Garching:Durch die Sonnenblume

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Die Vogelscheuchen stehen, jetzt müssen nur noch die Samen aufgehen, die die Kinder am Dienstag mit Christine Steiner (links) und Regina Haller gesät haben. (Foto: Robert Haas)

Die Künstlerin Regina Haller will mit Garchinger Mittelschülern an der alten Bundesstraße mehr als tausend Blüten sprießen lassen. Die Kinder sollen etwas über die Natur lernen - und dass sie in der Stadt etwas bewegen können.

Von Gudrun Passarge, Garching

Sie tragen rosa Plastikkrönchen, manche lassen riesige Ohrringe in Gold und Rot baumeln. Die vereinzelten Regentropfen können ihnen nichts anhaben, schon gar nicht ihrer Gesichtsfarbe, die mal rot, mal gelb, auf jeden Fall bunt ist. Den Vogelscheuchen, gebaut von den Kindern der Mittelschule Garching, kommt künftig eine wichtige Aufgabe zu. Sie sollen mehr als tausend Sonnenblumen bewachen, gesät von den Schülern. Mitten unter den Kindern leuchtet ein grüner Anorak heraus, er gehört Regina Haller, der Initiatorin des Land-Art-Projekts. Sie betont das Übergreifende der Aktion: "Das ist eine Sache, die man nicht nur für sich macht. Man spürt die Freude."

Die Münchner Künstlerin hat schon viel Erfahrung mit ihren Sonnenblumen. 2001 fing es an mit einem ganz kleinen Fleckchen an der Isar, wo sie wohnt, in der Nähe der Reichenbachbrücke. Seitdem hat sie den Samen der gelben Blumen schon an ganz unterschiedlichen Stellen ausgebracht, mit ganz unterschiedlichen Menschen. Und alle Aktionen haben ihr großen Spaß gemacht, wie beim Erzählen deutlich wird. Da sind zum Beispiel die zwei Dörfer im Schwäbischen, deren Schulen ein Verbindungsband zwischen den Kommunen mit Sonnenblumen gesät haben. Das gefiel auch einem Lehrer der benachbarten großen Kreisstadt. Er animierte seine Gymnasiasten, etwas Ähnliches an der Schule umzusetzen,

Gymnasiasten und Hauptschüler trafen sich, tauschten Erfahrungen und Tipps aus und zur Blüte am Gymnasium gab es ein Fest. Oder es gab das Projekt, das integrativ ausgelegt war: Diverse soziale Gruppen beteiligten sich, Kindertagesstätten, die Notunterkunft, Schulen. "Und ich habe in der ganzen Stadt Wundertüten verteilt", erzählt Haller. Einmal durften die Obdachlosen unter der Reichenbachbrücke, die auch mitgeholfen hatten, die Sonnenblumen verkaufen. Ein großer Erfolg sei auch das Projekt "Freising blüht auf" gewesen, erzählt Haller: "Da haben 400 bis 500 Leute mitgemacht."

Sonneblumen sind positiv besetzt

Durch ihre rege Pflanztätigkeit lernte Haller interessante Mitstreiter kennen. So wie Jürke Grau, den ehemaligen Leiter des Botanischen Gartens. Der Botanikprofessor klinkte sich ein und hielt Vorlesungen über die Sonnenblume speziell für Kinder, wie Haller erzählt. "Man lernt, viel aufmerksamer hinzuschauen", schwärmt Haller, und sehe, dass die Knospen ausschauten wie kleine Sterne. "Kleine Kinder sind immer ganz fasziniert, dass aus einem so kleinen Samen so eine große Blume wächst."

