Kommunalwahl in Aubing-Lochhausen-Langwied:Außer Rand und Band

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Gerade Eltern mit Kindern dürften der Entwicklung in Freiham auch positive Seiten abgewinnen können: Mit dem sogenannten Bildungscampus ist eine exzellente Schulversorgung gesichert. Auch Spielplätze und Grünflächen sind zum Teil schon angelegt oder zumindest geplant. (Foto: Catherina Hess)

Während der Stadtbezirk zurzeit noch über die größten Freiflächen verfügt, wird ihm in den nächsten Jahren eine regelrechte Bevölkerungsexplosion vorausgesagt. Mit den Folgen werden alle zu kämpfen haben

Von Ellen Draxel

Man macht sich Sorgen in Münchens Stadtbezirk der Superlative. Der städtischen Lösungsansätze wegen, die aus Bürger- und lokalpolitischer Sicht nur bedingt mit den Dimensionen mithalten können, die in den kommenden Jahren auf Aubing-Lochhausen-Langwied zurollen. Derzeit noch der Stadtbereich mit den größten Freiflächen, sagt die Bevölkerungsprognose für die nächsten 20 Jahre mehr als 80 Prozent Wachstum voraus. Allein Freiham, das größte Neubaugebiet der Stadt, soll bis 2040 rund 32 000 Menschen aufnehmen - noch einmal mehr als bereits wiederholt nach oben korrigiert. Dazu kommen eine ganze Reihe kleinerer und mittelgroßer Neubauvorhaben sowie Nachverdichtungsprojekte, von Aubing bis Lochhausen, vom Westkreuz bis Langwied. Neuaubing und die Siedlung am Westkreuz sind zudem das derzeit größte Sanierungsgebiet Europas. Für die künftig 23 Bezirksausschuss-Mitglieder zeichnet sich damit eine straffe Agenda ab, auf der Freiham sicher die größte, aber bei weitem nicht die einzige Herausforderung ist.

(Foto: SZ)

"Wir versuchen immer, mit der Verwaltung konstruktiv zusammenzuarbeiten und nicht einfach draufzuhauen", sagt der Bezirksausschuss-Vorsitzende Sebastian Kriesel (CSU). Im Falle des zweiten Realisierungsabschnitts von Freiham, der anstehenden Bebauung des gesamten Nordabschnitts, haben die Lokalpolitiker indes vor Kurzem genau dies getan. Sie haben, um aufzurütteln, ein Exempel statuiert und ihre Zustimmung zum Aufstellungsbeschluss verweigert. Weil sie zahlreiche Probleme, aber zu wenig zielführende Konzepte sehen. Das gilt für den Verkehr, aber auch für die soziale Infrastruktur. "Mein persönlicher Kritikpunkt beim schnellen Anwachsen der Stadt ist, dass gesellschaftliche Angebote dabei oft zu kurz kommen", betont Kriesel. Die Vereinsamung in den Städten - "das spüren wir selbst hier in Aubing schon". Dabei hat der Stadtbezirk ein überaus reges Vereinsleben mit mehr als 60 Vereinen und viel Gemeinsinn. Beim Aubinger Höfefest etwa, organisiert von den Landwirten des Viertels, trafen sich in den vergangenen Jahren an schönen Herbsttagen Zehntausende auf den Straßen und in den Bauernhöfen des Viertels. Doch für die wenigen verbliebenen Bauern wird es immer schwieriger, das beliebte Höfefest zu stemmen. Es gibt aber auch vielversprechende Ansätze - gerade zwischen dem bestehenden Aubinger Ortsrand und den neuen Nachbarn in Freiham. So hatte im Dezember ein Winterlichterfestival seine Premiere und könnte eine neue Tradition begründen.

Das Bewahren von Identität wird in den kommenden Jahren ein entscheidendes Thema für den Zusammenhalt im äußersten Münchner Westen sein. Wie lassen sich Traditionen aufrechterhalten und Neuzuzügler integrieren, wenn sich die Bevölkerungszahl fast verdoppelt? Wenn der Verkehr im beschaulichen Aubinger Dorfkern zunimmt, obgleich der morgendliche und abendliche Stau auf Verkehrsachsen wie der Bodenseestraße schon jetzt an den Nerven zerrt? Wenn Freiham als inklusiver, technologisch modellhafter Smart-City-Stadtteil entwickelt wird, der blendend funktioniert - jedenfalls solange man ihn nicht verlässt?

Ein bisschen aus dem Blickfeld geraten sind nach Ansicht der Bezirksausschusses die Belange der Senioren. Für die Siedlung am Westkreuz hat die Stadt zwar eine Außenstelle des Aubinger Alten- und Service-Zentrums am Wasserturm in Aussicht gestellt, aber das werde nicht reichen, glaubt Kriesel. "Gerade am Westkreuz leben sehr viele alte Menschen, die Häuser dort sind meist nicht barrierefrei." Nicht von ungefähr pumpt die Stadt mit finanzieller Förderung von Freistaat und Bund gerade viele Millionen Euro an Städtebaufördermitteln in diese Siedlung. Davon profitieren allerdings weder Lochhausen noch Langwied. Auch dort aber wird nachverdichtet. Immerhin ist ein Supermarkt geplant und ein Nachbarschaftstreff vorgesehen. Im Falle von Lochhausen ist es die ansässige Jugend, die bisher leer ausgeht.

Es gibt aber auch viel Positives, das auf den Stadtbezirk zukommt. Mit dem Bildungscampus ist eine exzellente Schulversorgung gesichert, Spiel- und Abenteuerspielplätze sind zum Teil schon fertiggestellt oder zumindest geplant, ein grüner Park soll reichlich Erholungsraum schaffen, im Süden wie im Norden sind S-Bahn-Haltepunkte zweier Linien vorhanden, mehrere Autobahnanschlüsse werden im Endausbau auch den individuellen Verkehr am Fließen halten. Nur: Es reicht noch nicht in den Augen der Stadtteilvertreter, die froh sind, dass der wachsende politische Druck immerhin die zunächst geplante Trambahn-Anbindung Freihams verhindert und die Verlängerung der U 5 als geplantes Projekt gebracht hat.

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"Ein großer Wunsch von mir wäre, dass der Spatenstich für die U 5 in der nächsten Amtsperiode auch kommt", sagt Sebastian Kriesel. Ein gedeihliches Miteinander ist nur denkbar, wenn die Menschen im Westen nicht das Gefühl bekommen, Zug um Zug abgehängt zu werden. Dass sie die Probleme der Gesamtstadt schultern sollen, aber nichts davon haben. Im Norden, im Harthof oder im Hasenbergl sowie in Teilen Freimanns, ist dieses Gefühl jetzt schon verbreitet - mit entsprechenden Folgen etwa bei der Wahlbeteiligung und beim Erstarken politischer Strömungen an den demokratischen Rändern.

© SZ vom 09.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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