Kritik:Eigene Sprache

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Das Spiel von Johanna Summer gewinnt immer dann, wenn sie ihre pianistische Virtuosität stilistisch weiter treibt. (Foto: Gregor Hohenberg)

Keine Easy-Listening-Version der Vergangenheit: Jazz-Pianistin Johanna Summer im Schwere Reiter.

Von Rita Argauer

Das Interesse ist groß. Die Jazz-Pianistin Johanna Summer, geboren 1995, stellt ihr neues Album im fast ausverkauften Schwere Reiter vor. Mit ihren Klassik-Überschreibungen zu Schumann gelang der Musikerin vor zwei Jahren eine kleine Sensation. Dieses Prinzip führt sie nun unter dem Titel "Resonanzen" fort und weitet den Kreis der Komponisten dabei epochen- und stilübergreifend aus. Von Bachs dreistimmiger Invention Nr. 11 bis Ligetis Musica Ricercata nutzt sie Knaller der Klavierliteratur wie Beethovens Sonate Nr. 15, Schuberts Impromptu op. 90, Nr. 4, oder Tschaikowskis Nocturne aus op. 19.

Mit der schimmernden Klaviermusikgeschichte im Hintergrund, improvisiert Summer über die bekannten Themen. Sie nutzt arpeggierte Akkorde oder leicht dissonante Polyphonien, beginnt die Stücke meist mit einer Art eigenen Durchführung, um dann das Hauptmotiv plötzlich unscheinbar hervorblitzen zu lassen. Sehr weich, sehr fließend, sehr zugänglich klingt das dann. Auf Ravels Prelude aus dem "Couperin" folgen Beethoven, Schubert, schließlich Tschaikowsky.

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Doch es liegt auch eine Gefahr darin, diese unterschiedlichen Musikstile und die verschiedenen Pointierungen der Komponisten zu so einem leichtgängigen Klangmix zu vereinheitlichen. Bekannte Themen mit modernem Sound unterlegt, das verschwimmt auch mal zum bloß kunstfertigen Medley.

So gewinnt Johanna Summers Spiel immer dann, wenn sie ihre pianistische Virtuosität stilistisch weiter treibt und im Jazz, im Groove, im Blues landet. Wenn sie die Stimmen reduziert, das Füllmaterial weglässt, wenn sie eine eigene Sprache für die alten Töne findet. Sei es ein belegter Groove in Mittellage vor dem Tschaikowski. Oder Triller, die sie immer weiter ins Forte presst bis sie im Noise enden und von einer Blues-Line im Bass abgeholt werden.

In solchen Momenten erinnert das dann an so großartige Klassik-Überschreibungen wie die eines Uri Caine. Hier wird Summers Ansatz stark, hier bekommt die Kunstfertigkeit einen künstlerischen Mehrwert und zeigt die Musikgeschichte als blitzenden Kommentar in der Gegenwart und nicht als Easy-Listening-Version der Vergangenheit.

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