Garching:"Wir wissen, dass wir ein paar Sachen nicht so gut gemacht haben"

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Im Gespräch mit Parteifreunden aus der Kommunalpolitik: der SPD-Bundestagsabgeordnete Bernhard Daldrup. (Foto: Robert Haas)

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Bernhard Daldrup aus Nordrhein-Westfalen spricht mit Kommunalpolitikern aus seiner Partei über die aktuelle politische Lage im Allgemeinen und die finanzielle Situation der Gemeinden im Besonderen.

Von Martin Mühlfenzl, Garching

Für einen Sozialdemokraten aus Nordrhein-Westfalen dürfte es eine vollkommen neue Erkenntnis sein, dass die SPD ausgerechnet im tiefschwarzen Bayern noch eine relevante politische Kraft sein kann. Im Landkreis München ist sie jedenfalls in vielen Städten und Gemeinden tatsächlich noch tonangebend, stellt in neun der 29 Kommunen die Bürgermeisterin oder den Bürgermeister - und trotzt so insbesondere auf kommunaler Ebene dem Bedeutungsverlust. Auch deshalb zeigt sich der Westfale Bernhard Daldrup beeindruckt vom Aufmarsch kommunalpolitischer SPD-Größen bei seinem Besuch am Dienstagnachmittag im Garchinger Gasthof Neuwirt und würdigt deren Einsatz. "Die Kommunalpolitik ist, anders als Friedrich Merz behauptet, nicht das Kellergeschoss der Demokratie, sondern ihr Fundament", sagt der kommunalpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion. "Die Kommunalpolitik entscheidet maßgeblich über die Zukunft unserer Gesellschaft."

Daldrup war auf Einladung der SPD-Bundestagsabgeordneten Andreas Mehltretter, Claudia Tausend und Michael Schrodi im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Fraktion vor Ort" nach Garching gekommen. Schrodi ist Bundestagsabgeordneter aus dem Wahlkreis Fürstenfeldbruck-Dachau und zudem Betreuungsabgeordneter für den Landkreis München, aus dem die SPD keinen eigenen Abgeordneten hat. In seiner Begrüßung betonte Schrodi die "großen Aufgaben", vor der die Kommunen stünden hinsichtlich der Modernisierung der Wirtschaft und beim Klimaschutz. "Wir wollen, dass die Kommunen die Transformation hinbekommen. Mit ordentlichen Schulen und einem modernen ÖPNV", so der Abgeordnete aus Olching.

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Mit "kommunale Finanzen stabilisieren" war die Veranstaltung überschrieben, zu der neben den SPD-Bürgermeistern Christoph Böck aus Unterschleißheim, Alexander Greulich aus Ismaning und Dietmar Gruchmann aus Garching etwa 40 weitere Interessierte gekommen waren. Der Unterschleißheimer Rathauschef betonte dabei die Besonderheit des Großraums München und vor allem des Landkreises München. "Wir sind sicher eine Ausnahme, gerade was die finanzielle Lage angeht. 80 Prozent der bayerischen Kommunen bekommen Schlüsselzuweisungen vom Freistaat, bei uns ist es gerade einmal eine", erläuterte Böck. Dennoch seien auch für finanziell eher gut situierte Kommunen die Herausforderungen enorm: beim Aufbau kommunaler Wärmenetze, der Geothermie, bei der Ganztagsbetreuung an Grundschulen, bei der Unterbringung Geflüchteter. "Im Landkreis München klappt das aber gut mit der Flüchtlingsunterbringung. Das ist auch keine Frage des Geldes, sondern eher des Wohnraums", so Böck.

Etwa 40 Kommunalpolitiker diskutieren im Festsaal des Gasthofs Neuwirt in Garching über die finanzielle Ausstattung der Kommunen. (Foto: Robert Haas)

Sein Garchinger Amtskollege Gruchmann kritisierte wie Böck das Förderwesen für Kommunen durch den Bund, das zu kompliziert, ausufernd und vor allem nicht ausreichend sei. "Wir erweitern unsere Grundschule West für neun Millionen Euro und bekommen eine halbe Million als Förderung", so der Rathauschef. Aber auch bei der Schaffung von Wohnraum fehle es an Unterstützung durch den Bund. "Da muss von oben sehr viel mehr kommen, sonst schaffen wir das nicht." Hart ging sein Parteifreund Anton Hierhager, der Zweiter Bürgermeister der Gemeinde Kranzberg im Landkreis Freising ist, mit der Bundesregierung und dem Versprechen von Bundeskanzler Olaf Scholz ins Gericht, 400 000 Wohnungen im Jahr bauen zu wollen. "Warum verspreche ich so etwas, wenn ich es nicht halten kann? Das sind die Dinge, die Menschen so verärgern", so Hierhager.

Daldrup nahm diese Kritik auf. "Wir wissen, dass wir als Bundesregierung auch ein paar Sachen nicht so gut gemacht haben und das dürfen wir auch nicht unter den Teppich kehren", erwiderte er. Aber der finanzpolitische Sprecher kritisierte vor allem auch die Bundesländer und insbesondere den Freistaat Bayern, wenn es um die finanzielle Ausstattung der Kommunen geht. "Die Kommunen befinden sich in der Verantwortung der Länder. Aber die Bundesländer, gerade Bayern und NRW, zeigen immer nur auf den Bund", so Daldrup. Er räumte aber auch ein, dass die Förderpolitik des Bundes verbessert werden müsse: "Wir haben ein Programm für Sport, Jugend und Kultur und fördern Sporthallen und Schwimmbäder mit mehreren hundert Millionen Euro. Bis der tatsächliche Bescheid da ist, dauert es aber manchmal zwei Jahre. Das ist vollkommen inakzeptabel."

Das findet der Sozialdemokrat aus dem Nordwesten auch hinsichtlich der Mietpreise im Großraum München, die ihn ebenfalls nachhaltig beeindruckt haben - aber nicht im positiven Sinne. Diese seien vollkommen unangemessen, so Daldrup. Dieses Problem aber könne die Kommunalpolitik nicht allein lösen, sondern nur als gleichberechtigter Partner mit dem Bund und den Ländern - auf Augenhöhe.

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