Silvesterfeuerwerk:"Die Leute haben einfach Lust zu feiern"

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Das professionelle Silvesterfeuerwerk vor der Leonhardikirche in Siegertsbrunn zieht jedes Jahr Schaulustige aus der weiteren Umgebung an - die dann selbst keine Kracher und Raketen zünden. (Foto: Claus Schunk)

Trotz aller Verbotszonen und Appelle geht die Nachfrage nach Silvesterraketen und Böllern nicht zurück - im Gegenteil. Dabei macht die Feuerwehr in Siegertsbrunn vor, wie man mit einem zentral organisierten Feuerwerk die Umweltbelastung und die Brandgefahr senken kann.

Von Carla Augustin, Landkreis München

Es ist laut, es belastet die Luft, es hinterlässt Müll und ist verantwortlich für zahlreiche Brände. Seit Jahren gibt es Bemühungen, das private Feuerwerk einzudämmen, doch trotz aller Appelle steuert der Verkauf von Böllern und Raketen in diesem Jahr auf ein Rekordhoch zu. Auch bei Sebastian Ruppert, Junior-Chef der Firma Himmelsschreiber in Unterhaching, sind viele Vorbestellungen und Anfragen eingegangen. "Die Leute haben einfach Lust zu feiern", erklärt er die hohe Nachfrage. Verkauft werden darf das Feuerwerk heuer sogar einen Tag früher, vom 28. bis zum 30. Dezember, da Silvester auf einen Sonntag fällt.

Ruppert beteuert, dass Teile der Branche immer umweltfreundlicher werden würden. Das Repertoire werde plastikfrei. Die Kappen der Raketen seien beispielsweise nun aus Pappe, fliegen würden sie selbstverständlich genauso gut. Auch die größeren Verbundboxen seien inzwischen aus Karton, man könne sie quasi in die Papiermülltonne werfen. Aber erst, wenn die Glut komplett erloschen ist, um Brände zu vermeiden. Auch zehn bis 15 verschiedenen Boxen mit komplett leisem Feuerwerk habe er in seinem Sortiment. Diese würden dann nur die Effekte zeigen, aber nicht knallen. Zudem müsse man bei dem Feinstaubausstoß differenzieren. Bei einem Feuerwerk würden Salze in der Luft verbrennen, dies sei aber nicht vergleichbar mit einem Autoauspuff. "Es wird oft alles über einen Kamm geschoren", sagt Ruppert. Die Industrie lasse es insgesamt schon ruhiger angehen. Der Trend gehe zu mehr Licht und Farbe, und damit weg von Raketen und hin zu Vulkanen oder Boxen.

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Der Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV) fordert dennoch ein Verbot privater Feuerwerke vor allem in der Nähe von Ruhe- und Rastplätzen von Wildtieren und plädiert für eine Beschränkung auf zentral organisierte Pyrotechnik. Die hohe Feinstaubbelastung und der Abfall, auch in Form von Mikroplastik, seien dabei nur ein Aspekt, der ein Verbot nahelege. Der Lärm und die Lichtreflexionen würden bei Tieren einen Fluchtreflex, Stress und Panik auslösen. Die Flucht vor den Auswirkungen des Feuerwerks koste Energie, die die Wildtiere gerade im Winter zum Überleben bräuchten. "Vögel reagieren stark auf Böller und Raketen an Silvester. Sie fliehen in große Höhen von über 1000 Metern, landen für lange Zeit nicht und kehren nur zögerlich zu ihren Rast- und Schlafplätzen zurück", erklärt LBV-Biologin Angelika Nelson.

Auch die Wasservögel aus dem Norden, die aktuell in Bayern überwintern, seien betroffen. "Wasservögel reagieren noch in vier bis sieben Kilometern Entfernung auf Feuerwerk mit Flucht", so Nelson. Aufgrund von Brandgefahr müsse auf Pyrotechnik in Waldnähe verzichtet werden, aber auch öffentliche Grünanlagen und Gärten seien keine geeigneten Orte für Raketen. Als Lösung sollten deshalb Städte und Gemeinden zentrale Feuerwerke organisieren, um die Belastung für die Tiere auf einen Ort beschränken, und den Wildtieren so die Möglichkeit zu geben, auszuweichen.