Sonnenblumen seien einfach positiv besetzt, "es gibt wohl niemand, der sie nicht mag", sagt die Künstlerin. So stieß sie auch in Garching auf offene Ohren. Den Kontakt zur Mittelschule stellte Christine Steiner her. Die Künstlerin unterrichtet zweimal in der Woche kreatives Gestalten an der Mittelschule in den Übergangsklassen, in denen Kinder mit Migrations- und Fluchthintergrund betreut werden. Sie hatte Haller bei deren Projekt Kunsttunnel in München kennengelernt, und die beiden kamen auf die Idee, die Sonnenblumen in Garching blühen zu lassen.

"Wir haben sofort gesagt, dass wir da mitmachen würden", sagt Mathias Ansorg, Lehrer an der Mittelschule und Koordinator des Projekts. Er sieht nur Vorteile für die Schüler. Sie kämen mit der Natur in Berührung und präsentierten ihre Mittelschule als Teil der Stadt, die ihr Lebensmittelpunkt ist. "Es ist einfach wichtig für die Schüler, weil sie in der Stadt etwas bewirken können und ein Teil von ihr sind." Geplant ist außerdem, dass die Foto-AG der Schule das Projekt begleitet und dokumentiert, wie sich das Sonnenblumenfeld entwickelt. Vielleicht ist das dann einmal in einer Ausstellung zu sehen. Vielleicht gibt es auch noch Interviews zum Thema Natur, das könnte sich die Projektinitiatorin jedenfalls gut vorstellen.

Die Bauhofmitarbeiter haben den Boden bereitet

Haller wuselt um den Streifen an der alten B 471 herum. Sie strahlt, alles funktioniert gut. Auch dank ihres "Schutzengels" Bruno Maresi, wie sie betont. Der 82-Jährige begleitet ihre Projekte schon seit Längerem. Er macht die Pflanzstöcke aus Isarschwemmholz und baut Modelle für Vogelscheuchen. Gefunden haben sich Haller und Maresi natürlich an der Isar, als der Italiener mit seinem Fotoapparat auf der Lauer lag, um junge Spechte beim Verlassen des Baumlochs zu fotografieren.

"Wunderbare Vorbereitung von der Stadt und vom Bauhof, wunderbare Vorbereitung von der Schule, ideales Wetter", resümiert Haller, die leichte Feuchtigkeit sei gut für die Samen. Umweltreferent Christoph Marquart verabschiedet sich. Er hat kurz vorbeigeschaut. "Eine nette Idee", sagt er. Die Stadt sei gerne bereit gewesen, zu helfen. Sie stellt den Grund zur Verfügung, etwa 1000 Quadratmeter. Bauhofmitarbeiter haben den Boden bereitet.

Jetzt ist es an den Schülern, die Sonnenblumensamen in die Erde zu bringen. Haller nennt sie "Gigantos", weil sie drei Meter hoch werden. Seliman aus Afghanistan sticht sauber seine Löcher mit dem Stecken in die Erde. Er folgt dabei der Linie des roten Pflanzfadens. Sebastian aus Rumänien hilft ihm dabei. Beide sind hoch konzentriert. Christine Steiner bemerkt es wohl. Ihr ist schon aufgefallen, dass manche Schüler, die sonst eher Konzentrationsprobleme hätten, hier ganz bei der Sache sind und sich nicht stören lassen. Zwei Mädchen haben eine andere Methode entwickelt. Sie ziehen mit ihren hellen Sportschuhen Furchen in die Erde und säen dann. Für die Samen sehr effizient, für die Schuhe eher nicht.

Timur ist schon fertig. Mit seinen Freunden kommt er auf Regina Haller zu, um Vollzug zu melden. Und, hat es Spaß gemacht? Klar. "Es ist Teamarbeit und es ist kein Unterricht", sagt Timur. Jetzt hoffen alle Beteiligten nur noch, dass das Feld von Vandalismus verschont bleibt. Und dass auch die Vogelscheuchen ihren Platz behalten. Wer eine haben möchte, kann sich an Christine Steiner von der Mittelschule wenden. Sie bietet an, mit ihren Schülern weitere zu gestalten.

© SZ vom 26.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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