Aschheim:Erste Nachmieter für Wirecard

Lesezeit: 3 min

Die Lobby des neuen Bürogebäudes (Foto: Ippolito Fleitz/Rock Capital Group (Visualisierung))

Nach dem Kollaps der Skandalfirma ist wieder ein Unternehmen in die einstige Firmenzentrale in Dornach gezogen, auch der noch nicht ganz fertige Neubau in der Nähe ist bereits zum Teil vergeben. Aber noch immer ist in beiden Immobilien viel Platz frei.

Von Anna-Maria Salmen, Aschheim

Das graubraune Gebäude am Einsteinring im Dornacher Gewerbegebiet ist seit rund zweieinhalb Jahren weltweit bekannt. Das Schild mit dem dunkelblauen Schriftzug auf weißem Grund, das auf den skandalträchtigen Mieter Wirecard hinwies, ist allerdings längst abmontiert, unter dem neuen Namen "Vünf" sollen frische Firmen angelockt werden. Der größte Teil des Komplexes steht aktuell leer, der berühmte Eckblock ist an eine Gebäudemanagementfirma vermietet.

Wirecard selbst war seinerzeit aus dem 20 Jahre alten Bürokomplex herausgewachsen, mehr Platz musste her. Und so entschied sich der Vorstand, um den mittlerweile wegen bandenmäßigen Betrugs, Bilanzfälschung, Veruntreuung und Manipulation des Aktienkurses angeklagten Markus Braun, in ein neu errichtetes, modernes Quartier zu ziehen, ein paar hundert Meter von der alten Zentrale entfernt. Mehr als 40 000 Quadratmeter, allein für Wirecard. Der Rohbau war weit fortgeschritten, als im Sommer 2020 die Traumblase platzte.

An der ehemaligen Wirecard-Zentrale in Dornach deutet mittlerweile nichts mehr auf die Skandalfirma hin. (Foto: Alexander Pohl/imago)

Plötzlich war also der einzige Mieter weg für den Komplex mit dem Namen "Heads", der am Einsteinring 30 bereits Stockwerk für Stockwerk in die Höhe gewachsen war. Was macht man mit einem so riesigen Gebäude, das eigentlich vollständig für eine einzige, nun skandalumwitterte Firma konzipiert war?

Der Projektentwickler des Baus, das Grünwalder Immobilienunternehmen Rock Capital, sah sich gleichzeitig mit einer zweiten Krise konfrontiert: Die Pandemie hatte die Arbeitswelt mit ihren klassischen Büroräumlichkeiten, wie sie bis dahin zum Alltag der meisten Menschen gehörte, maßgeblich verändert. "Viele haben gedacht, man würde solche großen Bürogebäude gar nicht mehr brauchen", erinnert sich Claudia Zoric von Rock Capital. Das Heads also einfach zurückbauen? Das war natürlich keine Option. "Wir haben uns die Frage gestellt, was es braucht, damit die Mitarbeiter eben doch wieder gerne ins Büro kommen."

Newsletter abonnieren
:München heute

Neues aus München, Freizeit-Tipps und alles, was die Stadt bewegt im kostenlosen Newsletter - von Sonntag bis Freitag. Kostenlos anmelden.

Die Antwort für Zoric: Die Räumlichkeiten müssen Aufenthaltsqualität bieten. Konkret bedeutet das, dass durch vielfältige Angebote auch außerhalb der klassischen Arbeitszeiten Leben im Gebäude herrschen soll. Eine Barista-Bar ist zum Beispiel geplant, ein Yoga-Studio könnte Entspannung bieten.

Laut Zoric soll das Heads außerdem genug Plätze bieten, an denen man sich einfach nur aufhalten und mit anderen austauschen kann. Ganz so weit wie die großen amerikanischen Vorbilder - Unternehmen wie Google, in dessen Zentrale es unter anderem eine Sporthalle und zwei kleine Schwimmbäder gibt - geht man in Dornach zwar nicht, aber die Grundideen ähneln sich durchaus.

