Kundgebung:Taufkirchen setzt ein Zeichen für Demokratie

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Vor dem Kultur- und Kongresszentrum in Taufkirchen demonstrieren am Sonntagnachmittag rund 400 Teilnehmer einer Kundgebung gegen den Auftritt des umstrittenen Historikers Daniele Ganser. (Foto: Claus Schunk)

Zum Protest gegen den Auftritt des Verschwörungstheoretikers Daniele Ganser im Kulturzentrum kommen am Sonntagnachmittag rund 400 Teilnehmer, sie demonstrieren dabei auch gegen Rassismus und Rechtsextremismus.

Von Patrik Stäbler, Taufkirchen

Nur wenige Minuten, bevor es auf der anderen Straßenseite losgeht, verlassen die gut 50 Menschen ihre Plätze auf den Steinstufen vor dem Taufkirchner Rathaus, wo sie bis eben noch in der Sonne gesessen sind. Geschlossen ziehen sie sich ins Kultur- und Kongresszentrum zurück, was man spontan als Zeichen deuten könnte. Schließlich sind sie, die an diesem Sonntagnachmittag einen "Achtsamkeitsworkshop" des umstrittenen Historikers Daniele Ganser besuchen, der Anlass, weshalb nach Veranstalterangaben gut 400 Menschen vis-à-vis auf den Marktplatz gekommen sind - zu einer "Demonstration für Demokratie und Vielfalt", zu der SPD, Grüne und FDP sowie mehrere Vereine und Institutionen aus dem Ort aufgerufen haben.

Tatsächlich ist der Rückzug der Ganser-Fans in den Ritter-Hilprand-Hof jedoch kein symbolhafter Protest. Vielmehr endet in wenigen Minuten ihre Mittagspause. Und wer satte 180 Euro für die Teilnahme an der Veranstaltung hingeblättert hat, der will vermutlich keine Sekunde verpassen von Daniele Ganser, der bei seinen Auftritten in der Vergangenheit wiederholt Verschwörungsmythen verbreitet hat - vor allem zu den Anschlägen vom 11. September und zum Ukraine-Krieg. Als "Hetzer, der von Putins Geldbeutel lebt", bezeichnet Christian Springer den Historiker. Der Kabarettist aus München ist als Hauptredner der Demonstration nach Taufkirchen gekommen, wo er klare Worte für Ganser und dessen Zuhörer findet: "Ihm werden wir Herr. Aber eine Schande für unser Land sind die Jubler, die ihm die Säle vollmachen."

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Die Veranstalter der Demo in Taufkirchen, die unter anderem von der örtlichen Nachbarschaftshilfe, der Volkshochschule und dem SV-DJK Taufkirchen unterstützt werden, wollen jedoch ihren Fokus gar nicht so sehr auf Ganser und dessen Auftritt legen. "Unser Ziel ist es, ein Zeichen zu setzen", sagt Rudi Schwab, der für die Grünen im Gemeinderat sitzt. "Ein Zeichen gegen Rassismus, für Demokratie und für Vielfalt." Genau das spiegelt sich auch in den vielen Regenbogen-Fahnen und Plakaten wider, die Aufschriften tragen wie "Bunte Vielfalt statt braune Einfalt." Und: "Gib der AfD keine Chance."

Mit ihrem Protest auf dem Marktplatz knüpfen die Taufkirchner an zahllose Aktionen im gesamten Bundesgebiet in den vergangenen Wochen an - "mehr als tausend Demonstrationen mit fünf Millionen Menschen", wie Kabarettist Springer sagt. Dieses Engagement mache ihr Mut, betont die Starnberger SPD-Bundestagsabgeordnete Carmen Wegge. Die Grünen-Landtagsabgeordnete Claudia Köhler aus Unterhaching findet, die Unzufriedenheit sei kein Grund für Umsturzfantasien. "Wer könnte die Probleme lösen, wenn nicht die Demokratie?" Jedenfalls nicht die AfD, findet FDP-Bundestagsabgeordneter Daniel Föst. "Die AfD zerstört unser Land, indem sie Politik nur für Menschen macht, die genauso ticken wie sie. Das dürfen wir nicht zulassen." SV-DJK-Präsident Michael Schaub, für den es nach eigener Aussage die erste Kundgebung seines Lebens ist, wirbt in seiner Rede für eine tolerante und weltoffene Gesellschaft. Er geht auch auf Daniele Gansers Auftritt auf der anderen Straßenseite ein. "Wider jeder Faktenlage werden dort krude Thesen verbreitet", sagt Schaub. "Und die Leute zahlen auch noch Geld dafür."

"Friedlich und störungsfrei" ist die Demonstration vor dem Kultur- und Kongresszentrum in Taufkirchen nach Angaben der Polizei verlaufen, die Demonstranten und Teilnehmer der Veranstaltung im Saal voneinander trennte. (Foto: Claus Schunk)

Die Adressaten dieser Kritik sind jedoch längst wieder im Kultur- und Kongresszentrum verschwunden - freilich nicht, ohne ebenfalls Botschaften zu hinterlassen. So stecken in den Blumenkübeln vor dem Rathaus mehrere Flugblätter mit der Aufschrift: "Glaubt nicht alles, was die Medien verbreiten. Hinterfragt alles und informiert euch selbst." Und passend dazu warnt ein Aufkleber auf einem am Marktplatz geparkten Auto: "Blindes Vertrauen in Autoritäten ist der größte Feind der Wahrheit."

Ein direkter Austausch zwischen den angeblich 300 Besucherinnen und Besuchern im Kulturzentrum sowie den Demonstrierenden davor findet indes nicht statt. Vielmehr ist der Vorplatz des Kultur- und Kongresszentrums während der Demonstration weitgehend verwaist - auch weil die Polizei ihn mit rot-weißen Bändern abgesperrt hat. Die davorstehenden Beamten verleben unterdessen einen ruhigen Nachmittag. Die Veranstaltung sei "friedlich und störungsfrei" gelaufen, teilt ein Polizeisprecher mit. Als sich nach gut einer Stunde die ersten Demonstrierenden wieder auf den Heimweg machen, steigt als letzter Redner noch Michael Lilienthal auf die Bühne, der Zweite Bürgermeister von Taufkirchen und Mitglied der Freien Wählern. Er ist an - anders als Rathauschef Ullrich Sander (parteifrei) - zu der Demonstration gekommen und schlägt dort nachdenkliche Töne an. Wer sich über steigende Umfragewerte der AfD beklage, müsse auch selbstkritisch sein, fordert Lilienthal. "Denn das Erscheinungsbild sämtlicher demokratischer Parteien lässt manchmal zu wünschen übrig - und damit meine ich ausdrücklich auch meine eigene Partei."

"Wehret den Anfängen": Der Münchner Kabarettist Christian Springer ist einer der Redner bei der Demonstration in Taufkirchen. (Foto: Claus Schunk)

Wenig später löst sich die Versammlung auf. Bei immer noch strahlender Sonne ziehen die Menschen wieder nach Hause. Ebenso tritt Kabarettist Christian Springer die Heimreise nach München an. Er hat zum Schluss seiner emotionalen Rede den verstorbenen Volksschauspieler Gustl Bayrhammer zitiert, der - "ganz wie der Meister Eder, auf der Eckbank sitzend, in ruhigem Ton" - im Jahr 1992 nach mehreren rechtsradikalen Anschlägen in Deutschland gesagt habe: "Meine Angst ist, dass diese ganze braune Scheiße wiederkommt, und zwar vorbereitet von jetzigen sogenannten Demokraten. Wehret den Anfängen."

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