Museumslandschaft:Entdeckungsreise zu Bildern, Bauern und in die Isolierzelle

Lesezeit: 4 min

Das Kallmann-Museum im Ismaninger Schlosspark wird 2023 umfassend renoviert. Am Sonntag, dem Internationalen Museumstag, findet dort aber erst einmal eine feierliche Preisverleihung statt. (Foto: Claus Schunk)

Am Internationalen Museumstag präsentieren sich an diesem Sonntag auch einige Einrichtungen im Landkreis München mit Sonderveranstaltungen, Führungen und Workshops. Vor allem in Ismaning gibt es viel zu sehen.

Von Udo Watter

Wird Klio, die Muse der Geschichtsschreibung, am Sonntag auf der Burg Grünwald bei der Archäologischen Staatssammlung zu Gast sein? Oder im Schlossmuseum Ismaning, wo die Ausstellung "Jugendjahre zwischen Wirtschaftswunder und Münchner Sommerolympiade" eröffnet wird? Informiert sich Kalliope, Muse der Philosophie und Wissenschaft, im Haarer Psychiatriemuseum über die Vorteile einer Dauerbadbehandlung? Sinniert Terpsichore, Muse der Tanzkunst, manchmal im Ski-Museum Planegg über den richtigen Slalomschwung?

Nun, am Sonntag ist Internationaler Museumstag und ja, der Begriff "Museum" kommt aus dem Griechischen und bedeutet ursprünglich "Heiligtum der Musen" (Museion). Seit 1978 findet dieser Museumstag jährlich statt und auch in der Region München nutzen einige Institutionen die Gelegenheit, sich zu präsentieren: Auf die Vielfalt und Bedeutung dieser Häuser aufmerksam zu machen, die ja inzwischen weniger als Heiligtum etwaiger Musen wahrgenommen werden, sondern als gemeinnützige, öffentlich zugängliche Einrichtungen, die den Besucher intellektuell und ästhetisch anzuregen suchen.

Newsletter abonnieren
:SZ Gerne draußen!

Land und Leute rund um München erkunden: Jeden Donnerstag mit den besten Freizeittipps fürs Wochenende. Kostenlos anmelden.

Als Filetstück der Museumslandschaft im Landkreis München könnte man den Ismaninger Schlosspark bezeichnen. Dort wird am Sonntag ein inspirierendes Programm geboten: Um 11 Uhr wird im Schlossmuseum Ismaning die Sonderausstellung "Jugendjahre zwischen Wirtschaftswunder und Münchner Sommerolympiade - Erwachsenwerden in den 50er-, 60er- und frühen 70er-Jahren" eröffnet. Die Ausstellungmacher um Leiterin Christine Heinz werben mit "Nostalgie pur": "Die Ausstellung versetzt Sie zurück in die Zeit des Rock 'n' Rolls, der Miniröcke, Hippies und Studentenunruhen. Was war davon in Ismaning zu spüren? Wie lebte es sich als Jugendlicher und junger Erwachsener ,auf dem Dorf'?". Gezeigt wird ein bunter Mix aus dieser Zeit: von Bravo-Heften über alte Tonbandgeräte, Radios und Plattenspieler, Mode, Haushaltsgeräte, dem obligatorischen Nieren-Blumentisch bis hin zu Erinnerungsstücken an die Olympischen Spiele 1972 in München. "Das meiste wurde uns als Leihgabe von Ismaninger Familien zur Verfügung gestellt", erklärt Heinz. Sie freut sich auch, dass das benachbarte Kallmann-Museum drei passende zeitgeschichtliche Porträts (von Konrad Adenauer, Thomas Wimmer und Hanns-Martin Schleyer) für die Ausstellung zur Verfügung gestellt hat. Der Künstler Hans Jürgen Kallmann, 1991 in Pullach gestorben, machte sich in der Nachkriegszeit ja vor allem als Porträtmaler einen Namen.

Weitere Motivschwerpunkte des Museum-Namensgebers waren "Landschaft" und "Tier" - und der aktuelle Kallmann-Preisträger, der Berliner Künstler Chris Bierl, hat diese Auszeichnung für seine Auseinandersetzung mit dem Thema "Tier" bekommen. Seine Ausstellung "Mutual Adaption" läuft im Kallmann-Museum schon seit Januar (bis 5. Juni), aber die eigentliche Preisverleihung, die wegen der Pandemie verschoben worden ist, findet erst jetzt statt, am Sonntag (Beginn 15 Uhr). Anschließend spricht Bierl mit Museumsleiter Rasmus Kleine über seine künstlerische Arbeit, seine Reisen und die Zusammenarbeit mit lebenden Gottesanbeterinnen, die in der Ausstellung zu sehen sind. "Wir haben gesagt, das machen wir erst, wenn es schöner ist", sagt Kleine.

Auch so hat er Grund zur Freude: Das einer Orangerie nachempfundene Museumsgebäude wird im kommenden Jahr umfassend renoviert und um einen zusätzlichen Ausstellungsraum erweitert. Der Ismaninger Gemeinderat hat die Planung jüngst freigegeben, im kommenden Februar 2023 sollen die Bauarbeiten beginnen. Unter anderem wird die Verglasung an der Südfassade im Bereich der Ausstellungsräume durch Photovoltaikelemente ersetzt und das Museum erhält einen Vorplatz mit Sitzgelegenheiten. "Ich bin super zufrieden. Ich glaube, dass wir einen tollen Entwurf hinbekommen", sagt Kleine. Der Museumsbesuch ist am Sonntag frei (13 bis 17 Uhr).

