Ihre Enttäuschung kann Katrin Habenschaden nicht verbergen, als sie um 21 Uhr am Sendlinger-Tor-Platz vor die Kameras tritt. Wie die SPD haben auch die Grünen ihre Pressekonferenz wegen der Coronakrise ins Freie verlegt. Die erste Botschaft, die sie verbreiten will, soll dennoch eine positive sein: "Es freut mich wahnsinnig", sagt Habenschaden, "dass wir um sechs Prozentpunkte zugelegt haben". Sie meint: im Vergleich zur OB-Kandidatur von Sabine Nallinger 2014. Sie gratuliere Dieter Reiter und Kristina Frank zum Erreichen der Stichwahl - "auch wenn ich da natürlich selber gern gewesen wäre". Man werde in den kommenden Tagen "im Einzelnen anschauen, woran es gelegen hat". Sie sei nun gespannt auf den weiteren Abend und optimistisch, was das Ergebnis für den Stadtrat angeht. Das Zwischenergebnis am späten Abend gibt ihr Recht: Da liegen die Grünen vorläufig bei 29 Prozent.
Am Morgen war Katrin Habenschaden mit ihrem Mann Björn und ihrem 14-jährigen Sohn zum Wählen in die Grundschule Gotzmannstraße in Aubing gekommen. Das Wahlplakat vor der Schule stammt von der Bayernpartei: "Aubing muss Aubing bleiben". Vielleicht ist damit gemeint, dass die Hühner, die im Garten gegenüber herumlaufen, dort auch künftig noch herumlaufen können sollen. Es ist ein ländlich geprägter Stadtteil; auch ein Traktor begegnet einem an diesem Vormittag.
Kristina Frank zieht gegen OB Dieter Reiter in die Stichwahl. Die Kommunalreferentin ist erleichtert über ihr Ergebnis - und zugleich schon in der Vorbereitung auf den nächsten Wahlkampf.
Kurz nach zehn Uhr betritt Habenschaden die Wahlkabine im Klassenzimmer der 3d, Stimmbezirk 2206. "Unsere Klasse 3d der Zukunft", steht auf einem Plakat an der Wand geschrieben. Als die Kandidatin, die für die Grünen Münchens Oberbürgermeisterin der Zukunft werden möchte, ihre Stimmzettel einwirft, wird das von einem halben Dutzend Fotografen und Kameraleute dokumentiert. "So war ich noch nie wählen", sagt Katrin Habenschaden hinterher. So, mit einem Aufgebot von Journalisten und Fotografen; vielleicht aber auch: so, in solchen Ausnahmezeiten. Sie habe ihren eigenen Stift dabei gehabt, sagt die Kandidatin - und sich auch sonst an alle Empfehlungen gehalten.
Der Tag sei für sie von "gemischten Gefühlen" geprägt - einerseits freue sie sich, dass ein intensiver Wahlkampf zu Ende gehe, andererseits teile sie die Sorgen vieler Münchnerinnen und Münchner wegen des Coronavirus. Und nun? "Ich glaub', jetzt zieh' ich meine Schuhe an und lauf' mal zehn Kilometer", sagt sie. "Das kann ich brauchen." Draußen grüßt eine Rentnerin, "ich kenn Sie aus dem Rathaus", ruft die Frau ihr zu. 30 Jahre hat sie dort Büros sauber gemacht, war im Betriebsrat aktiv. Wen sie gewählt hat? "Dieter Reiter."
Den "größten grünen Haustürwahlkampf, den München je gesehen hat", hatten die Grünen im Januar angekündigt. Vergangenen Woche fand das Klingeln dann wegen Corona ein jähes Ende. Auf den Einzug in die Stichwahl hoffte Habenschaden trotzdem bis zuletzt. "Dann kriegt das nochmals eine andere Dynamik", hatte sie gesagt. Dass es knapp werden könnte, war klar. Wie sie dann allerdings bei der Auszählung mit einem Vorsprung vor Kristina Frank startete, dieser sich nach und nach verringerte und Frank sie schließlich überholte - "das war schon eine emotionale Achterbahnfahrt", sagte Habenschaden am Sonntagabend.
