Klimawandel:"Man steht nicht morgens auf und rettet mal eben den Planeten"

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Ketty Marcelo López und Angel Pedro Valerio vertreten das Volk der Ashaninka im peruanischen Regenwald. Beim Besuch in ihrer Partnerstadt München erzählen sie, wie der Klimawandel sie bedroht und was die Verbindung nach Bayern für sie bedeutet.

Von Martina Scherf, München

Sie erzählen von ihrem Wald. Ihrer Lebensquelle. Von den Pflanzen und Tieren, die immer weniger werden. Den Klimawandel spüren die Menschen im peruanischen Regenwald schon jetzt, unmittelbar. Ketty Marcelo López und Angel Pedro Valerio sind Botschafter ihres Volkes, der Asháninka. Sie sprechen beim Weltklimagipfel, bei der EU, und diese Woche sind sie in München. Die Stadt unterhält seit 25 Jahren eine Partnerschaft mit den Asháninka. Deshalb berichten die beiden Vertreter jetzt von ihrer Mission: Sie erklären, wie sie leben, warum sie den Wald schützen und wie die Menschen in den reichen Ländern mit ihrem Konsumverhalten dazu beitragen können, die Überlebenschancen der Indigenen zu sichern.

Die Asháninka sind mit rund 80 000 Menschen das größte Volk im peruanischen Regenwald. Asháninka bedeutet "Geschwister, Menschen mit gleicher Sprache". Marcelo López und Pedro Valerio sprechen sich denn auch mit "Bruder" und "Schwester" an, auch wenn sie zuhause aus unterschiedlichen Regionen stammen. Der Kampf ums Überleben verbindet sie. Marcelo López ist Präsidentin der nationalen Organisation indigener Frauen aus dem Amazonas- und Andengebiet (Onamiap). Sie hat es zu internationaler Bekanntheit gebracht. Und eines hat sie inzwischen auf jeden Fall erreicht: Die Frauen können nicht mehr einfach überhört werden.

Männer müssten häufig in die Städte gehen, um Arbeit zu finden, erzählt die Umweltaktivistin beim Interview auf der Terrasse im kleinen Hotel am St. Pauls-Platz. Sonst sei kein Geld da, um die Kinder in die Schule zu schicken. Die Frauen erhielten das Dorf am Leben. "Und Frauen gehen anders mit dem Land um. Wir haben uraltes Wissen über den Wald, über Heilpflanzen und Fruchtfolgen und tragen die Verantwortung für die Natur." Aber die Erderwärmung habe massive Folgen. "Wir konnten von unserer Subsistenzwirtschaft leben, doch das ist jetzt vorbei." Manche Heilpflanzen seien schon ausgestorben. Die Ernten ihrer Nahrungsmittel fielen immer kärglicher aus wegen der Dürre oder wegen der plötzlichen heftigen Regenfälle, die den Fluss anschwellen lassen und die Felder überschwemmen.

Der Raubbau der Konzerne im Regenwald geht unvermindert weiter.

Dazu kommt der Raubbau durch internationale Konzerne. Sie schürfen Erdöl, Gas, Gold oder Lithium für die Batterien der Elektroautos. Die Abwässer der Minen vergiften die Flüsse, sodass die Fische ungenießbar werden. Der Wald wird abgeholzt, oft illegal, um das wertvolle Tropenholz zu verkaufen oder abgebrannt für Palmöl- oder Sojaplantagen. Die Drogenmafia baut Coca-Pflanzen an - "und um all das kümmert sich die Regierung nicht", sagt Pedro Valerio. Er ist Präsident der politischen Vereinigung von 53 Ashaninka-Gemeinschaften (Care - Central Ashaninka del Río Ene).

Das Problem der indigenen Völker: Sie haben keine Landrechte. Die Vorstellung, dass man Boden oder Wald besitzen könnte, ist ihnen fremd. "Alles wurde immer in der Dorfgemeinschaft geteilt, und es wurde der Natur nie mehr genommen, als diese reproduzieren kann", sagt Marcelo López. Wo aber Landrechte fehlen, sind die Bewohner der Willkür der Eindringlinge ausgeliefert. Immerhin: "Wir haben schon einiges erreicht", sagt Pedro Valerio. Eine brasilianische Firma wollte in ihrem Fluss, dem Río Ene, ein Wasserkraftwerk bauen. Der Stausee hätte alles überschwemmt, ihre Dörfer, ihre Felder. "Wir haben erreicht, dass das Projekt gestoppt wurde. Aber wir müssen wachsam bleiben."

Der Besuch in Deutschland ist wichtig, damit ihre Stimmen gehört werden.

Ohne internationale Unterstützung würde ihnen das kaum gelingen. Pedro Valerio war auf dem Klimagipfel in New York 2019. Die Industrieländer erklärten dort viele gute Absichten, sagt er, und tatsächlich fließe ja auch viel Geld. "Aber wenn sie die Konzerne nicht stoppen, unseren Regenwald zu zerstören, empfinde ich das als Widerspruch." Deshalb sei die Partnerschaft mit der Stadt München, die seit 1991 Mitglied im "Klima-Bündnis der europäischen Städte mit indigenen Völkern der Regenwälder" ist, so wichtig. Bürgermeisterin Katrin Habenschaden von den Grünen empfing die kleine Delegation im Rathaus und sagte: "Die Klimakrise können wir nicht allein mit lokalen Maßnahmen eindämmen. Wir brauchen die Unterstützung der indigenen Völker. Und wir müssen sie dabei unterstützen, die Abholzung des Regenwaldes zu verhindern. Der Regenwald ist die Klimaanlage der Welt." Sie seien sehr dankbar für diese Partnerschaft, sagen Marcelo López und Pedro Valerio. Partner aus München fördern Projekte wie Fortbildungen für Frauen oder zweisprachige Schulbücher (ashaninka-spanisch) und die Wiederaufforstung von Wald. Aber mindestens so wichtig ist es, dass sie in Deutschland überhaupt wahrgenommen werden.

Deshalb absolvieren sie ein dichtes Programm: Gespräche mit Politikern, Besuche in Schulen, ein Ausflug in die Stadtgärtnerei, Diskussionen, Workshops, von früh bis spät. Und wie erleben sie solche Begegnungen? "Die Menschen wissen gar nichts vom Regenwald, von unseren Kulturen", sagen sie. Sie tragen bewusst ihre traditionelle Tracht bei solchen Einladungen. "Die Jugendlichen staunen dann, als seien wir direkt einem Fantasyfilm entsprungen", erzählt Marcelo López amüsiert. Ein Schüler habe gefragt: "Warum habt ihr Handys, wenn ihr aus dem Regenwald kommt?" Und manche erzählten stolz: "Wir essen kein Fleisch mehr und tragen nur Second-Hand-Klamotten." Das gefalle ihr, "aber so einfach ist es nicht: Man steht morgens auf und rettet mal eben den Planeten." Es brauche ein Verständnis für ökologische, soziale und politische Zusammenhänge. "Die entwickelten Länder müssen aufhören, uns als Folklore zu betrachten. Wir sind nicht die Inkas, wir gehören nicht ins Museum. Wir leben hier und heute." Bildung sei wichtig, betont sie noch. Die Ashaninka-Botschafterin ist Mutter zweier Kinder. Die seien stolz auf sie, erzählt sie. Ihre zwölfjährige Tochter verfolge die Vorträge der Mutter in aller Welt per Zoom. "Sie sagt, sie will auch Frauenrechtlerin und Umweltschützerin werden."

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