Zuvor schon, an diesem Freitag, 13. Mai, gibt es zum ersten Mal seit Langem wieder ein Konzert im Kallmann-Museum: Der gefeierte französische Jazz-Cellist Vincent Courtois tritt dort mit seinem Trio auf (Beginn 20 Uhr). Offen hat am Sonntag auch die Galerie im Schlosspavillon, wo Werke des surrealistischen Malers Edgar Ende gezeigt werden. Außerdem ist eine Besichtigung der Historischen Schlosssäle (Schloss/Rathaus Ismaning) möglich, zum Museumstag sind sie von 13 bis 17 Uhr geöffnet.

So sehr ballen wird sich das museale Angebot im Landkreis sonst nirgendwo, aber es gibt noch diverse weitere Gelegenheiten sonntags bei (meist) freiem Eintritt, Exponate zu bewundern, in Geschichte einzutauchen oder auch Live-Musik zu lauschen.

"Lassen Sie sich vom Zauber der Vergangenheit verführen!", wirbt etwa das Aschheim-Museum. Die Einrichtung in der archäologie- und geschichtsträchtigen Kommune befasst sich mit Entwicklungen im Gemeindegebiet vom Ende der Jungsteinzeit bis heute. Bei freiem Eintritt ist es am Sonntagnachmittag möglich, selbständig durch die Museumsräume zu wandeln oder aber eine circa 90-minütige Führung mitzumachen (Beginn 14.30 Uhr).

Die beiden Holzfiguren erinnern an die letzten Bewohner des Wolfschneiderhofes: Anna und Johann Seidl. (Foto: Förderverein Wolfschneiderhof)

Heimatgeschichte steht auch im Fokus des Museums im Taufkirchner Wolfschneiderhof, das Gemeindeheimatpfleger Michael Müller betreut. Es wird ein interessantes Nachmittagsprogramm geben: Von 14.30 Uhr an spielt das Taufkirchner Akkordeonorchester, zudem werden Führungen angeboten, die den Besucher beim Rundgang durch das 200 Jahre alte Bauernanwesen in frühere Zeiten versetzen. Von 15 Uhr an zeigt Müller anhand von Bildmaterial den Weg vom Bauerndorf zur Vorstadtgemeinde auf und Elisabeth Knaup nimmt um 16 Uhr die Gäste mit zu einer virtuellen Rätselrunde zu unbekannten Ecken Taufkirchens. Der Eintritt ist frei, Kaffee und Kuchen gibt es ebenfalls.

Eine Ausstellung auf der Burg Grünwald widmet sich der dortigen Konferenz vor 500 Jahren, bei der die führende Rolle des Katholizismus in Bayern gegen das erstarkende Protestantentum festgeschrieben wurde. (Foto: Claus Schunk)

Auch die Archäologische Staatssammlung in der Burg Grünwald beteiligt sich mit einem bunten Programm am 45. Internationalen Museumstag. Unter anderem führt Roland Götz vom Archiv und der Bibliothek des Erzbistums München und Freising durch die aktuelle Ausstellung zur Grünwalder Konferenz, die vor 500 Jahren Bayerns Rolle als Hort der Gegenreformation begründete. Start ist um 11.30 Uhr. Eine Führung durch die Burg, die ein Zweigmuseum der Archäologischen Staatssammlung ist, gibt es von 14 Uhr an. Unter anderem gibt es noch einen Kreativ-Workshop für Kinder zwischen sechs und zehn Jahren: In der Burgwerkstatt entstehen "prächtige Fibeln, schicke Spiegel, edle Zierschilde oder gruselige Burggespenster". Organisiert wird der Workshop vom Museumspädagogischen Zentrum München (MPZ). Er wird angeboten zwischen 14 und 17 Uhr, zu tragen sind die Materialkosten. Für den Besuch der Burg zahlen Erwachsene am Sonntag einen Euro.

Ob es neben den klassischen neun Musen der Antike noch weitere gibt? Etwa eine Muse der textilen Stepparbeit? Die einen küsst, bevor man zu quilten beginnt? Wenn ja, obwaltet ihr Geist vielleicht im Heimatmuseum Sauerlach in Arget. Dort sind derzeit "märchenhafte Quilts" zu sehen in der Ausstellung "#erzählt #gefärbt #genäht" der Gröbenzeller Quiltgruppe. "Ein Muss für jeden Textilfreund!", schwärmt das Museum. Die Ausstellung ist ebenfalls sonntags zugänglich, von 11 bis 17 Uhr, der Eintritt ist frei. Die aktuelle Werkschau dreht sich um Märchen und Erinnerungen, Aschenputtel, Rapunzel, Rumpelstilzchen und viele andere. Die meisten Quilts tragen Schriftzüge aufgedruckt oder eingestickt: wenige Buchstaben oder Worte bis zum kompletten eingenähten Märchentext.

Ein ganz andere Thematik behandelt das Psychiatriemuseum am Klinikum in Haar: Es zeigt, wie sich Therapie und Behandlung in den vergangenen hundert Jahren verändert haben, unter anderem gibt es einen Schlafsaal mit originaler Möblierung sowie Teile einer Isolierzelle, medizinisches Gerät und Kleidungsstücke zu sehen. Es hat sonntags von 14 bis 16 Uhr geöffnet.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusBallett
:Macht Bella Figura, nicht Krieg

Das ukrainisch-russische Paar Katherina Markowskaja und Maxim Chashchegorov, das sich einst beim Bayerischen Staatsballett kennen lernte, betreibt jetzt eine Tanzschule in Unterschleißheim. Der Krieg zwischen ihren beiden, kulturell so nahen Heimatländern macht sie fassungslos.

Von Udo Watter

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: