Massive Eingriffe in die Natur, unklare Verkehrsprognosen, keine Verbesserung für den öffentlichen Nahverkehr und Radfahrer sowie explodierende Kosten: Der Bund Naturschutz (BN) hat eine lange Liste an Kritikpunkten zum derzeit laufenden Ausbau des Föhringer Rings aufgestellt und fordert eine Prüfung, ob das Projekt überhaupt noch zu rechtfertigen ist. Bis Ergebnisse vorliegen, muss es laut BN einen "sofortigen Stopp der bisherigen Planung und danach mindestens eine völlige Umplanung" geben.
Sollte sich herausstellen, dass die Schäden für die Natur zu groß und die Kosten zu hoch sind, der öffentliche Personennahverkehr zu stark ausgebremst wird und die Prognosen völlig unrealistisch sind, "ist die Planung einzustellen", so die Forderung. Einzig die Renovierung der beschädigten Herzog-Heinrich-Brücke wird von der BN-Kreisgruppe München anerkannt.
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Nach den Worten des BN-Vorsitzenden Christian Hierneis sollen für die Erweiterung der wichtigen Verkehrsader im Münchner Norden von zwei auf vier Spuren Gehölz- und Waldflächen auf 5,5 Hektar gerodet werden, Teile davon auch im Gartendenkmal Englischer Garten. "Das ist ein Wahnsinn in Zeiten des Klimawandels und sich aufheizender Städte, wo wir uns keinen Verlust von Grünflächen oder Bäumen mehr leisten können", so Hierneis in einer Pressemitteilung. Er verweist darauf, dass die Ausgleichsflächen für die Versiegelung größtenteils fernab der Stadt entstehen sollen, etwa in Aschheim, Baierbrunn, Brunnthal und Marzling bei Freising.
Der zweite Kritikpunkt betrifft Verkehrszählungen und Verkehrsprognosen für den Föhringer Ring. Dabei zeigt sich nach Ansicht des BN, dass seriöse Zahlen fehlten, "sondern je nach Bedarf gerechnet wird". Mal werde bei der Verkehrszählung der Verkehr von Montag bis Freitag dargestellt, mal der von sieben Tagen die Woche, mal komme etwas völlig anderes heraus. Mittlerweile seien auf Anfrage des BN auch die Prognosen nach unten korrigiert worden, und zwar von 74 000 auf 64 400 Fahrzeugen am Tag, heißt es weiter.
Der BN rechnet mit einer enormen Kostensteigerung
Bei den Kosten geht der Bund Naturschutz von einer enormen Steigerung aus. So habe der Freistaat bereits 2022 einräumen müssen, dass seine aus dem Jahr 2017 stammende Berechnung in Höhe von 46,6 Millionen Euro überholt sei. Die Stadt München und die Gemeinde Unterföhring zahlen jeweils fünf Millionen Euro.
Ein Dorn im Auge ist dem Bund Naturschutz schließlich, dass bei der Erweiterung des Föhringer Rings der Nahverkehr keine Rolle spiele, obwohl die Münchner Verkehrsgesellschaft bereits 2017 darauf hingewiesen hat, dass wegen des hohen Fahrgastaufkommens mindestens eine Busspur gebaut werden sollte. Auch an einen Radweg hätten die Planer nicht gedacht, beklagt der BN. Radfahrer müssten sich deshalb weiter durch die Leinthalerstraße mit ihren dauernden Seitenwechseln und gefährlichen Einmündungen quälen.