SZ-Adventskalender:"Ich hätte meine Lehrer gebraucht"

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Sidar und Hadai (vorne von links mit zwei Schwestern und der Mutter) leben in beengten Verhältnissen. (Foto: Stephan Rumpf)

Sidar und Hadai leben mit sieben weiteren Geschwistern und ihren Eltern in einer Unterkunft der Arbeiterwohlfahrt . Während des Lockdowns schafften sie es nur durch viel Fleiß und Hilfe, dem Online-Unterricht zu folgen. Auch jetzt sind sie auf Unterstützung angewiesen.

Von Daniela Bode, München

Im Nebenraum unterhalten sich die anderen zehn Familienmitglieder. Die Erzieherin, die bei den Hausaufgaben helfen soll, ist gerade nicht zu erreichen, weil sie sich um andere Schüler kümmern muss. So ist es Sidar und Hadai Fakher-Ali (Namen der Familie geändert) während des Lockdowns sicher immer wieder ergangen, als sie für die Schule lernen oder am Online-Unterricht teilnehmen wollten. Die Situation war immer wieder eine große Herausforderung. Trotzdem sind die Kinder der irakischen Familie ganz gut durch das von der Pandemie geprägte Schuljahr gekommen. Mit Hilfe der Erzieherinnen des Beherbergungsbetriebs der Arbeiterwohlfahrt München Land und Stadt in Obermenzing, in dem sie mit 55 anderen Familien aus verschiedenen Ländern leben. Aber auch, weil sie sehr fleißig waren. "Ihr habt das Tollste draus gemacht", sagt Erzieherin Hayam Halawa.

Wegen des Kriegs im Irak flüchteten die Fakher-Alis 2014. Seit 2018 lebt die gesamte Familie mit neun der zehn Kinder - eine Tochter lebt woanders - in dem Beherbergungsbetrieb in Obermenzing. Dort teilen sich die Eltern mit ihren neun Kindern zwischen sieben und 21 Jahren zwei etwa 28 Quadratmeter große Appartements. Dazwischen liegt ein Verbindungsraum. Ziemlich beengte Verhältnisse, wenn man sich aufs Lernen konzentrieren will. Der Vater kann nicht arbeiten, da er an Diabetes erkrankt ist. Die Familie erhält Hartz IV.

Zu Beginn des Lockdowns war es für die Kinder besonders schwer, weil sie nur ein Handy hatten, mit dem mindestens vier von ihnen lernen und dem Online-Unterricht folgen mussten. Etwas leichter wurde es, als Kinder über zehn Jahre Geld vom Jobcenter bekamen und davon Endgeräte angeschafft werden konnten. Aber auch das löste nicht alle Probleme: "Manchmal hatten wir alle gleichzeitig Online-Unterricht", sagt die 15-jährige Hadai, die die Förderschule besucht.

"Im Lockdown habe ich viel gelesen - und lesen gelernt."

"Deutsch war am schwersten", sagt der zehnjährige Sidar, der in die dritte Klasse geht. "Ich hätte meine Lehrer gebraucht." Von den Hausaufgaben, die die Lehrer den Kindern aufgegeben hatten, schaffte er oft nur einen Bruchteil. Die Mutter konnte nicht helfen, sie spricht nur kurdisch. Halawa unterstützte ihn, holte Unterlagen bei den Lehrern ab. Der Junge bemühte sich, so gut er konnte.

Auch die 15-jährige Hadai hat das Beste aus der Situation gemacht, auch wenn es oft schwer war. "Manchmal hatte ich früh Online-Unterricht, ich konnte das Licht aber nicht anmachen, weil die anderen noch geschlafen haben", sagt sie. Stets hatte sie Kontakt zu Halawa, auch wenn diese manchmal natürlich auch mit anderen Schülern beschäftigt war. "Ich hatte immer Hilfe, irgendwann konnte ich dann alleine arbeiten", sagt die 15-Jährige mit den langen schwarzen Haaren. Auch beim Lesen hat sie während des Lockdowns mit Unterstützung der Erzieherin Fortschritte gemacht. "Im Lockdown habe ich viel gelesen - und lesen gelernt", sagt sie. Halawa übte jeden Tag eine halbe Stunde mit ihr, sie sprachen auch mit verteilten Rollen. Die Erzieherin ist voll des Lobs: "Ihr seid sehr fleißig."

Jetzt sind Sidar und Hadai froh, wieder zur Schule gehen und mit Freunden Sport treiben zu können. Hadai macht zudem bald ein Praktikum im Hort, weil sie anderen Kindern helfen will. Für Arbeiten für die Schule und Dinge wie Bewerbungen könnte die Familie einen Laptop brauchen, da ältere Geräte der Fakher-Alis kaputt gegangen sind. Dafür würde die Familie gerne Spenden des SZ-Adventskalenders verwenden. Ein noch größerer Wunsch der Mutter wäre eine Wohnung, in der die Familie genug Platz hat. Sidar fände es schön, wenn sie im Westen Münchens läge. "Dann müssten wir nicht die Schulen im Förderzentrum wechseln und würden in der Nähe unserer Freunde bleiben", sagt der Zehnjährige.

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