Maxvorstadt:Jüdischer Wirt übel beschimpft

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  • Jede dritte antisemitische Straftat in Bayern wird inzwischen in München registriert.
  • In der Maxvorstadt ist am Neujahrstag ein jüdischer Wirt mit einer Schmähschrift übel beleidigt worden.
  • Bayerns Antisemitismusbeauftragter Ludwig Spaenle hat angekündigt, dass im März eine Meldestelle für antisemitische Vorfälle ihre Arbeit aufnehmen wird.

Von Martin Bernstein

Hass, Neid, Ausgrenzung - das sind die Zutaten, aus denen sich der Antisemitismus in Deutschland seit 200 Jahren speist. Eine judenfeindliche Schmähschrift, die am Neujahrstag gegen 16 Uhr an einem israelischen Lokal in der Maxvorstadt hing, zeigt das überdeutlich. Der Wirt hat das Pamphlet jetzt öffentlich gemacht, mit dem ein Unbekannter ihn, seine Mitarbeiter und seine Gäste geschmäht hat. "Wir haben uns bewusst dazu entschieden", sagt er, "um den Menschen vor Augen zu führen, dass Xenophobie alltäglich ist und nicht so weit weg, wie man denkt."

"Räumt den Dreck weg!" Der Verfasser des Machwerks tut so, als ginge es ihm um Müll aus der Silvesternacht. Doch tatsächlich benutzt er ein antisemitisches Klischee nach dem anderen. Den jüdischen Wirt und dessen Gäste beschimpft der Autor mehrmals als "Schweine", die "gesoffen, gefressen und geraucht" hätten. Dem verbalen Hass und dem Neid auf Restaurantbesucher folgt sofort die Ausgrenzung: "Warum spenden Sie nicht das Geld für Ihr armes Land?" steht auf dem handschriftlichen Schmierzettel. Welches Land das sein soll, lässt der antisemitische Verfasser offen. Der Wirt lebt seit 2005 in Deutschland, sein Lokal in der Maxvorstadt hat er seit elf Jahren. Für den anonymen Hetzer können Juden freilich keine Inländer sein. "Der Dreck bleibt liegen für die deutschen fleißigen Müllmänner", schreibt er oder sie. Das Wort "Deutsch" ist unterstrichen.

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Dass das Team der Grillbar, wie ein Nachbar auf Facebook bestätigt, im Gegenteil sogar den Müll zum Abtransport bereits zusammengestellt hatte, interessierte den Hetzer nicht. Ihm ging es offenbar allein darum, Juden zu beleidigen. "Unsere erste Reaktion auf den Brief war ganz klar ein Schock", sagt der Wirt am Donnerstag. "Wir haben keinerlei Ahnung, weswegen sich diese Person jetzt meldet." Der Gastronom hat mittlerweile Anzeige bei der Polizei erstattet.

Im ersten Halbjahr 2018 registrierten die Sicherheitsbehörden bundesweit 401 antisemitische Straftaten, zehn Prozent mehr als in der ersten Hälfte des Vorjahres. 87 Prozent dieser Taten wurden von Rechtsextremisten verübt. Innerhalb von nur zwei Jahren hat sich die Zahl judenfeindlicher Straftaten in München verdoppelt - auf 51 im Jahr 2017. Im Jahr 2018 waren es noch mehr. Bis Ende September registrierte die Münchner Polizei 52 Delikte, darunter waren auch zwei Serientäter. 30 Drohbriefe mit judenfeindlichen Parolen schickten Unbekannte im Sommer an Kindergärten und Institutionen im Raum Unterhaching, außerdem gab es eine Serie von Schmierereien, die auf eine Internetseite von Holocaust-Leugnern aufmerksam machen sollte. Die Münchner Polizei ermittelt auch wegen einer antisemitischen Erpressermail und in 13 Fällen von Volksverhetzung oder Beleidigung.

Jede dritte antisemitische Straftat in Bayern wird inzwischen in München registriert. Erst kurz vor Weihnachten hatten Unbekannte in Englschalking antisemitische Sprüche auf Straßen hinterlassen. An vier Stellen schrieben sie "Holocaust? Lüge!" mit Kreide auf den Boden. Ein großes Hakenkreuz und eine antisemitische Drohung wurden im November an einem Spielplatz am Hildegard-von-Bingen-Anger am Hart auf Steine gesprüht. Junge Leute aus dem rechten Milieu schreckten Ende August in Johanneskirchen Nachbarn mit "Bomben auf Israel"-Parolen auf.

Nicht selten wird ausgelotet, was noch ungestraft gesagt werden darf. Ein Münchner AfD-Kandidat grenzte im Wahlkampf Juden als geduldete Fremde aus: "Wir sind ein christliches Land. Wir beherbergen viele Juden." Andere bedienen mit Kritik an angeblichen internationalen "Machteliten", in der immer wieder die Namen Rothschild und Soros fallen, antisemitische Klischees. Solche Fälle tauchen in keiner Polizeistatistik auf. Bayerns Antisemitismusbeauftragter Ludwig Spaenle hat deshalb angekündigt, dass im März eine Meldestelle für antisemitische Vorfälle ihre Arbeit aufnehmen wird.

© SZ vom 04.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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