Bundestagswahl:FDP wird zweitstärkste Kraft

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Florian Hahn hat für die CSU sein Direktmandat mit deutlichem Abstand verteidigt. Doch wie Bela Bach von der SPD fühlte er sich keineswegs als Sieger. (Foto: Claus Schunk)

Die Liberalen überrunden mit 15,3 Prozent die SPD, deren Kandidatin Bela Bach erneut scheitert. Florian Hahn und die CSU verlieren massiv, die AfD kommt auf 9,4 Prozent. Vier Abgeordnete vertreten künftig den Landkreis in Berlin.

Von Stefan Galler, Iris Hilberth und Martin Mühlfenzl, Landkreis

Die politischen Gewichte im Landkreis München haben sich verschoben, und das politische Gewicht des Landkreises in Berlin nimmt zu: Nach der Wahl vom Sonntag wird der einwohnerstärkste Kreis Bayerns künftig mit vier statt zwei Abgeordneten im Bundestag vertreten sein.

Neben Florian Hahn (CSU), der sein Direktmandat wie erwartet verteidigte, und Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter kehrt Jimmy Schulz (FDP) ins Parlament zurück. Neu in Berlin ist der AfD-Kreisvorsitzende Gerald Otten. Auch im zweiten Anlauf aller Voraussicht nach nicht geschafft hat den Sprung SPD-Kandidatin Bela Bach. Ihre Partei stürzte im Landkreis auf 14 Prozent und wurde von der FDP mit 15,3 Prozent als zweitstärkste Kraft abgelöst.

Als um Punkt 18 Uhr die Prognose des ZDF auf dem großen Bildschirm erschien, gab es weitgehend lange Gesichter im vierten Stock des Landratsamtes am Mariahilfplatz. Die SPD-Kreisvorsitzende und Direktkandidatin im Wahlkreis München-Land, Bela Bach, nahm das niederschmetternde Ergebnis für ihre Partei mit einem bittersüßen Lächeln auf, CSU-Kandidat Florian Hahn entglitten beim Blick auf die zweistelligen Verluste der CSU in Bayern die Gesichtszüge.

Hahn spricht von einem "Paradigmenwechsel"

Dagegen kurzer Jubel bei den wenigen Liberalen - Direktkandidat Jimmy Schulz war zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Landratsamt. Einzig die beiden Repräsentanten der AfD, die an den Mariahilfplatz gekommen waren, freuten sich sichtlich über den Wahlausgang: Kandidat Gerald Otten und die stellvertretende AfD-Kreisvorsitzende Christina Specht, klatschten einander ab.

Von guter Laune konnte bei Hahn keine Rede sein. Zwar verteidigte er mit 43,5 Prozent das Direktmandat, büßte gegenüber 2013 im Landkreis jedoch neun Prozent ein. Auch seine Partei, die CSU, verlor im Landkreis fast zehn Prozent. Sie kommt nur noch auf 37,3 Prozent. Angesichts der Zahlen suchte Hahn sofort das Gespräch mit zwei mächtigen Parteifreunden: dem Landtagsabgeordneten Ernst Weidenbusch und Landrat Christoph Göbel. "25 Prozent, also ein Viertel der Abgeordneten im nächsten Bundestag werden Extremisten sein", fasste er hinterher vor Journalisten das Ergebnis von AfD und Linke zusammen. "Das ist ein echter Paradigmenwechsel in der Geschichte der Bundesrepublik." Auf die Frage, wie man innerhalb der CSU auf die schweren Verluste im Freistaat reagieren werde, sagte Hahn: "Wir werden sehr konzentriert überlegen, wie wir mit diesem Ergebnis umgehen." Landrat Göbel interpretierte das Ergebnis als Folge der großen Koalition. Wenn der politische Diskurs ausfalle, würden die Ränder gestärkt: "Was wir heute erlebt haben, darf sich nicht wiederholen."

Die SPD-Kreisvorsitzende Bela Bach rang sichtlich um Fassung. "Das ist eine Katastrophe", sagte die 26-Jährige, "da darf man überhaupt nichts schönreden." Nicht nur für ihre Partei, sondern auch für sie selbst. Mit 16,3 Prozent der Erststimmen schnitt sie schlechter ab als bei ihrer ersten Kandidatur 2013. Und weil die SPD auch im übrigen Bayern und im Bund Stimmen verlor, wird sie wohl wiederum nicht über die Liste in den Bundestag einziehen. Trotz aller Enttäuschung stand für Bach bereits am Wahlabend fest, dass sie weiter für die SPD kämpfen wird. In den nächsten Tagen müsse darüber gesprochen werden, wohin es mit den Sozialdemokraten nun gehen soll, sagte Bach. "Es hat sich ja in Spanien und Griechenland gezeigt, dass es nach unten keine Grenze gibt." Die SPD brauche jedenfalls jetzt Leute, die die Partei zusammenhalten.

Aus dem Hohenbrunner Rathaus eilte FDP-Wahlgewinner Jimmy Schulz sichtlich gut gelaunt ins Landratsamt. "Ich freue mich unglaublich über die Rückkehr der FDP, die Rückbesinnung auf das, was Liberalität ausmacht, hat sich ausgezahlt", sagte Schulz. Jetzt müssten sich alle demokratischen Kräfte zusammensetzen, um zu besprechen, was mit dem Wahlergebnis geschehen werde.

Die Grünen und Jamaika

Christoph Nadler, Fraktionschef der Grünen im Kreistag, zeigte sich äußerst zufrieden mit dem Ergebnis seiner Partei, fand aber auch deutliche Worte für den bundesweiten Erfolg der AfD: "Erstmals ziehen jetzt wieder Rechtsradikale in den Bundestag ein. Das hat auch die CSU in Bayern mit zu verantworten, die rechts fischen wollte und Ängste geschürt hat. Im Zweifelsfall wählen die Leute das Original." Dass die Grünen womöglich in einer Jamaika-Koalition wieder an der Regierung beteiligt sein werden, sieht Nadler auch mit einem weinenden Auge: "Das ist ganz sicher nicht vergnügungssteuerpflichtig." Grünen-Direktkandidat Anton Hofreiter meldete sich aus Berlin: "Ich freue mich über das tolle Ergebnis in meinem Wahlkreis. Im Bundestag werde ich meine Stimme weiterhin deutlich und lautstark für den Zusammenhalt der Gesellschaft und den Erhalt unserer Lebensgrundlagen erheben."

AfD-Kandidat Gerold Otten, der wegen des Ergebnisses seiner Partei über die Liste in den Bundestag einziehen wird, sprach von einem "rundherum schönen Abend, auch für mich ganz persönlich". Der künftige Bundestagsabgeordnete wehrte sich gegen Vorwürfe, mit seiner Partei würden Rechtsradikale in den Bundestag einziehen: "Das ist eine vollkommen falsche Behauptung. Wir im Landkreis München sind in der AfD sehr bürgerlich-konservativ, aber sicher keine Radikalen."

© SZ vom 25.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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