Wohnen im Alter:Am Bedarf vorbeigeplant

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Nicht nur Seniorinnen und Senioren sind oft kurzfristig auf einen Pflegedienst angewiesen. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

In Feldkirchen wird Protest gegen ein großes Seniorenheim an der Münchner Straße laut.

Von Anna-Maria Salmen, Feldkirchen

Seit Langem beschäftigt viele Feldkirchner die Frage, wo sie wohnen werden, wenn sie älter sind. Ein Seniorenheim gibt es in der Gemeinde bislang nicht, Pflegebedürftige müssen aktuell auf Einrichtungen in den Nachbarorten ausweichen. Das könnte sich bald ändern: Vor Kurzem wurden Pläne für ein Seniorenheim auf einem knapp 5500 Quadratmeter großen Grundstück an der Münchner Straße 22 öffentlich. Dort soll eine Pflegeeinrichtung mit 130 Zimmern, 20 Tagespflegeplätzen und 30 Wohnungen für betreutes Wohnen entstehen. Drei Stockwerke hoch soll das Gebäude nach aktuellem Entwurf werden, ein viertes Geschoss soll zurückversetzt gebaut werden. Der Bauausschuss hatte Mitte Juli einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan aufgestellt und somit den Weg frei gemacht für weitere Planungen.

Doch das Vorhaben stößt in der Bevölkerung auf heftige Kritik. In einer Gemeinderatssitzung machten kürzlich zahlreiche Bürger ihrem Ärger Luft. Während üblicherweise gerade einmal eine Handvoll Zuhörer die Diskussionen des Gremiums verfolgt, waren an diesem Abend so viele Feldkirchner ins Rathaus gekommen, dass nicht alle Platz im großen Sitzungssaal fanden - vor weit geöffneten Türen lauschten sie den Protesten. Ein "riesiger neuer Bauklotz" solle mitten in ein Wohngebiet gesetzt werden, kritisierte ein Bürger - für ihn ein unverträgliches Vorhaben. Eine Anwohnerin äußerte ihre Befürchtungen über negative Auswirkungen für die künftigen Nachbarn des Seniorenheims. Das Gebäude rücke nah an die angrenzenden Grundstücke heran, durch die vier Stockwerke sei zudem zu erwarten, dass es zu viel Schatten auf die Umgebung werfe.

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(Foto: SZ)

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Auch für die Senioren ist das Heim nach Ansicht mehrerer Bürger nicht optimal: In den Visualisierungen der Architekten seien zu wenig Freiflächen und Grünanlangen zu erkennen, viele befürchten zu kleine Zimmer. "Ich bitte alle im Gremium, sich zu überlegen, ob sie als Senior in diesem Haus wohnen wollen", appellierte eine Feldkirchnerin.

Bürgermeister Andreas Janson (Unabhängige Wählervereinigung, UWV) versuchte, die aufgebrachten Bürger zu beruhigen. Bei den Visualisierungen handele es lediglich um einen Entwurf, die Planung sei noch nicht fertig - auf die Freiflächen solle im weiteren Prozess großer Wert gelegt werden, diesen Wunsch habe auch der Gemeinderat geäußert. Auch ein Schattengutachten soll erstellt werden. "Viele Punkte werden noch überprüft und überdacht. Wie es mit der Planung weitergeht, werden wir zusammen sehen", so Janson.

Doch auch aus dem Gemeinderat gibt es kritische Stimmen, nicht alle Fraktionen sind vollständig von dem Vorhaben überzeugt. Die Grünen etwa befürchten, dass das Gebäude zu wuchtig wird, zu viel Fläche versiegelt und keine Rücksicht auf die Nachbarschaft nimmt, wie in einer Pressemitteilung zu lesen ist. Zu wenig Grün- und Freiflächen würden die Lebensqualität der Bewohner verringern. Zudem sei die Erschließung unzureichend gelöst. "Bei dem vorliegenden Planungsentwurf sollte eine Reduzierung der Gebäudekapazität auf ein nachbarverträgliches Maß mit ausreichend Freiflächen angestrebt werden", fordern die Grünen. Alternativ soll nach Ansicht der Fraktion ein anderer Standort gesucht werden. Auch die SPD sieht laut ihres Fraktionsvorsitzenden Christian Wilhelm keine Notwendigkeit für ein derart großes Gebäude: "In Feldkirchen haben wir vielleicht einen Bedarf von 50 Plätzen", schätzt er. "Das ist zu dicht und maximal gebaut für unseren Ort. Ich verstehe jeden Bürger, der sich dagegen wehrt."

Wie hoch der Bedarf an Pflegeplätzen in der Gemeinde ist, weiß auch Herbert Vanvolsem (CSU) nicht. "Wir brauchen dafür die Ergebnisse der Seniorenbefragung, um das einschätzen zu können", findet er. Erst dann könne man sehen, wie groß das Gebäude werden soll. "Es sollte auf jeden Fall im Einklang stehen mit der umgebenden Bebauung. Das Wohngebiet muss der Referenzpunkt sein." Bei den bisherigen Entwürfen steht nach Ansicht Vanvolsems die Wirtschaftlichkeit im Vordergrund, weniger die Bedürfnisse der späteren Bewohner. Auch er sieht das aktuell geplante Gebäude als zu massiv an. "Da gibt es noch erhebliches Nachbesserungspotenzial. Ich hoffe auf eine weitere, fruchtbare Diskussion, um insgesamt auf eine verträgliche Lösung zu kommen."

Die Bedenken der Bürger kann UWV-Fraktionssprecher Michael Schön eigener Aussage nach ebenfalls verstehen. "Aber der Investor braucht eben auch eine gewisse Größe, damit es sich lohnt." Freilich sei das geplante Gebäude groß, durch den Standort an der Hauptstraße sei das allerdings "nicht so wild" - der Baukörper könne auch als Lärmschutz für die dahinter liegenden Häuser gesehen werden, findet er. "Ich freue mich, dass jemand das in die Hand nimmt, ohne dass die Gemeinde viel Geld investieren muss", so Schön. Denn die Kosten für das Projekt trage größtenteils der Investor. "Wir kämpfen schon so lange für ein Seniorenheim, es ist einfach wichtig für Feldkirchen."

© SZ vom 15.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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