Klassik:Beethovens Juniorpartner

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So gelassen ist keiner: zum 70. Geburtstag des Wiener Ausnahmepianisten Rudolf Buchbinder.

Von Rita aRgauer

Vor zwei Jahren saß Rudolf Buchbinder swingend in der Münchner Philharmonie und spielte mit überraschender Leichtigkeit George Gershwins angejazztes Klavierkonzert. Dieses Stück, so führte er zuvor im Interview aus, sei für ihn ein durch und durch klassisches Konzert und zudem eines der von ihm am häufigsten gespielten. Das überrascht. Denn der Wiener Pianist, der am heutigen Donnerstag seinen 70. Geburtstag feiert, ist in erster Linie für seine intensive Auseinandersetzung mit Beethoven bekannt.

In Beethoven hat Buchbinder seinen großen Partner gefunden. Und kaum einer schafft es derzeit so wie er, diese Musik derart gleichwertig in ihrer formalen und emotionalen Struktur zu vermitteln. Buchbinder spielt Beethoven etwas weniger expressiv als einst sein Wiener Kollege Alfred Brendel, jedoch mit einer ähnlichen Distanz. Gemeinsam ist beiden auch die intellektuelle Beschäftigung mit den Komponisten, denen sie sich widmen. Doch auch hier ist Buchbinder eine Nuance emotionaler in der Herangehensweise als Brendel. Das zeigt sich schon daran, dass er Beethovens Musik mit dessen lebenslangem Liebeskummer begründet.

Buchbinders Markenzeichen ist es, in seinen Interpretationen Gefühl, Verstand und Überraschung zusammenzubringen. Er geht dabei weit hinaus über das gängige Schwelgen in der Musik. Mit seiner Ausgeglichenheit ist er zudem wie nur wenige dazu in der Lage, die verschiedenen seelischen Zustände der Komponisten wiederzugeben, ohne selbst in diese Zustände geraten, oder schlimmer noch: sie nachstellen zu müssen.

Buchbinder wurde 1946 im tschechischen Litoměřice geboren, ist aber in Wien aufgewachsen, wo er heute noch lebt. Mit fünf Jahren wurde er als bis dato jüngster Student an die Musikhochschule Wien aufgenommen. Die Fünfzigerjahre erlebten Buchbinder dann als Wunderkind. Doch Zeit seines Lebens, so Buchbinder, habe er keinen Einzelunterricht gehabt, sondern immer in Gruppen gelernt. So wurde Buchbinder nicht zum Star poliert. Aber er poliert die Musik.

Er schafft es stets, die emotionalen Wege der Werke nachvollziehbar zu zeichnen. Was er nicht zwangsläufig durch seine Virtuosität hinbekommt. Buchbinder betont fast ein wenig kokett, dass er eher zu den Wenig-Übern gehöre. Stattdessen sammelt er jede verfügbare Information zu Stücken und Komponisten, die er spielt. Beim Üben habe er stets alle erreichbaren Ausgaben der jeweiligen Stücke vor sich und vergleiche ständig. Selbst wenn es sich um Beethovens "Appassionata" handele, die er schon um die 400 Mal gespielt habe.

Das war denn auch unüberhörbar, als er diese zuletzt in München spielte. Gerade weil Buchbinder die Gefühle der Musik nicht selbst durchleidet, sondern das Fühlen mit trockener Selbstsicherheit seinem Publikum überlässt. Nur ab und an, wenn Beethoven bei ihm besonders lebendig wirkt, erschient auch dieser Ausnahmepianist einmal selbst berückt von der Musik. Und auch immer noch ein bisschen überrascht.

© SZ vom 01.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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