Wer an Gernot Roll denkt, erinnert sich als erstes an sein freundliches Wesen, die angenehm unaufgeregte Art, seine listig blinzelnden Augen. Angeber und Aufschneider gibt es genug in der Filmbranche, der Filmemacher Roll sah sich aber vor allem als Handwerker. Das war keine falsche Bescheidenheit, sondern Überzeugung; er beherrschte sein Metier wie kaum ein anderer, hatte es aus dem sprichwörtlichen Effeff gelernt. Bereits als 14-Jähriger begann er eine Ausbildung zum Kamera-Assistenten bei den Defa-Studios in Babelsberg, lernte dort alles über Licht, Technik, Material. Anfang der Sechzigerjahre kam er zur Bavaria Film in Geiselgasteig, dort arbeitete er sich im Laufe der Jahrzehnte zu einem der gefragtesten Kameramänner des Landes hoch.
Bei einem Besuch in seiner Wohnung über den Dächern von Haidhausen kramte er in seinem Wäschekorb herum, darin hatte er die Bilder seines Berufslebens aufbewahrt. Über seine Zusammenarbeit mit dem Autorenfilmer Edgar Reitz sagte er: "Wir sind im Filmemachen überhaupt nicht analytisch-intellektuell, sondern gehen sehr handwerklich an die Dinge heran." Mit Reitz entstanden einige seiner wichtigsten Arbeiten, das Nachkriegsdrama "Stunde Null" oder die preisgekrönten Fernsehmehrteiler "Heimat - Eine deutsche Chronik" und "Die zweite Heimat - Chronik einer Jugend". Beim ebenfalls ausgezeichneten und äußerst bildgewaltigen Kino-Epos "Die andere Heimat - Chronik einer Sehnsucht" aus dem Jahr 2013 stand er erneut hinter der Kamera. Vor knapp anderthalb Jahren, im November 2020, ist Gernot Roll im Alter von 81 Jahren in München verstorben, die Bayerische Akademie der Schönen Künste würdigt ihr langjähriges Mitglied mit einer fünftägigen Veranstaltung.
Hinter der Kamera beim Oscar-Film "Nirgendwo in Afrika"
Los geht es am Mittwoch, 30. März, um 18 Uhr mit einem Film- und Vortragsabend, Edgar Reitz wird ein Kapitel über Gernot Roll aus seiner noch unveröffentlichten Autobiografie lesen. Im Anschluss daran wird der neunte Teil der ersten "Heimat" aus dem Jahr 1984 gezeigt, darin geht es um die Liebe des 16-jährigen Hermännchen zu Klärchen, einer elf Jahre älteren Sekretärin. Gedreht wurde im Hunsrück, 19 Monate lang habe er dort gelebt und gearbeitet, erzählte Roll einmal: "Das war die schönste Zeit in meinem Leben." Zumindest beruflich, aber auch das will etwas heißen: Der gefragte Kameramann drehte mit den großen Regisseuren seiner Zeit, mit Axel Corti, Franz Peter Wirth, Peter Sehr, Heinrich Breloer oder Daniel Harrich. Seit den Neunzigerjahren führte er auch selbst Regie, er inszenierte den "Räuber Hotzenplotz", den Historienfilm "Trenck - Zwei Herzen gegen die Krone" sowie mehrere Kinokomödien mit Tom Gerhardt oder Gerd Dudenhöffer.
Besonders gefragt war er aber als Kameramann, für Helmut Dietls Kinohit "Rossini" ließ er das Set im Kerzenlicht erstrahlen, für Caroline Links "Nirgendwo in Afrika" setzte er auf einprägsame Kinobilder fernab von touristischen Klischees. Dafür gab es 2003 einen Oscar für den besten fremdsprachigen Film; am Samstag, 2. April, von 18 Uhr an wird Links Oscar-Hit in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste gezeigt. Die Regisseurin wird anwesend sein, auch ein Filmgespräch mit ihr, Edgar Reitz, Franz Kraus und Philip Gröning ist eingeplant. Der Eintritt zu den Veranstaltungen ist frei, zusätzlich zu den beiden Filmabenden gibt es eine Ausstellung mit Ausschnitten aus Rolls Filmarbeiten, privaten Fotos, Interviews und Toninstallationen. Das Berufsbild "Kameramann" würde seine Arbeit nicht annähernd beschreiben, sagt Edgar Reitz: "Gernot Roll war ein Poet des Lichtes und der bewegten Bilder wie kaum ein anderer."
Gernot Roll zum Gedenken, Mi., 30. März, bis So., 3. April, tägl. 11 bis 17 Uhr, Bayerische Akademie der Schönen Künste, Max-Joseph-Platz 3, www.badsk.de