"Es ist schon einen ganzen Schritt besser ohne Lärm", sagt Jutta Maria Geyken von der Stiftung Mensch und Tier

Jutta Maria Geyken von der Stiftung Mensch und Tier in Neubiberg berichtet von Leuten, die nur wegen des Feuerwerks mit ihren Haustieren auf abgelegene Berghütten fahren, um dem Krach zu entkommen. Besonders kritisch sei es, wenn in Wäldern geböllert werde. Tiere würden so an ihrem letzten Rückzugsort gestört. Deshalb sei es wichtig, die Geräuschkulisse einzudämmen, erklärt Geyken: "Es ist schon einen ganzen Schritt besser ohne Lärm." Zentrale Feuerwerke in Gemeinden oder Lasershows seien immerhin ein Anfang, um die Pyrotechnik zu reduzieren und auf einzelne Orte zu beschränken. Insgesamt aber ist Geyken enttäuscht, dass die Bemühungen zur Eindämmung des Silvesterfeuerwerks kaum fruchten. "Ich bin mutlos", sagt Geyken und fragt sich: "Was kann man denn noch machen?"

Ein Beispiel, wie ein zentrales Feuerwerk langfristig private Böllereien eindämmen kann und gut angenommen wird, liefert die Gemeinde Höhenkirchen-Siegertsbrunn. Dort gibt es bereits seit 2009 ein Feuerwerk am Ortsrand, organisiert von der Freiwilligen Feuerwehr Siegertsbrunn. Kommandant Sebastian Walch nennt die Aktion ein "absolutes Erfolgsprojekt" und ist überzeugt: "Es ist hinsichtlich Umwelt-, Müll- und Lärmbelästigung sicher der richtige Weg - weg vom Individual- zum Zentralfeuerwerk mit einer Menge Vorteile." Die Show sei komplett spendenfinanziert und werde von einem Profi-Feuerwerker organisiert. Zu dem zehn- bis fünfzehnminütigen Lichtspektakel gibt es im Hof des Gemeindestadels an der Egmatinger Straße gegen Spenden auch Getränke zum Anstoßen.

Laut Walch rechnet die Feuerwehr heuer am Stadl wieder mit circa 1000 Besuchern. Sogar Leute aus umliegenden Gemeinden würden extra den Weg nach Siegertsbrunn auf sich nehmen. Weitere 1000 bis 1500 Schaulustigen würden sich rund um den Kirchweg und die Leonhardikirche versammeln und das Feuerwerk aus der Ferne bestaunen. Rund um die Kirche dürfen aus Brandschutzgründen selbst keine Feuerwerkskörper oder Raketen gezündet werden.

Der Rest vom Fest: Die Überreste einer Silvesternacht. (Foto: Clemens Heidrich/dpa)

"Was wir aber extrem positiv merken ist, dass im Ortsteil Siegertsbrunn durch das zentrale Feuerwerk deutlich weniger privat geschossen wird", merkt Walch an. Auch der Müll auf den Straßen bleibe so aus. Zudem seien seit dem ersten Mal, dass das Feuerwerk angeboten worden sei, lediglich zwei silvesterbedingte Feuerwehreinsätze ausgelöst worden. Das ermöglicht es den Feuerwehrleuten, selbst mitzufeiern. Auch die Haustiere würden profitieren, da der Lärm an den Ortsrand verlagert wird. Und die Feinstaubbelastung sei durch das Profi-Feuerwerk insgesamt geringer.

Für die Umwelt wäre ein kompletter Verzicht auf Pyrotechnik laut Walch selbstverständlich noch besser. Alternativen wie Laser- oder Drohnen-Shows seien zwar einmal diskutiert worden, jedoch wären die Kosten rund acht bis zehn Mal so hoch, und mit den Spendeneinnahmen, die ohnehin schon knapp sind, nicht zu finanzieren.

