Klavierkonzerte in München:Marathon mit Beethoven

Lesezeit: 3 min

Beethovens Juniorpartner: Wenige haben sich so intensiv mit den Klavierwerken des Komponisten befasst wie der österreichische Pianist Rudolf Buchbinder. (Foto: Marco Borggreve)

Das hat es in München so noch nicht gegeben: Pianist Rudolf Buchbinder spielt in den nächsten Wochen fünf von Beethovens Klavierkonzerten - mit vier unterschiedlichen Orchestern.

Von Michael Stallknecht

Um ein großes Publikum anzusprechen in Wien um 1800, konnte ein aufstrebender Musiker nichts Besseres tun, als ein Solokonzert zu schreiben und gleich selbst zu spielen. Was auch für Ludwig van Beethoven gilt, dessen Ertaubung 1809 bei seinem fünften Klavierkonzert freilich bereits so weit fortgeschritten war, dass er die Aufführung anderen Pianisten überließ. Womit die Reihe seiner Klavierkonzerte deutlich früher endet als etwa die seiner 32 Klaviersonaten.

Schließlich lebt ein Solokonzert von der Koordination mit dem Orchester - oder von der mit mehreren, wie es nun in München zu erleben sein wird. Dort nämlich wird Rudolf Buchbinder allein im Februar vier der Beethovenschen Klavierkonzerte mit drei unterschiedlichen Orchestern spielen, am Dienstag dieser Woche mit dem Orchester der Mailänder Scala unter dem Dirigat von Myung-Whun Chung, am 15. mit den Münchner Philharmonikern unter Marie Jacquot und am 25. mit dem Luxembourg Philharmonic. Der Abschluss mit dem fünften Konzert folgt erst im April mit dem Philharmonia Orchestra London unter Santtu-Matias Rouvali - ein Marathon auch in Sachen Organisation, den es so in München noch nie gegeben haben dürfte.

Newsletter abonnieren
:München heute

Neues aus München, Freizeit-Tipps und alles, was die Stadt bewegt im kostenlosen Newsletter - von Sonntag bis Freitag. Kostenlos anmelden.

Wohl aber 2019 in Wien, wo Buchbinder bereits einmal alle Konzerte mit fünf unterschiedlichen Orchestern und Dirigenten gespielt hat, darunter das zweite in B-Dur mit den BR-Symphonikern und Mariss Jansons bei einem von dessen letzten Auftritten (auf Platte bei Deutsche Grammophon). Das Zweite, erinnert sich Buchbinder im Gespräch mit der SZ, sei "das Lieblingskonzert von Jansons" gewesen. Wobei Beethoven streng genommen sogar noch mehr Klavierkonzerte komponiert hat, darunter ein Jugendkonzert in Es-Dur und die Bearbeitung des eigenen Violinkonzerts für Klavier.

Sie zu spielen, wäre Buchbinder durchaus zuzutrauen, hat er doch zum Beispiel zu Beethovens Diabelli-Variationen eine Neuauflage bei zeitgenössischen Komponisten in Auftrag gegeben. Aber bei den Klavierkonzerten bleibt er kanonisch, inklusive der Kadenzen, bei denen er stets eine der von Beethoven selbst komponierten spielt. Statt sie beispielsweise frei zu improvisieren, wie er es eingestandenermaßen an den entsprechenden Stellen gern bei Mozart tut. Dass Beethoven vieler dieser Kadenzen vermutlich erst 1809, im Jahr des letzten Konzerts, nachkomponierte, darf man schließlich auch als einen Akt der Selbstkanonisierung in diesem Genre begreifen. Zu einem späteren Klavierkonzert existieren nur noch Skizzen.

Beethoven bleibt, bei aller Breite des sonstigen Repertoires, der Fixstern in Buchbinders pianistischem Kosmos, wobei die geografische Nähe des Österreichers zu Beethovens Wirkungsstätte Wien ihre Rolle spielen mag. Bereits bei seinem Debüt in Wien spielte er das Erste Klavierkonzert, 1958 mit gerade mal elf Jahren. "Ich wundere mich heute, wie ich das als kleiner Bub geschafft habe", sagt er. Von den 32 Klaviersonaten existieren allein drei Gesamteinspielungen des inzwischen 77-Jährigen, die letzte mitgeschnitten 2014 bei den Salzburger Festspielen, wo er als erster Pianist den kompletten Zyklus spielte. Auch in Münchens Prinzregententheater war er immer wieder mit dem Mammutprojekt zu erleben. Langweilig sei es ihm dabei nie geworden, sagt Buchbinder. "Man entdeckt immer noch Neues." Auch über die unterschiedlichen Partner, die man bei Klavierkonzerten mit Orchestern und Dirigenten habe.

Manchmal dirigiert Buchbinder auch gleich selbst

Dabei bräuchte er den Mann oder die Frau am Stäbchen nicht mal: Beim Münchner Konzert mit dem Luxembourg Philharmonic, wo er das Erste und Zweite Konzert spielt, dirigiert er auch gleich selbst, wie es Beethoven seinerzeit tat. "Erweiterte Kammermusik" nennt es Buchbinder, weil ihn daran besonders die Begeisterung von Orchestern fasziniere, "wenn plötzlich alle bis zum letzten Pult eine riesige Verantwortung haben". Womit man wieder bei der Koordination wäre. Dass er es deshalb gleich immer allein machen sollte, davon ist Buchbinder dennoch nicht überzeugt. Bei guten Dirigenten sei für ihn "oft interessant, welche Impulse man da bekommt".

Natürlich haben er beziehungsweise sein Management bei der Auswahl für München ein gewichtiges Wörtchen mitgeredet. Auch unter der Leitung von Marie Jacquot, mit dem Geburtsjahrgang 1990 die Jüngste auf dem Pult bei den anstehenden Konzerten, hat Buchbinder bereits andernorts konzertiert. Sie wird daneben mit den Münchner Philharmonikern die Erste Symphonie von Jean Sibelius musizieren, Myung-Whun Chung mit dem Scala-Orchester an diesem Dienstag Mahlers Fünfte Symphonie.

An München, sagt Buchbinder, liebe er besonders das Publikum. Auch die Isarphilharmonie ist für ihn "ein guter Saal, jedenfalls besser als der Gasteig". Dass er in letzterem nach der akustischen Generalüberholung noch einmal alle Klavierkonzerte Beethovens spielen wird, glaubt er dennoch nicht. "Das wird sich nicht mehr ausgehen", sagt der Österreicher dazu. Aber bekanntlich soll man ja nie Nie sagen.

Rudolf Buchbinder, Dienstag, 6. Februar, 20 Uhr, Orchestra Filarmonica della Scala, Dir. Myung-Whun Chung; Donnerstag, 15. Februar, 19,30 Uhr, Münchner Philharmoniker, Dir. Marie Jacquot; Sonntag, 25. Februar, 20 Uhr, Luxembourg Philharmonic; Samstag, 13. April, 20 Uhr, Philharmonia Orchestra London, Dir. Santtu-Matias Rouvali; alle Konzerte in der Isarphilharmonie

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusKlassikkonzert
:Simon Rattle wirft den Brautstrauß

Die Münchner lieben Simon Rattle und sein BR-Symphonieorchester. Zum Dank für den frenetischen Applaus wirft der Maestro in der Isarphilharmonie seine Blumen ins Publikum. Davor schenkte er ihm hierzulande selten gespielte Musik französischer Komponisten.

Von Reinhard J. Brembeck

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: