Architektur:Brutalismus und andere Kostbarkeiten

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Die Villa Berlepsch-Valendas an der Karlstraße in Planegg ist ein Beispiel für eine Künstlervilla im Münchner Umland. (Foto: gemeinfrei)

Der Landkreis München unterstützt die Sanierung von zwölf Baudenkmälern mit insgesamt 100 000 Euro. Darunter sind Künstlervillen in Privatbesitz, aber auch das aus den Sechzigerjahren stammende Rathaus von Gräfelfing.

Von Bernhard Lohr, Landkreis München

Seit jeher zog es kreative Köpfe ins Umland von München. Maler suchten in den Bauerndörfern das Ursprüngliche und in der eigentümlichen Moorlandschaft um Schleißheim entdeckten sie ihre Motive. Komponisten wie Ermanno Wolf-Ferrari und August Reuß fanden vor den Toren der Stadt Muße für ihre Arbeit. Bis heute zeugen architektonisch herausragende Villen von diesen besonderen Menschen und von außergewöhnlichen Baumeistern wie einem Sep Ruf. Der Landkreis verfügt über ein reiches architektonisches Erbe bis hin zu Bauwerken der Moderne, das so wie die prägenden Häuser der alten Bauerndörfer selbst zu verschwinden droht.

Der Landkreis München unterstützt Eigentümer erhaltenswerter Gebäude, wenn sie sich an die Sanierung machen. 100 000 Euro gingen dieses Jahr unabhängig von Förderungen durch die Denkmalschutzbehörden an zehn Familien und die Gemeinden Gräfelfing und Höhenkirchen-Siegertsbrunn für ihren Einsatz fürs bauliche Erbe.

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"Ein unter Denkmalschutz stehendes Gebäude zu besitzen, ist Glück und Bürde zugleich", sagte Landrat Christoph Göbel (CSU) jüngst bei einem Treffen mit den Eigentümern und Architekten. "Denkmäler sind Zeitzeugen unserer Geschichte, daher hat der Landkreis ein großes Interesse daran, dass sie für zukünftige Generationen erhalten bleiben."

Kulturreferent Rainer Klier hat sich genau das zu einer zentralen Aufgabe gemacht. Gemeinsam mit dem Bayerischen Landesverein für Heimatpflege richtete er im September in Unterschleißheim eine Fachtagung zum Thema aus, um ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass auch Gebäude, die nicht denkmalgeschützt sind, nicht leichtfertig abgerissen werden sollten, wenn sie für das historische Gedächtnis eines Ortes relevant sind. Kommendes Jahr sei eine Folgeveranstaltung in Ottobrunn geplant, sagt Klier. Man bleibe dran an dem Thema, das auch für den Klimaschutz von Bedeutung sei.

Béton brut: Die besondere Ästhetik des Gräfelfinger Rathauses wird heute geschätzt. Seit 2019 ist es denkmalgeschützt. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Ein Gebäude, dessen architektonischen Wert man jetzt mehr und mehr erkennt, ist das markante Gräfelfinger Rathaus aus den Sechzigerjahren, das im Stil des Brutalismus errichtet wurde und erst 2019 Eingang in die Denkmalliste fand. Die Gemeinde hat es saniert und die Herausforderung angenommen, diesen Bau energetisch zu ertüchtigen.

Die Alte Apotheke aus dem Jahr 1911 ist mit dem alten Mobiliar zum Familienzentrum umfunktioniert worden. (Foto: Claus Schunk)

Die Gemeinde Höhenkirchen-Siegertsbrunn ignorierte die Rufe nach einem Abriss der ehemaligen Apotheke an der Bahnhofstraße und renovierte das Gebäude aus dem Jahr 1911 und konservierte die alte Einrichtung. Sie schmücken heute die Räume des Familienzentrums "Alte Apotheke".

Ein typisches Haus des Architekten Sep Ruf in Straßlach-Dingharting. (Foto: Sebastian Gabriel)

Manche privaten Eigentümer denkmalgeschützter Häuser ließen sich auf das am Ende gerade für die Allgemeinheit und fürs Ortsbild lohnende Abenteuer ein, Villen und Wohnhäuser bekannter Persönlichkeiten oder eines Architekten wie Sep Ruf (1908-1982) zu sanieren, der nicht nur den Kanzlerbungalow in Bonn entworfen und mit der Neuen Maxburg in München nahe dem Promenadeplatz ein stilprägendes Gebäude der Nachkriegszeit geschaffen hat.

Ein typischer Sep-Ruf-Bau wurde in Straßlach-Dingharting vor dem Verfall gerettet. Die Architektin Sabine Bähr hat das im Auftrag der Eigentümer in "extrem viel Detailarbeit" geschafft, wie sie sagt. Vor allem das Flachdach aus ineinander geflochtenen Stahl- und Holzträgern sei eine Herausforderung gewesen. Während das Haus bewohnt war, habe man es so wetterfest erneuert, dass es aussehe, wie gerade von Sep Ruf kreiert. Auch habe man einen Anbau aus den Achtzigerjahren zurückgebaut. Das Original stehe jetzt architektonisch wieder für sich.

Das Wohnhaus des Malers Heinz Katzenberger in Oberschleißheim vor der Sanierung. (Foto: gemeinfrei)

Jeder Umbau eines historischen Gebäudes sei eine singuläre Angelegenheit. "Man macht nie zweimal das Gleiche", sagt Bähr. Das galt für die Eigentümer und die beauftragten Architekten auch beim ehemaligen Wohnhaus des italienischen Komponisten Ermanno Wolf-Ferrari (1876-1948) in Hohenbrunn-Riemerling sowie die ehemalige Villa des Schweizer Schriftstellers, Malers und Architekten Hans Eduard von Berlepsch-Valendas (1849-1921) in Planegg. Auch das Wohnhaus des Komponisten August Reuß (1871-1935) in Grünwald und eine Villa im barockisierenden Jugendstil in Pullach wurden saniert. In Oberschleißheim wurden das Anwesen des Blumen-, Landschaftsmalers und Zeichners Heinz Katzenberger (1877-1961) sowie im Sauerlacher Gemeindeteil Arget ein Kleinbauernhof, das sogenannte "Schmiedgütl", ausgezeichnet.

"Kulturdenkmäler fungieren als unersetzliche Quellen und repräsentative Zeugnisse unserer reichen menschlichen Geschichte", sagte Landrat Göbel. Kreisdenkmalpfleger Rolf Katzendobler und die Untere Denkmalschutzbehörde im Landratsamt unterstützten deren Erhalt mit Kräften. Dass das nicht immer gelinge, beklagte Katzendobler jüngst im Gespräch mit der SZ und verwies unter anderem auf die historische Schlosswirtschaft in Planegg. Kurz darauf stürzten Teile des vernachlässigten Gebäudes ein. Um dessen Fortbestand wird noch gerungen.

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