Mit fünf Fahrzeugen rückte die Feuerwehr aus. (Foto: Leonhard Simon (Symbolfoto))

Wie in Höhenkirchen-Siegertsbrunn wurden in den vergangenen Jahren auch in anderen Kommunen zentrale Feuerwerke organisiert. Doch zum Beispiel das der Feuerwehr in Brunnthal wird es heuer mangels Spenden nicht geben. Und das, obwohl das Angebot die letzten Jahre gut angenommen worden war und als Folge weniger private Böller und Raketen gezündet wurden. Auch die Stadt Garching verzichtet dieses Jahr auf ein zentrales Feuerwerk oder eine Lasershow.

In Haar wurde das zentrale Feuerwerk bereits im vergangenen Jahr abgeschafft. Dort gibt es bei der alljährlichen gemeinsamen Silvesterfeier neben einem DJ und Essen und Getränken um Mitternacht eine Überraschung. Was genau die Gemeinde als Alternative bietet, will sie vorab nicht verraten. Nur so viel: Es sei garantiert umweltschonend. Am Haarer Anger, dem Veranstaltungsort, gibt es ein Böllerverbot um die Verletzungsgefahr gering zu halten. Die Gemeinde ruft generell dazu auf, auf privates Böllern zu verzichten und stattdessen das Geld zu spenden. Unter dem Motto "Füreinander statt Feuerwerk" soll Geld für einen sozialen Zweck zugunsten der Zukunft von Kindern gesammelt werden.

Thomas Gierling (links) und Maximilian Böltl (rechts) rufen jedes Jahr unter dem Motto "Lacher statt Kracher" zum Spenden auf. Dieses Jahr geht der Erlös an das KBO-Kinderzentrum München (im Bild die Ärztin Aynur Damli-Huber). (Foto: Franz-Josef Seidl)

Eine ähnliche Aktion unterstützen auch heuer wieder Thomas Gierling und Maximilian Böltl. Unter dem Namen "Lacher statt Kracher" rufen der ehemalige Radiomoderator und der CSU-Landtagsabgeordnete aus Kirchheim dazu auf, das Geld zu spenden, statt es in Feuerwerk zu investieren. Zum fünften Mal sammeln die beiden Initiatoren für einen guten Zweck in der Region. Der Erlös geht diesmal an ein Modellprojekt des KBO-Kinderzentrums München, bei dem Kinder und Jugendliche im häuslichen Umfeld durch Fachkräfte wie Ärzte und Psychologen betreut werden, wenn eine Behandlung in einer Einrichtung aus individuellen Gründen nicht sinnvoll oder möglich ist. Die Kosten sollen für mindestens fünf Familien im Landkreis München übernommen werden, deren Kindern aufgrund von Entwicklungsstörungen oder Verhaltensauffälligkeiten besondere Aufmerksamkeit benötigen. "Durch Lacher statt Kracher können die Spender dieses Jahr doppelt Gutes tun. Kindern und Jugendlichen eine Chance schenken und durch den Verzicht auf Feuerwerk die Umwelt schonen", erklären die Organisatoren.

Die Feuerwehreinsatzzentrale des Landkreises München und die Kreisbrandinspektion rechnen auch heuer wieder mit einer erhöhten Zahl von Einsätzen von Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienst. Das Personal in der Einsatzzentrale werde deshalb aufgestockt, um der erhöhten Zahl von Einsätzen gerecht zu werden. Genaue Zahlen zu Einsätzen wegen Bränden und Verletzungen im Landkreis aufgrund von Feuerwerkskörpern können nicht benannt werden.

Um die Gefahr von Bränden gering zu halten, mahnt die Kreisbrandinspektion, dass Feuerwerk wirklich nur dort gezündet werden darf, wo es erlaubt ist. Dabei solle man auch auf spezielle Vorschriften der Gemeinde achten. Aus Sicherheitsgründen solle man Feuerwerkskörper nur nach Anleitung abfeuern, diese nicht selber herstellen und Blindgänger nicht noch einmal anzünden. Auch sichere Startvorrichtungen, in denen Raketen senkrecht abgefeuert werden können, seien wichtig. Zudem könne man die Wohnung "feuerwerkfest" machen, indem Balkone und Terrassen geräumt, und Türen und Fenster geschlossen werden.

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