Klimaprotest in München:"Letzte Generation" blockiert Mittleren Ring

Lesezeit: 2 min

Aktivisten klebten sich an der Abfahrt der Brudermühl- auf die Plinganserstraße fest. (Foto: Lorenz Mehrlich)

Wieder protestieren sechs Aktivisten gegen die Klimapolitik und kleben sich fest. Das Sekundenkleber-Transportverbot der Stadt wirkt unterdessen anders als gedacht.

Von Bernd Kastner

Die Sekundenkleber-Transportverbotsanordnung der Stadt München gegen Klimaaktivisten wirkt. Nicht in dem vom Kreisverwaltungsreferat (KVR) erhofften abschreckenden Sinn, aber in Form zusätzlicher Arbeit in der permanent überlasteten Ordnungsbehörde. Am Freitagmorgen haben Aktivisten der "Letzten Generation" eine Abfahrt des Mittleren Rings blockiert, in Sendling, die Abfahrt der Brudermühl- auf die Plinganserstraße. Vier klebten sich auf den Asphalt, zwei saßen unbefestigt da, um eine Rettungsgasse zu ermöglichen.

Unter den Klebern war Michael Winter, einer der sieben Empfänger eines Verbotsbescheids, der, individuell formuliert, schon mal 13 Seiten umfassen kann und anordnet, dass er keinen Kleber bei sich tragen darf. Er lasse sich nicht stoppen, versichert er, auch wenn er schon eine verschärfte Version erhalten habe, statt 1000 Euro Zwangsgeld 1500. Egal, sagt er, ob 10 000 Euro oder Gefängnis, er werde weiter gegen die unzureichende Klimapolitik protestieren.

Die Blockade am Freitag selbst ist reine Routine. Stau auf dem Mittleren Ring, mehrere Autofahrer nutzen den Fuß- und Radweg als Ausweichroute. Die Polizei rückt mit mehr als 30 Beamten an, und die Aktivisten auf dem Asphalt geben Interviews. "Wir stehen an der Klippe", sagt Ernst Hörmann, 73. Es drängt ihn, die Ergebnisse der jüngsten Klimaberichte zu referieren: Die Menschheit rast auf eine Katastrophe zu.

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In der Pole-Position im Stau steht ein Audi, der Fahrer sieht das anders. "Die Erde ist auch nach uns noch da", sagt er, "die Welt geht nicht unter." Er trägt Sonnenbrille trotz Regens und sagt, er selbst fahre seit 50 Jahren nur die modernsten Autos, und außerdem müsse er seinen Laden aufsperren, ein Motorradbekleidungsgeschäft. Er regt sich sehr auf, auch, dass Medienvertreter da sind. Nach einer halben Stunde läuft sein Motor immer noch. Warum er ihn nicht abstellt? Er habe gar keinen Grund dafür, sagt er, schließlich warte er an einer Ampel und wolle weiterfahren. Emotion pur.

Wie die grüne KVR-Chefin zum Kleber-Transportverbot steht

Umso trockener liest sich, was Hanna Sammüller-Gradl schreibt, auf die Frage, wie sie, die grüne KVR-Chefin, persönlich zum Kleber-Transportverbot stehe: "Auch wenn das Anliegen der sogenannten Klima-Klebeaktivist*innen in der Sache sehr nachvollziehbar ist, unterliegen deren Proteste - wie alle anderen Versammlungen auch - den rechtlichen Vorgaben des Versammlungsrechts." Weil sich ein paar wenige nicht daran hielten, sei das "Mitführverbot" nötig. Die Frage, auf wessen Initiative die Anordnungen zurückgehen, aufs grün-geführte KVR oder die Polizei unter politisch schwarzer Aufsicht des Innenministeriums, umkurvt das KVR: Es sei seine "originäre Aufgabe", abgestimmt mit der Polizei "geeignete Maßnahmen zu ergreifen".

Protest gegen Klimapolitik
:München erlässt Sekundenklebertransportverbot

Die Stadt untersagt Klimaaktivisten nicht nur das Festkleben, sondern bereits das Mitführen von Klebstoff. Verstöße werden mit 1000 Euro geahndet - es sei denn, es wurde eine Genehmigung eingeholt.

Von Bernd Kastner

Die Blockade am Mittleren Ring spaltet. Ein weiterer Mann reagiert aufgebracht auf die Kleber und nutzt beim Weggehen beide Hände für zwei synchronisierte Stinkefinger. Dann aber läuft er gar nicht zu einem Auto im Stau, sondern über die Kreuzung, er ist Fußgänger. Ein Radler regt sich auch auf: "Idiotisch" sei es, Leute auf dem Weg zur Arbeit aufzuhalten. Und überhaupt, beim Klimaschutz seien doch China, USA und Indien die entscheidenden Akteure.

Andere machen den Aktiven Mut: "Danke!", ruft einer beim Vorbeiradeln, und auf dem Fußweg stehen Sympathisanten. Einer fragt, warum die SZ nicht jeden Tag auf der Titelseite über die Klimakatastrophe berichte. Eine sagt, sie überlege, sich auch an den Protesten zu beteiligen, im "Noch-Knapp-Legal-Team", um keinen Ärger zu kriegen. Eine junge Radlerin stoppt, um den Klebern ein paar Tafeln Schokolade zu reichen. Ernst Hörmann lehnt dankend ab und schlägt vor, sie den Autofahrern zu geben.

Nach einer Dreiviertelstunde lässt der Audifahrer seinen Hund raus und stellt doch noch den Motor ab. Wenig später kommt ein Beamter der Anti-Kleber-Spezialeinheit mit Pinsel und Lösemittel. Als letzter ist Hörmann dran, er lässt sich wegschleifen. Passanten applaudieren und rufen: "großer Respekt!".

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