Coronavirus:Die Ansteckungswelle erreicht den Landkreis

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Nach zwei bestätigten Coronavirus-Infektionen sind das Lise-Meitner-Gymnasium und ein Kindergarten in Gräfelfing geschlossen. Die erkrankten Kinder sind isoliert, Kontaktpersonen werden ermittelt. In Unterhaching werden vorsorglich Veranstaltungen abgesagt.

Von Stefan Galler, Iris Hilberth und Bernhard Lohr, Unterhaching

Ein Schüler des Lise-Meitner-Gymnasiums in Unterhaching und ein Kind im Kindergarten Sunrise ABC in Gräfelfing haben sich mit dem neuartigen Coronavirus infiziert. Wie das Gesundheitsamt mitteilt, wurde der Fall in der Schule am späten Mittwochabend bekannt. Gesundheitsamt und Schulleitung entschieden daraufhin, die Schule am Donnerstag und Freitag geschlossen zu lassen. Der Kindergarten ist vorerst bis einschließlich Montag, 16. März, zu. Am Gymnasium wurden bereits die in Frage kommenden Kontaktpersonen ermittelt und untersucht. Beim erst später bekannt gewordenen Fall im Kindergarten dauert die Suche noch an.

Dem Schüler, der im Landkreis Miesbach zu Hause ist, geht es nach vorliegenden Informationen gut. Er ist daheim. Das betroffene Kindergartenkind werde nach den einschlägigen Vorgaben isoliert, teilen die Behörden mit. Für alle Kinder des Kindergartens, die sämtlich als Kontaktpersonen in Frage kämen, würden die erforderlichen Schutzmaßnahmen veranlasst.

Gegen 22.30 Uhr erreichte die Direktorin des Lise-Meitner-Gymnasiums, Michaela Trinder, am Mittwoch der Anruf, der alles ins Rollen brachte. Das Gesundheitsamt hatte die Geschäftsführerin des Schulzweckverbands informiert und diese setzte umgehend Bürgermeister Wolfgang Panzer (SPD) über den Coronavirus-Fall an der Schule in Kenntnis. Die Entscheidung, die Schule zwei Tage zu schließen und so schnell wie möglich Eltern und Schüler zu informieren, fiel noch in der Nacht. Wie Direktorin Michaela Trinder sagt, sei alles sehr routiniert und ruhig abgelaufen. Lehrer und Elternbeirat seien eingebunden worden, Pressemitteilungen verschickt und der Rundfunk informiert worden. Von sechs Uhr morgens an habe man über Telefonketten viele Eltern erreicht. Letztlich seien nur zwei, drei Schüler am Morgen an der Schule gewesen. "Die Informationskette hat super funktioniert", sagt Trinder.

Bis Freitagnachmittag sollen weitere Testergebnisse vorliegen

Das Gesundheitsamt nahm noch in der Nacht zum Donnerstag seine Arbeit auf, um die Kontaktpersonen des Schülers zu ermitteln. Am Nachmittag wurden laut Gesundheitsamt Betroffene sowohl im schulischen wie auch im privaten Umfeld informiert und zum Test aufgefordert. Wie Schulleiterin Trinder sagt, sollen die Ergebnisse bis Freitagnachmittag vorliegen. Als Kontaktpersonen gelten nach Angaben des Gesundheitsamt diejenigen, die länger direkten "Face-to-face-Kontakt" mit der infizierten Person hatten, also mindestens zehn Minuten mit ihr gesprochen haben, wie Landratsamtssprecherin Christine Spiegel erläutert.

