Religion:Kirchliche Start-ups gegen die Austrittswelle

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Immer häufiger bleiben die Kirchenbänke leer: In München steigt die Zahl der Austritte weiter. (Foto: Catherina Hess)

Auch 2022 verliert die evangelische Kirche in München Tausende Mitglieder. Um den Trend zu stoppen, gibt es einige Ideen - unter anderem einen Tag für unkomplizierte Hochzeiten.

Von Andrea Schlaier

Die Austrittswelle wächst weiter: 2022 haben im Lutherischen Dekanatsbezirk München noch einmal mehr evangelische Christen ihrer Kirche den Rücken gekehrt. Insgesamt waren es 9107 Personen, im Jahr zuvor 7877. Damit hatten Ende 2022 knapp 211 000 Protestanten ihren Hauptwohnsitz im Großraum München. Der Trend deckt sich mit dem in ganz Bayern, wie das Landeskirchenamt mitteilt: Gut 48 500 Menschen verabschiedeten sich 2022 im Freistaat von der evangelischen Kirche und damit fast 12 000 mehr als 2021.

"Wir schauen nicht weg, sondern stellen uns der Realität - auch wenn es schmerzt", kommentiert Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm die Entwicklung. Studien zeigten die Gründe für die Kirchenaustritte: "In der heutigen ausdifferenzierten Gesellschaft wird der christliche Glaube in den Familien nicht mehr als Selbstverständlichkeit gelebt und weitergegeben."

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Attraktiver werden für "religiös ansprechbare Menschen"

Ein Patentrezept, wie mit der Situation umzugehen ist, gebe es nicht, sagt Bedford-Strohm. Eine Reaktion darauf schon: "Wir sind mittendrin, die Kirche umzubauen, damit sie attraktiver wird für religiös ansprechbare Menschen." Seit einem Jahr werden deshalb in bisher 40 kirchlichen "Startups" neue Formen von Kirche ausprobiert. Den Weg dorthin lässt sich die Landeskirche drei Millionen Euro kosten.

"Einfach heiraten" nennt sich eines dieser Startups. Ohne aufwändige Vorbereitungen und ohne Mitglied der evangelischen Kirche zu sein, können Paare - so sie schon standesamtlich getraut sind - am 23. März kirchlich heiraten oder sich unkompliziert segnen lassen. In München ist das zwischen 11 und 22 Uhr in der Christuskirche Neuhausen, Dom-Pedro-Platz 5, möglich. In einem weiteren Projekt in Freiham gibt es ein mobiles Fahrrad-Café, mit dem Kontakt zu den Stadtteil-Bewohnern hergestellt und gemeinsam eine Idee für Kirche am Ort entwickelt werden soll .

Das Kreisverwaltungsreferat registriert für 2022 knapp 27 000 Kirchenaustritte

Ob sich dadurch der Austrittstrend stoppen lässt? Ungewiss, heißt es von Seiten der Evangelischen Landeskirche. Aller Voraussicht nach wird sich auch die Zahl der katholischen Christen, die vergangenes Jahr ihren Abschied aus ihrer Kirche vollzogen haben, in die gleiche Richtung bewegen. Die entsprechenden Zahlen werden erst im Sommer veröffentlicht. Was aber schon bekannt ist, sind die beim Kreisverwaltungsreferat im Jahr 2022 beantragten Kirchenaustritte - die nicht nach Konfession getrennt erfasst werden: Knapp 27 000 Münchner wendeten sich von ihrer Kirche ab, mehr als 4500 mehr als im Jahr davor.

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