Coronavirus im Landkreis München:Vorsicht mit den Zahlen

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Die Corona-Sterblichkeit ist im Landkreis niedriger als bundesweit, weil die Behörden im Gegensatz zum RKI in die Statistik nicht alle Todesfälle aufnehmen. Auch für die wenigen Infektionen bei Kindern gibt es eine Erklärung.

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis

Statistiken sind wichtig in Krisenzeiten, sie geben Halt, an ihnen lässt sich ablesen, ob die Menschen etwas Hoffnung schöpfen dürfen oder noch mehr Vorsicht angebracht wäre. Daten können aber auch Verwirrung stiften und Fragen aufwerfen. Etwa jene nach der Zahl der am Coronavirus Erkrankten in der Altersgruppe der unter 15-Jährigen im Landkreis. Diese liegt seit Tagen konstant bei 52, während sie in allen anderen Altersgruppen - wenn auch langsamer - anwächst. Auf mittlerweile mehr als 1200 Erkrankte insgesamt. Was hat die Jugend den Älteren voraus?

Die Zahlen bei Kindern und Jugendlichen seien in der Tat "vergleichsweise gering", sagt Gerhard Schmid, Leiter des Gesundheitsamtes. Ursächlich hierfür seien drei Gründe: Zunächst, so Schmid, zeigten Kinder und Jugendlich bei einer Erkrankung mit Covid-19 oftmals keine oder nur geringe Symptome, dementsprechend würden sie seltener getestet. Zudem hätten Kinder sehr viel häufiger als Erwachsene Atemwegssymptome, also etwa Husten. Auch in diesen Fällen werde nicht getestet. "Und Kinder sind vergleichsweise gut abgeschirmt", sagt Schmid. "Da die Schulen und Kitas geschlossen haben."

Zahl der Todesfälle konstant

Seit Tagen konstant ist auch die Zahl der Todesfälle im Landkreis. Offiziellen Angaben zufolge sind bisher 23 Tote durch das Coronavirus zu beklagen. "Natürlich stellt sich bei älteren Menschen vor allem in Alten- und Pflegeheimen die Frage, ob sie an oder mit dem Coronavirus verstorben sind", sagt Landrat Christoph Göbel (CSU) in seinem wöchentlichen Video-Presse-Briefing. Ob ein Fall in der Statistik auftaucht, hänge davon ab, welche Todesursache der hinzugerufene Arzt feststellt. Nur wenn der Mediziner eindeutig angibt, dass ein Mensch an Covid-19 verstorben ist, wird dies im Totenschein vermerkt und dem Gesundheitsamt auch so mitgeteilt. "Wir müssen bei unserer Statistik vorsichtig sein. Es darf nicht immer von vornherein angenommen werden, dass es sich bei einem Toten in einem Alten- und Pflegeheim um einen Covid-19-Toten handelt", sagt Schmid. Aktuell sind in den Einrichtungen im Landkreis 71 Menschen erkrankt; in der Summe waren es bisher 128; die übrigen sind genesen oder verstorben.

Ein Blick in die Statistik des Robert-Koch-Instituts (RKI) offenbart eine weitere Diskrepanz: Im Verhältnis zu den Krankheitsfällen ist die Zahl der Verstorbenen laut RKI deutschlandweit deutlich höher als im Landkreis München. Für Deutschland weist das RKI - Stand Donnerstag - etwa als 148 000 Erkrankte und 5094 Todesfälle aus, das entspricht einer Mortalitätsrate von etwa 3,9 Prozent. Im Landkreis beträgt diese dagegen nur etwa 1,9 Prozent. Dies liege daran, sagt Schmid, dass in die Statistik des RKI alle Toten einfließen, sowohl die "an Corona" als auch die "mit Corona" verstorben sind. "Da ist der Unterschied nur logisch."

Lage in Altenheimen hat sich stabilisiert

Die Situation in den Alten- und Pflegeeinrichtungen hat sich derweil laut Landrat Göbel stabilisiert. Es gebe eine verbesserte Lage bei der Schutzkleidung. Auch dank des Einsatzes des Technischen Hilfswerks im Verteilzentrum des Freistaats nahe Garching, dem Göbel am Mittwoch einen Besuch abstattete. Von dort wird ganz Bayern mit Schutzkleidung beliefert.

Angesprochen auf die zuletzt sinkenden Zahlen bei den Neuinfektionen, sagt Schmid, die Maßnahmen, vor allem die Ausgangsbeschränkungen, hätten den erhofften Effekt mit sich gebracht. Als "positives Signal" wertet er auch die wachsende Zahl von mittlerweile mehr als tausend Genesenen. Wie valide diese Zahl tatsächlich ist, sei aber schwer einzuschätzen. Als statistisch genesen gelten jene, deren Beginn der Quarantäne 14 Tage oder länger zurückliegt und die symptomfrei sind. Noch einmal auf das Coronavirus getestet werden nur Menschen in systemrelevanten Berufen. Die "reine Lehre" von zwei Tests innerhalb von 48 Stunden nach Beendigung der Quarantäne bei allen zuvor Erkrankten könne derzeit nicht geleistet werden, so Göbel und Schmid.

Landrat appelliert, sich an die Regeln zu halten

Der Landrat bittet die Bevölkerung, sich weiter an die Regeln zu halten. Es sei richtig, das öffentliche Leben behutsam und langsam wieder hochzufahren. "Deshalb halte ich auch die Maskenpflicht für richtig. Eine Maske ist auch eine stete Erinnerung für jeden Einzelnen, die Regelungen einzuhalten", so der Landrat. Mit Masken werden von kommenden Montag an die Schüler der Abschlussklassen an den weiterführenden und Berufsschulen leben müssen. Göbel hatte vor einer Woche angekündigt, alle Lehrer, Hausmeister und Schüler mit Masken ausstatten zu wollen. Eine erste Charge von 50 000 Masken aus Baumwolle, die mehrfach verwendet werden können, sei bestellt, so der Landrat. Sie würden am Mittwoch an die Schulen ausgeliefert. Jeder werde zwei Masken zum Preis von je 1,70 Euro erhalten, auf Einwegmasken soll verzichtet werden. "Eine für die Schule, eine für Zuhause zum Waschen", so der Landrat. "Eine Öffnung der Schulen ohne Masken hätte es mit mir nicht gegeben."

Grundsätzlich seien die Schulen im Landkreis für die teilweise Wiedereröffnung gut vorbereitet. "Weil wir eine moderne Schullandschaft haben, und bei den Räumen immer größer geplant haben als eigentlich notwendig", wie Göbel sagt. Dennoch sei klar, dass die Kapazitäten für den "Vollbetrieb" nicht reichten. Was also, wenn wieder alle Schüler - von der Grundschule bis zum Gymnasium - zum Unterricht gerufen werden? "Dann weiß ich auch nicht, wie das funktionieren soll", so der Landrat.

© SZ vom 24.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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