Grundwasser im Münchner Umland:Die Speicher leeren sich

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Wo steht das Grundwasser? Blick in den Tiefbrunnen in Siegertsbrunn. (Foto: Claus Schunk)

Der Grundwasserpegel um München sinkt seit Jahren. Landwirte und Gewerbebetriebe dürfen sich mit Erlaubnis des Landratsamtes kostenlos bedienen. Doch ob sie die genehmigten Mengen einhalten, wird kaum kontrolliert.

Von Martin Mühlfenzl

Es noch nicht allzu lange her, als so manch einer über einen verregneten Sommer und zu niedrige Temperaturen klagte, die so gar nicht zur allgemeinen Ferienstimmung passen wollten. An manchen Tagen fielen Anfang August binnen weniger Stunden Dutzende Liter Wasser. Wer nun aber glaubt, dass sich durch die Wassermassen, die in so kurzer Zeit vom Himmel fielen, die Grundwasserspeicher im Münchner Umland wieder füllten, der irrt.

"Das Grundwasser kann sich nicht erholen, das braucht Zeit", sagt dementsprechend Stefan Homilius, Leiter des Münchner Wasserwirtschaftsamtes. Und es kommt ein weiteres Problem hinzu: Die Wasserspeicher leeren sich konstant, da es im Landkreis München nahezu 170 sogenannte Wasserentnahme-Rechte gibt. Genehmigungen also für die Landwirtschaft, Industrie und auch zur öffentlichen und privaten Trinkwasserversorgung, die eine kostenlose Entnahme erlauben - deren Kontrolle aber nur bedingt funktioniert.

Dass es um die Grundwasserspeicher trotz Starkregens Anfang August nicht gut bestellt ist, bestätigt ein Blick auf mehrere Messstationen, die sich über den gesamten Landkreis München verteilen. Schon seit Monaten etwa ist in der Messstelle in Aying abzulesen: "sehr niedrig." Daran hat auch der teils sintflutartige Sommerregen nichts ändern können. Noch immer liegt der Grundwasserstand etwas mehr als 30 Meter unter Gelände und damit auf einem sehr geringen Niveau. Auch in Sauerlach haben die Regenfälle keine Besserung ergeben, dort zeigt der Messstand ebenfalls weiter "sehr niedrig" an, bei einem Wert von etwa 34 Meter unter der Oberfläche.

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"Das Grundwasser merkt sich, dass es lange Zeit nicht dauerhaft geregnet hat", sagt Homilius vom Wasserwirtschaftsamt. "Und damit sich die Grundwasserstände wieder erholen können, brauchen wir Regen über Monate hinweg." Den aber hat es laut Homilius seit zehn Jahren nicht gegeben. "Wir hatten im Schnitt immer um die 20 Prozent weniger als vor dieser Phase. Und es dauert genau so lange, bis das Grundwasser wieder hochkommt."

Der Experte vom Wasserwirtschaftsamt sagt aber auch, die Situation müsse mit aller Vorsicht und genau beobachtet werden. "Das ist nichts Ungewöhnliches. Wir haben solche Phasen schon immer gehabt. Wenn man sich die langfristigen Aufzeichnungen beim Grundwasser ansieht, erkennt man eine Fieberkurve", so Homilius. Dennoch würden die Extreme zunehmen, stellt er klar, etwa mit Starkregen und längeren Hitzeperioden. Und es dürfe kein pauschales Urteil beim Grundwasserstand gefällt werden, denn Brunnen ist nicht gleich Brunnen. "Wenn ein Brunnen am Fluss liegt, etwa an der Isar, erholt er sich deutlich schneller, auch durch den kiesigen Boden", sagt er. "Im Tertiärhügelland hingegen kann es sehr viel länger dauern."

Stefan Homilius ist Leiter des Münchner Wasserwirtschaftsamtes. (Foto: Johannes Simon)

Bisher war Oberbayern, was das Wasser angeht, ein gesegnetes Land. "Es hieß ja eigentlich immer, wir hätten hier zu viel Wasser", so Homilius. Doch ein Blick ins nördliche Bayern lässt erahnen, dass etwas im Wandel ist. Dass sich Wasser sehr schnell auch in Südbayern zu einem nicht nur kostbaren, sondern auch sehr raren Gut entwickeln kann. Vor allem Unterfranken leidet seit Jahren unter Wasserknappheit und gilt als trockenste Region des Freistaats.

