Kommentar:Überraschung im Werksviertel

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Hinter den Kulissen sticheln Kritiker immer weiter gegen das große Konzerthaus-Projekt des Freistaats am Ostbahnhof. Da ploppt plötzlich ein langfristig angelegtes Kunstprojekt auf, das die Staatsregierung zu einem klaren Bekenntnis hinreißt.

Von Susanne Hermanski, München

Die Corona-Krise hat auch ihr Gutes. Wenn man sie als Zyniker sieht. Etwa weil alle, die Kulturbauten vor allem als "teuer" betrachten, nun ihr Totschlagargument an die Hand bekommen haben: Wie bitte, jetzt Geld ausgeben für ein neues Konzerthaus? Unvorstellbar in diesen Zeiten! Die Staatskasse ist leer! So rufen sie im Brustton der Entrüstung. Das schöne Steuergeld werde doch viel dringender gebraucht - für die vollkommen legale Vermittlung von ungeheuer günstigen Maskendeals mit den Töchtern ehemaliger Parteigranden zum Beispiel ...

Na gut, ganz so entwaffnend geht die Stimmungsmache gegen längst beschlossene Kulturbauten des Freistaats auch wieder nicht vonstatten, aber sie existiert. Und sie geht zum Teil sogar aus von Mitgliedern der regierenden CSU in Ausschüssen des Landtags. Dabei sollten die sich doch eher mit der Verwirklichung als mit der Verhinderung von Kultur befassen, wie etwa der Kunst- und Wissenschaftsausschuss. Umso positiv überraschender wirkte deshalb eine Einladung, die an diesem Montag in den digitalen Briefkästen aufploppte, für die neue Kunstaktion "Bilder einer Baustelle". Mit ihr würden "für den gesamten Zeitraum des Bauprozesses künstlerische Perspektiven auf das zukünftige Konzerthaus im Werksviertel-Mitte entwickelt und präsentiert", und dies "in Kooperation mit dem Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst".

Ein Projekt der Künste, das schon Jahre vor der geplanten Grundsteinlegung von wieder anderen Künstlern reflektiert wird, das muss doch wirklich zustande kommen, oder? Nun, aus so einer Nummer kommt der freistaatliche Bauherr, realistisch betrachtet, wohl leichter wieder raus als aus einem Vertrag mit den Architekten. Trotzdem ist das Ganze ein zum jetzigen Zeitpunkt unerwartetes Bekenntnis. Unterstrichen hat diese Hingabe an die gute Sache dann auch noch der Kunstminister Bernd Sibler, der persönlich zum Auftakt von "Bilder einer Baustelle" ins Werksviertel gekommen ist. Er fand durchaus verbindliche Worte. Und blickte gemeinsam mit der hochmotivierten Künstlerschar auf die Stelle, an der das Konzerthaus dereinst stehen soll. Noch ist sie karg und leer. Doch ein bisschen lauter ist die Zukunftsmusik dort jetzt schon zu vernehmen.

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