Bundestagswahl im Landkreis München:Jetzt gilt's

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Der oder jener oder doch der andere? Plakate der Landkreis-Direktkandidaten für den Bundestag. (Foto: Claus Schunk)

Bekannte Gesichter, wenige Kontakte - und eine Überraschung: Ein Rückblick auf einen eher müden Wahlkampf und ein Ausblick auf Sonntag.

Von Lars Brunckhorst

Einige Stunden noch, dann sind wir alle klüger. Nach 18 Uhr am Sonntag werden früher oder später die Ergebnisse aus den Wahllokalen eintrudeln, dann wird sich nach und nach herausstellen, wer im Wahlkreis München-Land das Direktmandat gewonnen hat und welchen Anteil an Zweitstimmen die Parteien aus den 29 Städten und Gemeinden im Landkreis zum deutschen Gesamtergebnis beitragen. Ein paar Aussagen zur Wahl und zum zurückliegenden Wahlkampf lassen sich aber auch schon jetzt treffen.

Kein Aha-Effekt

Für die Wähler war es teilweise schwierig, sich ein Bild von den Kandidaten und deren unterschiedlichen Positionen zu machen. Wegen Corona waren Live-Veranstaltungen auf ein Minimum reduziert und wenn sie stattfanden, dann mit großem Abstand wie etwa im Unterhachinger Fußballstadion oder im ausgewählten kleinen Kreis. Zudem fiel eine geplante Podiumsdiskussion aus, weil sich SPD und Grüne weigerten, mit dem Kandidaten der AfD auf einer Bühne zu sitzen. Der Aha-Effekt war wegen Aha-Regeln gering.

Ins Ziel geschleppt

Direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises dürfte mit ziemlicher Sicherheit wieder Florian Hahn werden. Der CSU-Mann aus Putzbrunn wird aber sein mit Abstand schlechtestes Ergebnis einfahren. 2017 hatte Hahn noch 43,5 Prozent der Erststimmen erzielt - freilich waren das auch schon neun Prozent weniger als vier Jahre zuvor. Damit lag er zwar immer noch einen guten Schluck über dem Zweitstimmenergebnis der CSU im Landkreis von 37,3; von guter Laune bei Hahn, so beobachteten damals Kollegen am Wahlabend im Landratsamt, konnte aber keine Rede sein.

Dieses Jahr dürfte diese ganz verfliegen und allenfalls der Erleichterung Platz machen, mit einem historisch schlechten Ergebnis gerade noch das Direktmandat verteidigt zu haben, das ihm die große Mehrheit der Wähler nicht mehr gönnt. Ein schwacher Trost für Hahn, der gerackert und gekämpft hat in den vergangenen Monaten, trotz Fußverletzung ein Riesenprogramm im Wahlkreis abspulte und dem dann zu seinem tiefen Verdruss auch noch Berichte über Kontakte zu einem dubiosen Netzwerk im autoritären Aserbaidschan zu schaffen machten.

Vertane Chance

Dass Hahn aller Voraussicht nach in Berlin bleiben darf, liegt vor allem daran, dass sich SPD und Grüne auf keine Absprache im Wahlkreis geeinigt haben. Nach dem überraschenden Rückzug der bereits nominierten SPD-Abgeordneten Bela Bach hätte die SPD auf einen eigenen Kandidaten verzichten und Anton Hofreiter, den prominenten Erststimmenkandidaten der Grünen im Landkreis, unterstützen können. In dem Fall wäre eine Wiederwahl Hahns angesichts des Stimmenpotenzials von Rot-Grün so gut wie aussichtslos. So aber spaltet sich dieses Lager auf.

Zu weit weg

Dass Hofreiter auch beim fünften Anlauf nicht das Direktmandat gewinnt, hat aber auch einen anderen Grund: Von vielen Wählern wird er nicht als Abgeordneter des Wahlkreises wahrgenommen. Das liegt daran, dass er - obwohl er in Sauerlach aufgewachsen und in Unterhaching zuhause ist - hier kaum in Erscheinung tritt. Selbst im Wahlkampf reichte es nur für einen Auftritt auf den letzten Metern. Hofreiter ist, so drückte es gerade Baierbrunns parteiloser Bürgermeister Patrick Ott aus, für viele ein Bundespolitiker.

Überraschendes Triell

Damit hat der prominente Hofreiter unerwartet eine Flanke geöffnet, in die erfolgreich Korbinian Rüger stößt. Der 32-jährige Planegger sprang als Verlegenheitskandidat der SPD ein, nachdem Bela Bach abgesprungen war. Niemand, erst recht nicht er selbst, hätte ihm Chancen auf ein Mandat im Bundestag ausgerechnet. Doch der Trend, der in diesem Wahlkampf überraschend ein Genosse ist, sowie seine eigene persönliche Ausstrahlung haben ihn unversehens zu einem Mitfavoriten auf das Direktmandat gemacht. Dass selbst ein seriöses Meinungsforschungsinstituts den smarten Universitätsdozenten in einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit den Alphatieren Hahn und Hofreiter sieht, dürfte auch daran liegen, dass Rüger nicht nur einen sehr engagierten Wahlkampf geliefert hat, sondern eine Art George Clooney in dem Triell ist. Die Herzen der Wähler fliegen ihm geradezu zu.

Die Adabeis

Hinter dem Dreigestirn Hahn-Hofreiter-Rüger fallen zwangsläufig die anderen fünf Direktkandidaten ab. Was im Falle von Axel Schmidt, dem FDP-Bewerber, ungerecht ist, weil er sich ebenfalls redlich müht. Im Falle von Gerold Otten soll das dagegen nur recht sein; von dem rechtskonservativen Höcke-Sympathisanten und seiner AfD war im Wahlkampf zum Glück wenig bis gar nichts zu sehen. Dennoch wird es der ehemalige Bundeswehroffizier dank eines vorderen Listenplatzes wohl wieder in den Bundestag schaffen. Gerhard Kißlinger von den Freien Wählern hat zwar ein paar schlaue Sachen gesagt und kluge Ansichten vertreten, wird aber nur zu dem Minimalziel der Aiwanger-Truppe sein Scherflein beitragen, der CSU und ihren Kandidaten ein paar Prozentpünktchen abzunehmen. Dass schließlich von den Linken in diesem Wahlkampf einmal mehr im Landkreis nichts zu merken war, liegt schlicht daran, dass sie hier trotz neuer Kandidatin - wer hat, bitteschön, schon was von Katinka Burz gehört? - weiter nicht präsent sind. Und die ÖDP und ihr Kandidat Yannick Rouault sind eben die ÖDP. Idealistisch, aber chancenlos.

Vieles beim Alten

Was heißt das alles für den Sonntag und die Wähler? Auch wenn es gegenüber 2017 kräftige Verschiebungen geben dürfte, Grundstürzendes ist kaum zu erwarten. Und der Landkreis wird wohl weiter mit den bisher schon bekannten drei Gesichtern in Berlin vertreten sein. Damit bleibt, auch wenn sich vieles ändern wird, aus Landkreissicht vieles beim Alten.

© SZ vom 25.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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