Es waren alarmierende Daten, die das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) vergangenes Jahr öffentlich machte: Wissenschaftler hatten über mehrere Jahre Satellitendaten ausgewertet und dabei festgestellt, dass die Fläche deutscher Wälder zwischen 2018 und 2021 um fünf Prozent zurückgegangen ist.
Anhand von Informationen, die Satelliten aus dem Orbit liefern, könnten aber nicht nur solche Bestandsaufnahmen erstellt, sondern auch wichtige Strategien für die Zukunft entwickelt werden, erläutert Samuel Kounev von der Universität Würzburg. Gemeinsam mit einem interdisziplinären Team entwickelt der Informatiker ein von Satellitendaten gestütztes Geoinformationsportal. Es soll Politik und Behörden helfen, schnell und gezielt Entscheidungen zum Schutz der Wälder zu treffen, die Technik könnte aber auch in anderen Bereichen zum Einsatz kommen.
Um die riesigen Informationsmengen aus dem All effizient und kontinuierlich auswerten zu können, braucht es jedoch eine gute digitale Infrastruktur. Die Anforderungen soll nun eine neue Hochleistungsplattform erfüllen: Gemeinsam mit dem DLR hat das Leibniz-Rechenzentrum (LRZ) die Großrechenanlage "Terrabyte" entwickelt, die nun in Garching in Betrieb gegangen ist. Das System kombiniert eine enorme Speicherkapazität mit professionellen Werkzeugen zur Analyse von Erdbeobachtungsdaten und soll so Wissenschaftlern helfen, die Veränderungen der Umwelt besser zu verstehen.
Insgesamt liefern Satelliten pro Tag rund 19 Terabyte an Daten über den aktuellen Zustand der Erde - das entspricht in etwa 4750 Spielfilmen und ist zu viel für reguläre Speicher. Die eigenen Kapazitäten des DLR in Oberpfaffenhofen reichen für die großen Mengen bereits seit Längerem nicht mehr aus. Bisher habe man die Daten mitunter auf Clouds externer Anbieter wie Google gespeichert, sagt Stefan Dech, Direktor des Earth Observation Center des DLR. Doch das habe Grenzen, insbesondere in Bezug auf Sicherheit und Datenschutz.
DLR und LRZ arbeiten seit mehr als vier Jahren gemeinsam an dem Projekt
Es musste also eine neue Plattform entstehen - autonom, sicher und leistungsstark. Seit Frühjahr 2019 arbeiten DLR und LRZ gemeinsam an dem Projekt, die Verantwortlichen sind nun sichtlich stolz auf das Ergebnis. Über eine 100 Gigabit pro Sekunde starke Leitung sollen die Daten schnell vom DLR in Oberpfaffenhofen nach Garching übertragen werden können. Das System bietet einen 50 Petabyte großen Online-Speicher. Zum Vergleich: Ein Petabyte entspricht etwa dem Inhalt von 223 000 DVDs. Nutzer finden auf der Plattform zudem verschiedene Analysewerkzeuge und Algorithmen.
Bei der Auswertung der Daten hilft eine Künstliche Intelligenz. Sie soll aus den Satellitenbildern Zusammenhänge erkennen, die menschliche Wissenschaftler vielleicht übersehen könnten. Terrabyte sei somit eine Art "Chat-GPT für Erdbeobachtungsdaten", wie Dieter Kranzlmüller, der Leiter des LRZ, sagt.
Das Einsatzgebiet der hochmodernen Technik ist vielfältig. Denn neben aktuellen Daten sollen auch über Jahrzehnte gesammelte Informationen über die Erde abrufbar sein. So kann man nicht nur den Zustand der Wälder anhand von Satellitendaten überwachen, sondern unter anderem auch beobachten, wie menschliche Siedlungen sich im Laufe der Zeit ausdehnen, in welchem Maße die Gletscher schmelzen oder wie sich Küstenlinien durch den steigenden Meeresspiegel verändern.
Mit Terrabyte sei ein "Meilenstein für die Umweltforschung und die Fernerkundung der Erde" erreicht , sagt DLR-Mann Stefan Dech. Der Forscher rechnet mit einem großen Wissenssprung, von dem Gesellschaft und Umweltschutz profitieren könnten. Denn wenn man Trockenheit in Wäldern oder eine zurückgehende Küstenlinie früh erkenne, können beispielsweise rechtzeitig Schutzmaßnahmen gegen Waldbrände oder Überschwemmungen geplant werden.