Im vergangenen Rekordsommer hat die Regierung von Unterfranken die Menschen dazu aufgerufen, sparsam mit der Ressource Wasser umzugehen. Eine Recherche des Bayerischen Rundfunks förderte aber zutage, dass Unmengen an Wasser in dem Regierungsbezirk teils vollkommen unkontrolliert verbraucht werden: Durch sogenannte genehmigte Wasserentnahmen etwa für Landwirte oder Betriebe, die kostenlos Wasser aus dem Boden und den Flüssen holen dürfen. Etwa 2000 solcher Erlaubnisse haben die unterfränkischen Landratsämter ausgestellt, nur mit der Kontrolle kommen sie und auch die dortigen Wasserwirtschaftsämter nicht wirklich hinterher.

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Bayernweit werden Daten zum Wasserverbrauch nicht erfasst. Es ist Aufgabe der lokalen Behörden, zu kontrollieren und auch Genehmigungen zu erteilen. Im Landkreis München gibt es derzeit insgesamt 167 solcher Wasserentnahme-Rechte, die das Landratsamt erteilt hat. Lediglich 14 davon dienen der öffentlichen Trinkwasserversorgung, weitere zwölf der privaten - allerdings entfällt auf die Trinkwasserversorgung mit einer genehmigten Entnahme von mehr als 55 Millionen Kubikmeter der Löwenanteil des genehmigten Verbrauchs.

Der größte Teil der Genehmigungen entfällt mit 51 auf die Landwirtschaft - geregelt ist dadurch eine mögliche Entnahme von etwas mehr als 1,4 Millionen Kubikmeter Wasser. Gut zwei Millionen Kubikmeter Wasser dürfen die Industrie und gewerbliche Betriebe im Landkreis entnehmen, auf die zusammen 37 Genehmigungen entfallen. Hinzu kommen noch Rechte für öffentliche Anlagen, Sportanlagen und Privatpersonen.

Wegen niedriger Grundwasserstände musste der Aschheimer Wasserskipark schon früh in diesem Jahr schließen. (Foto: Claus Schunk)

Doch woher stammt das Wasser? Und wird kontrolliert, wie viel tatsächlich entnommen wird? Insgesamt 145 Entnahmerechte beziehen sich auf das Grundwasser, lediglich 19 auf fließende Gewässer, wobei aus der Isar kein Wasser gefördert wird, und drei auf Oberflächengewässer, also Seen. Und nahezu hundert Prozent aller Genehmigungen mit einem Potenzial von nahezu 60 Millionen Kubikmeter beziehen sich tatsächlich auf das immer weiter schwindende Grundwasser.

Eine solche Befristung werde vom Landratsamt in der Regel für einen Zeitraum von 20 Jahren erteilt, zuletzt oftmals auch nur für zehn Jahre, heißt es aus der Behörde. Alle Genehmigungen sind sowohl digital als auch in Papierform erfasst. Die entnommene Wassermenge muss dem Landratsamt "in den meisten Fällen" jährlich gemeldet werden. In Einzelfällen, so teilt das Landratsamt mit, müsse "auf Verlangen" die entnommene Menge mitgeteilt werden; in der Landwirtschaft sofort bei der tatsächlichen Entnahme.

"Aufgrund der zur Verfügung stehenden Ressourcen an staatlichem Personal kommt es hier teilweise zu Verzögerungen"

Es müssen also nicht alle Besitzer einer Genehmigung ihren Verbrauch anmelden. Das führt dazu, dass das Landratsamt eine "Gesamtübersicht der entnommenen Wassermenge" nicht benennen kann. Und es würden nicht alle Besitzer einer Entnahmegenehmigung ihrer Verpflichtung zur jährlichen Meldung nachkommen. Die Informationen versickern also gewissermaßen. Dann muss das Wasserwirtschaftsamt die Meldung nachfordern. "Aufgrund der zur Verfügung stehenden Ressourcen an staatlichem Personal kommt es hier teilweise zu Verzögerungen", teilt das Landratsamt mit.

Das Wasserwirtschaftsamt führt auch stichprobenartige Kontrollen durch und Verstöße, etwa bei der Überschreitung der Entnahmemenge, können auch geahndet werden - die Sanktionen reichen von Bußgeldern bis hin zum Widerruf der Genehmigung oder sogar zur Einstellung des Betriebs. Dies kommt laut Landratsamt aber äußerst selten vor.

Wasserwirtschaftsamt-Chef Homilius sagt, in seiner Behörde sei mittlerweile die "Sensibilität" beim Thema Wassergenehmigungsrecht deutlich gestiegen. "Wir schauen uns noch genauer jede einzelne Nutzung an, ob sie Auswirkungen auf das Grundwasser hat. Und wenn dem so wäre, würden wir sie auch nicht zulassen", betont er. Das Grundwasser dürfe nicht leer gesaugt werden. "Wir können nur so viel nutzen, wie auch generiert wird. Das ist beim Forst auch so." Und genau darin dürfte in Zukunft die Herausforderung liegen.

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