Wir schreiben das Jahr 2044. Christoph Göbel, fast 70, hat zum sechsten Mal die Wahl zum Landrat gewonnen. Seit drei Dekaden ist der CSU-Mann nun schon oberster Lokalpolitiker im Kreis München. Seit Endlos-Ministerpräsident Markus Söder, inzwischen 77, im Januar 2023 die Altersgrenze von 67 Jahren für Bürgermeisterinnen, Rathauschefs, Landrätinnen und Landräte abgeschafft hat, können alle so lange regieren, wie sie mögen - immer vorausgesetzt, ihre Gesundheit lässt es zu und ihre Anhänger halten ihnen die Treue.
Was könnte es für die Dauer-Regenten Schöneres geben, als zum Beispiel den eigenen 85. Geburtstag auf dem gut eingesessenen Chefsessel im Rathaus zu feiern? Umringt von Amtskollegen mit grauen Schläfen, von denen zwar ein paar selber schon am Stock gehen oder den Rollator vor der Tür geparkt haben, aber es ansonsten mit Mick Jagger halten, der die Bühnenluft mit fast hundert immer noch zum Atmen braucht, auch wenn er beim Konzert gestützt werden muss.
In einer solchen Vision bekommt doch der allseits beliebte Seniorenclub eine ganz andere, weil tiefere Bedeutung. Bei der Jubiläumssitzung am Nachmittag wird nämlich nicht nur über die kleinen Zipperlein geplaudert oder die putzigen Enkelkinder, sondern es wird Politik gemacht. Dank Söders Erlass behalten die Baby Boomer das Ruder in der Hand statt es an die unzuverlässigen Millenials zu übergeben. In einer überalterten Gesellschaft ist das doch nur logisch.
Am Bewährten (manche sagen: Überholten) festhalten - mag sich die Welt auch immer schneller drehen und mögen an den Rathaustüren noch so viele Jüngere rütteln wie dereinst Gerhard Schröder am Zaun vor dem Kanzleramt. Päpste arbeiten schließlich auch bis ins hohe Alter, Königinnen sowieso. Und wenn schon der Renteneintritt von Otto Normalverbraucher an die gestiegene Lebenserwartung geknüpft wird, dann ist es ja wohl nur recht und billig, dass auch Politiker ihre Posten nicht räumen müssen, bevor der Arzt kommt. Mögen sich junge Klimaaktivsten auf Straßen festkleben, die Politiker pappen an ihren Ämtern.
Tatsächlich ist es aber schwer vorstellbar, dass Christoph Göbel mit fast 70 noch immer im Landratsamt das Regiment führt oder Sauerlachs Bürgermeisterin Barbara Bogner mit über 80 mit ihren Gemeinderäten über den Neubau des Rathauses debattiert. Beide werden lieber ihren Ruhestand genießen. Und Söder? Vermutlich umarmt er nach seiner Abwahl in diesem Jahr zuerst Bäume und klebt sich danach an ihnen fest, um nicht ganz in der Versenkung zu verschwinden.