Naturschutz:Brückenpläne könnten am Artenschutz scheitern

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Die Gemeinden Pullach und Grünwald wollen eine Radfahrer- und Fußgängerbrücke über die Isar spannen. Doch an der Stelle leben ein Uhu-Pärchen und andere seltene Tiere.

Von Michael Morosow, Pullach/Grünwald

Der Uhu, die Zauneidechse und die Schlingnatter haben eines gemeinsam, alle drei sind streng geschützte Arten, und taucht nur ein Exemplar dort auf, wo der Mensch Brücken, Straßen oder Häuser errichten will, kann dieser seine Pläne häufig ad acta legen. So etwa 2016 in Sauerlach, als die Entdeckung einer kleinen Population von Schlingnattern dazu geführt hatte, dass der Landkreis München an dieser Stelle eine Asylbewerberunterkunft nicht wie vorgesehen errichten durfte. Ein ähnlich abruptes Ende droht nun auch den Planungen für eine Radfahrer- und Fußgängerbrücke, die die beiden Isartalgemeinden Pullach und Grünwald mitten in einem FFH-Gebiet über den Fluss spannen wollen.

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"Wenn dort Zauneidechsen gesichtet werden, wird gar nichts gebaut", hatte in der Vorwoche Tobias Dietz, Hauptamtsleiter im Grünwalder Rathaus, nach einer Online-Diskussionsrunde der FDP zum angestrebten Brückenschlag gesagt. Und falls die Beobachtungen des Naturschützers und Vorsitzenden der Ornithologischen Gesellschaft in Bayern, Manfred Siering, zutreffen, dann wird dort wohl tatsächlich gar nichts gebaut werden. Im Isartal sei nicht nur die Zauneidechse zuhause, sondern auch die Schlingnatter und der Uhu, sagt Siering. Und zwar nicht irgendwo, sondern unweit der Stelle an der Dr.-Engelsperger-Straße auf Grünwalder Seite, wo die Stützen der Brücke in den Hang getrieben werden sollen.

"Hier brütet ein Uhu-Pärchen seit zwölf Jahren", sagt der Vogelexperte, der seit Jahrzehnten aktives Mitglied des Landesbundes für Vogelschutz (LBV) ist und seit 1985 die Ortsgruppe Grünwald-Straßlach-Dingharting des Bundes Naturschutz leitet. Der "König der Nacht", wie Siering den Uhu nennt, sei schon einmal vorübergehend komplett von der Bildfläche verschwunden, weil er den Jägern ins Gehege gekommen und abgeschossen worden sei, inzwischen aber habe er sich wieder im Isartal niedergelassen, das für ihn ein nahrungsreiches Gebiet darstelle. Zwischen München und Bad Tölz hätten sich bis heute wieder 13 Brutpaare angesiedelt.

Manfred Siering führt Walter Wüsts Erbe fort. (Foto: Claus Schunk)

Eine Ausgleichsmaßnahme für den Verlust seines Habitats ergibt laut dem Vogelexperten keinen Sinn. "Wie soll das gehen? Das sind traditionelle, oft hundert Jahre alte Plätze, an denen der Uhu zuhause ist", erklärt Siering. Wenn die zerstört würden, verlöre der unter strengen Naturschutz gestellte Uhu seinen Lebensraum. Zauneidechsen gibt es im Isartal laut Siering auch, wenn auch nicht allzu viele Exemplare. Und Schlingnattern seien hier ebenso anzutreffen, obwohl sie häufig unter die Räder von Mountainbikern gerieten, die eine "Todesspur durch den Auwald ziehen", wie er beklagt. Schlingnattern zögen bereits seit der Eiszeit von Norden nach Süden in Richtung Gebirge, "das ist ein uralter langer Prozess", erklärt Siering.

Werden Vögel wie der Uhu fürs Nächste die einzigen Lebewesen bleiben, die auf dem Luftweg von einem Isarhang zum gegenüberliegenden gelangen können, oder werden es ihnen die Menschen bald nachmachen? Die Antwort hängt im Wesentlichen von zwei noch zu klärenden Fragen ab, erstens von dem Ergebnis einer Bedarfsanalyse, die die Gemeinde Grünwald in Auftrag gegeben hat und auf deren Basis der Grünwalder Gemeinderat eine Entscheidung für oder gegen eine Brücke treffen will. Dazu sind Fußgänger und Radfahrer auf und an der Grünwalder und Großhesseloher Brücke befragt worden. Ein Ergebnis wird laut dem Grünwalder Hauptamtsleiter Tobias Dietz bis Ende Dezember oder erst im Januar vorliegen.

Die artenschutzrechtliche Prüfung steht erst an, wenn die Pläne konkreter sind

Zweitens muss noch der Ausgang einer artenschutzrechtlichen Prüfung durch die Untere Naturschutzbehörde des Landratsamtes München abgewartet werden. Nach Mitteilung von Pressesprecherin Christine Spiegel ist bislang aber nur eine vorbereitende naturschutzfachliche Standortprüfung in Auftrag gegeben worden, die aufzeigen soll, an welchen Stellen eine Isarquerung aus naturschutzrechtlicher Sicht überhaupt möglich wäre. Eine artenschutzrechtliche Prüfung sei beim derzeitigen Planungsstand nicht vorgesehen. Diese würde jedoch im Falle einer weiteren Konkretisierung der Planungen notwendig werden, teilt die Behörde mit.

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Dass die Situierung einer Brücke zwischen der Dr.-Engelsperger-Straße auf Grünwalder Seite und dem Pullacher Kriegerdenkmal auf der anderen Seite am besten wäre, das ist eines der Ergebnisse einer Konzeptstudie, die ein TU-Student 2019 als Masterarbeit verfasst hatte. Grund für diese Präferenz ist auch die geologische Situation, die keine Hangrutsche erwarten lässt. Die barrierefreie Fuß- und Radwegverbindung steht als eine 413 Meter lange aufgeständerte Bogenbrücke in den Plänen der beiden Isartalgemeinden Pullach und Grünwald. Ob sie zu einer Luftnummer wird, bleibt abzuwarten.

Währenddessen lässt der Landkreis eine mögliche Seilbahn als radiale Verbindung zwischen dem S-Bahnhof Höllriegelskreuth in Pullach und der Trambahn-Haltestelle am Derbolfinger Platz in Grünwald untersuchen, die täglich mehr als 2000 Menschen auf die jeweils andere Isarseite bringen könnte. Auch diese Alternative wäre mit einer erheblichen Baumaßnahme und Pylonen auf beiden Seiten verbunden. Wahrscheinlich aber hätte eine Seilbahn geringere Auswirkungen auf die Natur, drückt sich Manfred Siering vorsichtig aus. "Und wenn eine Gondel in der Luft schwebt, dann wird das die Vögel nicht interessieren."

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