläutert werden soll, nahm Garchings Bürgermeister und SPD-Kreisrat Dietmar Gruchmann daher kritisch auf. "Wir müssen nicht immer in vorauseilendem Gehorsam in Vorleistung gehen. Wir sollten eher abwarten bis der Staat kommt", sagte er. Zudem sollten die Aufgaben einer für Artenvielfalt zuständigen Person im Landratsamt näher definiert werden, sagte Gruchmann. Otto Bußjäger von den Freien Wählern warnte davor, "Parallelstrukturen" aufzubauen; im südlichen Landkreis gebe es etwa schon den Landschaftspflegeverband, der eh schon viele Aufgaben bei der Landschaftspflege übernehme. "Wir wollen ja vermeiden, dass wir nur wieder Konzepte schreiben, bei denen nichts rauskommt", sagte Bußjäger.
Grünen-Fraktionssprecher Nadler sagte, keiner wolle aktiven Initiativen etwas wegnehmen. "Wir sind nur der Auffassung, dass wir die Zeit überbrücken müssen, bis wir die Stelle vom Staat bekommen."