Wo aktuell noch Baugerüste in die Höhe ragen, soll später ein helles Atrium entstehen. (Foto: Sebastian Gabriel)
Die Wände im Atrium sollen mit dichtem Pflanzenbewuchs begrünt werden. (Foto: Ippolito Fleitz/Rock Capital Group (Visualisierung))

Aktuell muss man sich den Weg ins Heads noch zwischen Baustellenfahrzeugen und Planen erkämpfen. Grau ist die dominierende Farbe im weiten Atrium. Aus den kahlen Wänden ragen Stahlträger hervor, an denen später Pflanzkästen befestigt werden sollen. Noch benötigt man einige Fantasie, um sich vorstellen zu können, wie das fertige Gebäude einmal aussehen wird. Oder man wirft einen Blick auf die Visualisierungen der Architekten: Auf den Bildern sind helle, offene Räumlichkeiten und viel Grün zu sehen.

Folgt man Zoric auf der Baustelle nach links, gelangt man in den Gebäudeteil, der schon im Oktober der Firma Essity ein neues Quartier bieten soll. Das Hygieneunternehmen mit Marken wie Tempo und Zewa und hat aktuell noch einen Standort in Ismaning. Weil der Vertrag für die dortigen Räumlichkeiten ausläuft und weil das Gebäude ohnehin in die Jahre gekommen ist, entschied man sich für einen Umzug nach Aschheim.

Die Frage, wie Arbeit in der Zukunft aussehen wird, war für die Planungen zentral. "Kooperation und Kreativität werden wichtig sein", sagt Christina Rydebrink. Die Schwedin leitet das Umzugsprojekt und ist bei Essity unternehmensweit für die Einrichtung moderner Arbeitsplätze verantwortlich. Um die Zusammenarbeit und den Austausch zu fördern, setzt Essity auf Open Spaces statt auf klassische Einzelbüros. "Es wird deutlich weniger Wände geben", sagt Rydebrink. Bis auf wenige Ausnahmen wird im neuen Gebäude kein Mitarbeiter seinen eigenen Schreibtisch haben. Die Arbeitsplätze werden geteilt, jeden Morgen sucht man sich aufs Neue einen freien Tisch aus.

Einzelbüros sucht man in dem Gebäude vergeblich, stattdessen gibt es sogenannte Open Spaces. (Foto: Ippolito Fleitz/Rock Capital Group (Visualisierung))
Von außen sieht der Neubau schon fast fertig aus. (Foto: Sebastian Gabriel)

Dass das anfangs durchaus Unsicherheit auslösen kann, ist Rydebrink bewusst, wie sie sagt: "Natürlich gibt es viele Fragen und es braucht auch eine gewisse Umgewöhnung. Aber erfahrungsgemäß geht das schnell." Anderswo seien Open Spaces längst etabliert, Gebäude mit Einzelbüros würde heute niemand mehr neu bauen.

Trotz der großen Offenheit soll es laut Rydebrink weiterhin die Möglichkeit geben, sich zurückzuziehen, etwa für vertrauliche Telefonate, Videokonferenzen oder für Aufgaben, die hohe Konzentration und Stille erfordern. Für diese Anlässe soll es im Heads abgetrennte Bereiche geben, die jeder Mitarbeiter nach Bedarf nutzen kann.

Dass die aufwendigen Planungen in Zeiten von Home-Office hinfällig sind, glaubt Volker Zöller, der bei Essity das Konsumgütergeschäft in Europa verantwortet, nicht. "Durch die Möglichkeit, zu Hause zu arbeiten, rechnen wir zwar mit etwas geringerer Anwesenheit. Aber das Büro ist nach wie vor der Place to be." Für gute Zusammenarbeit sind Kreativität und Austausch zentral, davon ist Zöller überzeugt. Und das wird wohl auch in Zukunft von Angesicht zu Angesicht am Besten funktionieren.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusVier Bauprojekte in Schwabing
:Aus dem Dornröschenschlaf in die "Turbo-Gentrifizierung"

Investoren greifen in unmittelbarer Nachbarschaft nach mehreren Immobilien - darunter das Hostel eines Sozialwerks. Und die Stadt lehnt es ab, sie zum Bau günstiger Wohnungen zu verpflichten. Wie eine unscheinbare Ecke in Schwabing zum Luxus-Karree mutiert.

Von Sebastian Krass

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: