Kolumne: "Das ist schön":Marx und der Sex

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Kardinal Reinhard Marx bei der Podiumsdiskussion zum Missbrauchsgutachten in der katholischen Akademie. (Foto: Robert Haas)

Noch immer ist das kulturelle Leben Bayerns mitgeprägt von der katholischen Kirche. Deren Kardinal Reinhard Marx eröffnet zum Auftakt des Endspurts des "Synodalen Wegs" die Ausstellung "Verdammte Lust".

Von Susanne Hermanski

Was für eine Woche, besonders aus der Sicht der katholischen Kirche in Bayern! Sie hat am Samstag ihr Ende gefunden, mit einer Art Abschlussnote der Reformbewegung des "Synodalen Wegs" in Frankfurt am Main. Aber angefangen hat sie in Freising. Mit einem Paukenschlag, ausgeführt von Reinhard Marx, der sich als Kardinal und Erzbischof der Diözese München und Freising für den Reformweg bekanntermaßen einsetzt, am 4. März auf dem Domberg aber besonders konkret wird.

Da steht er zwischen lauter jungen Musikerinnen und Musikern der Jazzrausch Bigband auf dem Podium und eröffnet die Ausstellung "Verdammte Lust" über den Zusammenhang von Körper, Kirche und Kunst. "Die katholische Lehre über die Sexualität ist ein katholisches Trauma", sagt er mit der ihm eigenen Wucht und spricht damit den Missbrauchsskandal und mehr an. "Die Sexualität gehört existenziell zum Leben", aber in der Kirche sei sie "verkleinert oder gehemmt" worden. Marx benennt auch, wer für diese "Verarmung der Sicht der Sexualität" und die "Lustfeindlichkeit" verantwortlich sei: "Es sind zölibatäre Männer, die das entscheiden!"

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Dass die Kirche Sexualität als reines - na ja, vielleicht eher unreines - Mittel zum Zweck der Zeugung gepredigt hat, dem setzt Marx zumindest für sich ein Ende. Manchem im Saal huscht ein roter Schimmer über die Wangen, als der Kardinal erzählt, was er neuerdings bei Firmungen die stolzen Eltern fragt: "Könnt ihr euch an die Zeugung erinnern?" "Dann", so Marx weiter, "wird es immer ganz still." Verklemmtheit war gestern, will er mit der Anekdote offenkundig signalisieren. Sexualität sei ohnedies "viel mehr als zusammen zu schlafen". Sie sei "eine Ausdrucksform in vielfältiger Weise. Der Zärtlichkeit, des Begehrens, der Sehnsucht, der Enttäuschung." Und das existiere freilich auch alles in der "Homosexualität".

Klarheit. Am Montag, zwei Tage danach, ist in den Nachrichten zu lesen, dass Marx seinen Sitz im engsten Rat um Papst Franziskus verloren hat. Das wäre freilich auch ohne die Rede so gekommen. Der Synodale Weg hat eben mächtige Gegner.

Die "große Diskussion" darüber, dass der Text über die Sexualität in diesem Rahmen zwar nicht die Zweidrittelmehrheit der Bischöfe gefunden habe, erwähnt Marx auch. "Allerdings haben 60 Prozent einem Text zugestimmt, der vor 20 oder 30 Jahren überhaupt nicht auf die Tagesordnung der Bischofskonferenz gekommen wäre". Die Meinung, dass es dafür zu spät sei, teile er nicht. "Ich glaube, es ist nie zu spät, sich mit diesem Thema zu beschäftigen". Zum Beispiel über die Kunst. Und das ist vergleichsweise einfach. Und schön.

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