Kinder- und jugendmedizinische Versorgung:Eine starke Hilfe für die Kleinen und die Großen

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Mathias Wendeborn ist froh, dass die Kinder in der Messestadt mit der neuen Praxis endlich ärztlich versorgt werden können. Wichtig ist es ihm, die Eltern zu stärken und im Gespräch Unsicherheiten im Umgang mit einem kranken Kind aufzufangen. (Foto: Catherina Hess)

Jahrelang gab es im kinderreichsten Stadtviertel Münchens keinen Kinderarzt. Am Donnerstag feierte man in der Messestadt Riem nun die offizielle Eröffnung einer Praxis - mit OB Dieter Reiter als Premierengast.

Von Nicole Graner

Seit dem 19. April hat die Messestadt Riem an der Werner-Eckert-Straße 10 endlich eine kinder-und jugendmedizinische Praxis - und Kinderarzt Mathias Wendeborn schon genug zu tun. Zwei Behandlungszimmer, zwei Wartezimmer, ein Ultraschallraum - am Donnerstag wurden die hellen und freundlichen Räume, in denen auch viele Plüschtiere zu Hause sind, nun offiziell eröffnet.

Viele Jahre hat es gedauert, bis es im kinderreichsten Stadtviertel Münchens möglich war, eine Praxis zu etablieren. Erst die Zusammenarbeit von Gesundheitsreferat, der München Klinik, der Stiftung Lichtblick und der Startstark-GmbH machte es möglich, die chronische Unterversorgung in der Münchner Messestadt mit dem komplexen, aber durchaus gängigen Modell zu beenden: Kinderarzt Wendeborn bringt seinen Vertragssitz in die hundertprozentige Tochtergesellschaft Medicenter der München Klinik ein. Er ist nicht mehr selbstständig, sondern angestellt. Das Medicenter als ambulantes Versorgungszentrum ist nun sein Arbeitgeber.

Ein "Meilenstein für den Stadtteil"

Von einem "bedeutenden Meilenstein für den Stadtteil" sprach dann auch der kaufmännische Geschäftsführer der München Klinik, Tim Guderjahn und Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) von einem "Dankeschön"-Termin. Weil es allen Beteiligten gelungen sei, in dem Stadtviertel, in dem die meisten Kinder unter drei Jahren lebten, endlich eine kinderärztliche Versorgung zu ermöglichen. Es habe ihn immer geärgert, dass man mit der Messestadt einen neuen Stadtteil geschaffen habe, aber keinen Kinderarzt ansiedeln konnte

Kein gutes Haar ließ Reiter aber an der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB), mit der die Gespräche in den vergangenen Jahren "weniger glücklich" verlaufen seien. Tatsächlich betont die KVB, die die ärztliche Bedarfsplanung vornimmt, immer wieder, dass die Planungsregion München im kinderärztlichen Bereich "ausreichend versorgt" ist. Laut KVB liege der Versorgungsgrad sogar bei 109 Prozent. Doch diese Durchschnittsbetrachtungen, die in Gesprächen immer wieder angeführt worden seien, seien "total antiquiert und nicht zukunftsorientiert", sagt Oberbürgermeister Reiter. Es sei seiner Meinung nach bei der KVB höchste Zeit für Reformen.

"Kein Chaos hinterlassen": Das ist eine Praxisregel. Von Chaos ist in den neuen Räumen nichts zu sehen. Alles ist ordentlich aufgeräumt. (Foto: Catherina Hess)

Fast leere Impfpässe, lückenhafte Vorsorgeuntersuchungen, kaum regelmäßige Arztbesuche. Wenn Familien kinderärztliche Hilfe gebraucht hätten, seien sie sofort in die Notaufnahme eines Krankenhauses oder in die Bereitschaftspraxen gegangen. Das sei laut Norbert Blesch von der Sozialeinrichtung Startstark das Bild gewesen, dass sich schon 2017 in der Messestadt abgezeichnet habe, als man die medizinische Versorgungslage untersucht habe. Sechs Jahre habe man sich nun für diese Praxis eingesetzt. Deshalb sei das jetzt für ihn ein "Gänsehaut-Moment", sagt Blesch. Startstark und der Verein Lichtblick unterstützen das Modell finanziell.

Ganz still und ohne große Worte freut sich am Einweihungstag einer ganz besonders: Mathias Wendeborn. Der 64-Jährige genießt es, durch "seine" noch ganz neuen Praxisräume zu gehen, ein Blick in die Behandlungszimmer zu werfen, in denen er seit April zusammen mit seinem dreiköpfigen Team Kinder untersucht und Eltern Mut zuspricht. Genau das sei das Wichtigste für ihn: Die Eltern stark machen, wie er sagt, vor allem die Mütter. In Zeiten des Internets sei die Verunsicherung oft sehr groß. Vor allem viele Kinder, die mit ihren Familien in den nahe gelegenen Flüchtlingsunterkünften lebten, kämen zu ihm. Es habe sich schon herumgesprochen, dass es jetzt eine Praxis gäbe. Zu tun gäbe es also schon genug. "Aber", sagt Wendeborn, "da geht noch mehr."

Schon immer habe er dieses Praxis-Modell gut gefunden und deshalb auch auch kein Problem damit gehabt, seinen Sitz abzugeben. Und er beklagt das Gesundheitssystem, das mit seinen Abrechnungspauschalen in der Kindermedizin vor allem eines nicht berücksichtigen würde: die Zuwendung. Aber gerade die sei bei Kindern doch so wichtig. Ans Aufhören denkt Mathias Wendeborn, der vorher lange Jahre eine Praxis in Gern hatte, noch lange nicht. "Ich arbeite hier so lange es geht." Sagt es und nimmt auf einem klitzekleinen Kinderstühlchen Platz.

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