Der mit dem Virus infizierte Schüler hat sich laut Landratsamt während der Faschingsferien mit weiteren Personen in Norditalien aufgehalten, allerdings explizit nicht in einem vom Robert-Koch-Institut (RKI) definierten Risikogebiet. Ein Mitglied der Reisegruppe soll nach der Rückkehr aus dem Urlaub leichte Krankheitssymptome gezeigt und daraufhin seinen Arzt kontaktiert haben. Ein Test habe den Verdacht der Infektion mit dem Virus bestätigt. Infolgedessen wurden auch die übrigen Mitglieder der Reisegruppe getestet. Da auch der Test des Kindes positiv ausfiel, wurde es wie die weiteren im Haushalt lebenden Personen isoliert. Genauere Angaben zu dem betroffenen Schüler, etwa die Jahrgangsstufe oder den Wohnort, macht das Landratsamt nicht. Das gilt auch für die am Mittwoch bekannt gewordenen Fälle von Vater und Tochter in einer anderen Gemeinde, wo die Schülerin allerdings nach den Ferien nicht in ihrer Schule erschienen war. "Es ist extrem wichtig, dass die Personen nicht erkannt werden, um sie zu schützen", sagt Behördensprecherin Spiegel. Schulleiterin Michaela Trinder sagt, die Familie habe im übrigen "alles richtig gemacht" und bei Verdacht die richtigen Schritte ergriffen. Dabei sei man nicht einmal in einem Risikogebiet gewesen. "Hut ab."

Die Klassenzimmer wurden desinfiziert

Das Klassenzimmer und weitere Räume, in denen der Schüler unterrichtet wurde, werden laut Direktorin Trinder von einer Spezialfirma desinfiziert. Wie es darüberhinaus am Unterhachinger Gymnasium weitergeht, ob etwa für eine ganze Klasse Quarantäne angeordnet wird oder die Schule noch weitere Tage geschlossen bleibt, werde erst nach den Ergebnissen weiterer Tests entschieden. Sie könne nicht definitiv sagen, ob am Montag Unterricht stattfinden könne, sagt Trinder.

Die Sportarena am Utzweg und die Hachinga Halle sind bis Sonntag, 8. März, geschlossen. Viele Veranstaltungen wurden am Donnerstag abgesagt oder verschoben.

Ungeachtet der aktuellen Entwicklung bleiben die anderen Schulen sowie die Kinderbetreuungseinrichtung in Unterhaching geöffnet. Das gelte auch für das Rathaus und die Bücherei, teilt die Gemeinde mit. "Wir haben uns entschieden, auf diese Situation mit dem gebotenen Ernst und angemessen, aber auch nicht überzogen zu reagieren", heißt es aus dem Rathaus. Großveranstaltungen wie die Bürgerbriefverleihung (Achtung.18-Award) am Freitag sowie Kulturveranstaltungen im Kultur- und Bildungszentrum (Kubiz) werden bis einschließlich Dienstag abgesagt beziehungsweise auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Der Hort im Kubiz und das Haus selbst bleiben geöffnet.

Die Spielvereinigung verzichtet auf das Händeschütteln

Auch beim Fußball-Drittligisten Spielvereinigung Unterhaching, der sein nächstes Heimspiel erst am 17. März gegen den FC Ingolstadt bestreitet, wappnet man sich gegen das Virus. Allerdings mit einfachen Maßnahmen: So wird an den Eingängen zum Kabinentrakt und zur Vereinsgaststätte darauf hingewiesen, dass derzeit im Verein auf Händeschütteln verzichtet wird. Zudem werden Räume am Sportpark regelmäßig desinfiziert. Claus Schromm, Trainer der Profimannschaft, hält die Reaktionen in Deutschland für "Hysterie" und sagt: "Jedes Jahr gibt es 20 000 Influenza-Tote. Bei uns ist deshalb die gegenwärtige Vorsorge Business as usual. Der Unterschied ist, dass man bei dem neuen Virus nicht weiß, wie lange es bleibt und ob es wieder geht." Einen Tipp für die Bevölkerung hat der Sportpädagoge auch noch: "Sport treiben, sich gesund ernähren, dann stehen die Chancen gut, dass man das alles übersteht", so Schromm.

Unterdessen übt die stellvertretende Landrätin Annette Ganssmüller-Maluche (SPD) Kritik am Krisenmanagement der Staatsregierung und des Landratsamts. In Bezug auf die vorübergehende Schließung des Lise-Meitner-Gymnasiums teilte sie mit: "Diese Entscheidung unseres Gesundheitsamtes wirkt aus dem Bauch heraus und nicht geplant und logisch." Alle Maßnahmen wirkten hilflos. Sie fordert einen Krisenstab und die Einbindung der Gesundheits- und Landratsämter. Landrat Christoph Göbel (CSU) wirft sie vor, die Situation einfach hinzunehmen statt "proaktiv" zu handeln.

© SZ vom 06.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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