Stromausfälle, Versorgungsengpässe, das alles wird in Zukunft wahrscheinlicher, sagt er. Katastrophenschützer planen längst damit. Doch die meisten Menschen lebten vor sich hin, als ginge sie das nichts an. Und er selbst? "Ich bin kein Prepper, der mit dem Schlimmsten rechnet", sagt Garschagen und lächelt dabei, "aber einen kleinen Wasservorrat, eine handbetriebene Taschenlampe, einen Gaskocher und ein paar Konserven habe ich immer zu Hause, schon wegen der Kinder."
Seine Analysen interessieren nicht nur Regierungen, sondern auch Versicherungen. Als Garschagen überlegte, ob er den Ruf an die LMU annimmt, hat auch die Tatsache eine Rolle gespielt, dass hier mit der Münchner Rück einer der größten Rückversicherer der Welt sitzt. Erste Kontakte hat er schon geknüpft, er will ein Netzwerk aufbauen mit lokalen Partnern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft. Und möglichst viele internationale Kollegen in sein Team holen. "Das vertieft den Blick auf ein Problem."
Der Inhaber des Lehrstuhls für Anthropogeografie an der LMU ist jetzt 37 Jahre alt und schon recht weit in seiner Karriere. Er spricht mit Leidenschaft, er brennt für sein Thema, er will etwas bewegen. Er fliegt beruflich durch die Welt, hat einige Zeit in Indien und Vietnam gelebt. Das Reisen und die Feldforschung haben ihm viele Jahre lang sehr viel gegeben. Jetzt aber hat er zwei kleine Kinder und möchte die Fernreisen am liebsten reduzieren, "auch des Klimas wegen. Man muss nicht immer fliegen, vieles kann man per Videokonferenz klären." Sein Büro wird dafür mit einem großen Bildschirm ausgestattet.
Da drängt sich die Frage auf, wie es der Klimaforscher zu Hause mit der Nachhaltigkeit hält. "Wir machen meist Urlaub in der Nähe", sagt er, "bisher an der Nordsee, künftig wohl eher in den Alpen." Mit seiner Familie wohnt er jetzt in Ismaning - "weil wir in München keine Planungssicherheit in puncto Kindergartenplatz hatten". Familienüberlegungen spielen heutzutage auch für Spitzenforscher eine zentrale Rolle.
Die Strecke bis in die Maxvorstadt fährt er mit der S-Bahn oder dem Fahrrad. Er heizt mit Geothermie, bezieht Öko-Strom und kauft regionale Lebensmittel. "Beim Fleischkonsum habe ich noch Luft nach unten", gibt er zu und schickt hinterher: "Es reicht aber auch nicht, nur an die Freiwilligkeit der Leute zu appellieren. Wir brauchen eine Politik, die den Wandel steuert." Erneuerbare Energien, CO2-Steuer, Förderung der Bahn, grüne Städte, "wir sind längst nicht mehr das ökologische Vorbild der Welt. Wir könnten schon viel weiter sein."
Da schreibt er nun also unermüdlich seine Berichte, dann kommt die nächste Klimakonferenz - Paris, Marrakesch, Bonn, im vergangenen Dezember in Kattowitz -, und es gibt wieder keine Einigung. Zuletzt wurde darüber gestritten, ob der jüngste Bericht des Weltklimarates "begrüßt" oder nur "zur Kenntnis genommen" werde. Russland, Saudi Arabien und die USA haben sich durchgesetzt: Die Arbeit der Wissenschaftler wurde nicht begrüßt. "Der Kohlendioxidausstoß steigt und steigt und steigt. Und wir reden, reden und reden", stellte Mohamed Nasheed daraufhin fest, der frühere Staatspräsident der Malediven, dessen Land langsam im Meer versinkt. Ist das alles nicht unglaublich frustrierend?
Garschagen fährt sich durch den Vollbart, zögert einen kurzen Moment, dann sagt er: "Nein. Die Weltgemeinschaft erkennt das Problem, die Menschen wachen auf. Und gerade jetzt erleben wir doch einen Aufbruch." Die Schülerproteste, Fridays for Future, die Wahlerfolge der Grünen - noch nie war das Thema so präsent. "Schau mer mal", so viel Bairisch hat der Rheinländer schon gelernt, "was die nächsten Jahre bringen." Er sei im Herzen Optimist, sagt der evangelische Pfarrerssohn: "Et hätt noch immer jot jejange."