Jodel-Festival in München:Die große Kunst der kleinen Schnackler

Lesezeit: 2 min

Die Gruppe "Ganes" zeigt seit 2010 erfolgreich, wie man ladinische Tradition und Pop verbindet. (Foto: Christoph Jorda)

Ein Münchner Festival widmet sich der Kunst des Jodelns - und die ist internationaler, als viele denken.

Von Christian Jooß-Bernau

"Eva, was für 'ne Schnapsidee war das denn?", hat sie gedacht, nachdem sie die erste Probe gesehen hatte. Jodeln? Für die Sänger und Sängerinnen aus Nigeria war das alles eine fremde Welt. Geprobt haben sie im Keller des Bellevue di Monaco, dem Wohn- und Kulturzentrum für Geflüchtete. Gemeinsam mit Anna Veit. Und gemeinsam werden sie am zweiten Abend des Laut-Yodeln-Festivals im Carl-Orff-Saal im gerade zwischengenutzen Gasteig zu hören sein.

Zum dritten Mal veranstaltet Eva Mair-Holmes mit ihrem Label Trikont in vertraulich gemeinsamer Arbeit mit dem Kulturreferat München ein Musikfestival, das sich auf den ersten Blick einer urwüchsig alpenländischen Kunstform widmet. Auf den zweiten Blick taugt auch das Jodeln nicht, um regionale Identität selbstgefällig zu zementieren und wird hier aus gutem Grund mit Ypsilon geschrieben. Und es ist eher erstaunlich, dass man in Nigeria, dieser Form des Gesangs noch staunend gegenübersteht.

SZ PlusVolksmusik
:Hals auf, Kehlkopf locker

Anna Veit ist Schauspielerin, Sängerin und sie jodelt mit Geflüchteten. Eine Frau mit Bodenhaftung und grenzenlosen Ideen.

Von Sabine Buchwald

Von afrikanischen Volksgruppen, die sich im Urwald jodelnd verständigen über das american yodeling der Country-Sänger - man könnte ein ganzes Buch über das weltweit verbreitete Kippen der Stimme zwischen Brust- und Kopfregister schreiben. Und Christoph Wagner, der auch bei diesem Festival beratend im Team ist, hat es mit "Jodelmania" (Verlag Antje Kunstmann) 2019 auch gemacht. Schon das erste Laut-Yodeln-Festival war 2016 eine internationale Angelegenheit.

In diesem Jahr beginnt das Festival am Donnerstag, 9. Mai, 20 Uhr, im Fraunhofer noch ganz traditionell mit Traudi Siferlinger und ihren Geschwistern Maria und Hermann und der Berghammer Tanzlmusik. Siferlinger wird auch einen von mehreren Workshops leiten, die das Festival flankieren. Die allerdings sind mittlerweile alle ausverkauft.

Am Freitag, 10. Mai, 20 Uhr, trifft sich dann die Welt im Carl-Orff-Saal zum international yodeling. Hier hört man die Nigerianer, die sich Vue Belle nennen, gemeinsam mit Anna Veit. Eva Meir-Holmes Befürchtungen sind im Verlauf der Proben einer Begeisterung gewichen. Die nigerianischen Künstlerinnen und Künstler singen Lieder, die sie selbst geschrieben haben, erweitern sie jodelnd. Soviel zur integrativen Kraft der Musik, die konterkariert wird durch die politische Realität. Einem Mitglied der Gruppe droht aktuell die Abschiebung. Osagie Airen, Künstlername Prince White, wurde in seiner Heimat von Clans bedroht, sein Bruder wurde ermordet. Nach einer dramatischen Fluchtgeschichte kam er nach München und ist hier mittlerweile in der Kunstszene verankert, sang unter anderem schon in den Kammerspielen.

Wien liegt am Mississippi - finden Ernst Molden und Maria Petrova. (Foto: Daniela Matejschek)

Im Carl-Orff-Saal teilt sich Prince White die Bühne auch mir Ernst Molden. Der Wiener Meister der gepflegt miesen Laune lässt sich begleiten von der Schlagzeugerin Maria Petrova und singt Lieder von Jimmie Rodgers bis Hank Williams in seiner Sprache. In den Liedern von Ganes schwingt die Volksliedtradition des ladinischen Sprachraums weiter - allerdings nicht als verzopfter Dolomitenkitsch, sondern in einer jungen und für die weite Welt des Pop offenen Version. Und das Schweizer Vokalensemble Stimmreise.ch greift aus bis in den Jazz.

Am Samstag, 11. Mai, eröffnen Vue Belle & Anna Veit mit nigerianischem Jodelmut im Zirka im Kreativquartier, Dachauerstraße 110c. Aus Südtirol/Vorarlberg kommen Opas Diandl, die sich der Tradition auf ihre Weise verpflichten fühlen und in deren Instrumentarium auch Viola da gamba und Banjo einen Platz haben. Nach einer Umbaupause soll sich das Konzert in eine Session öffnen. Ein Jodeldialog zwischen Künstlern und Publikum, der, wenn alles gut geht, zeigt, dass die Idee, sich mit Stimmschnacklern zu verständigen keine Theorie ist, sondern ganz greifbare Praxis. Und wie auch bei den vorangegangenen Festivals soll das wieder auf einer bei Trikont erscheinenden CD dokumentiert werden.

Laut Yodeln Vol. 3, Donnerstag, 9., bis Samstag, 11. Mai, alle Programminfos unter www.volkskultur-muenchen.de/lautyodeln/

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusOpen-Air-Event für elektronische Musik
:Rave auf der Galopprennbahn

Das "Isle of Summer" eröffnet die Festival-Saison bei bestem Wetter. Fans elektronischer Musik können sich freuen, denn im Juni und August folgen zwei weitere Events der Reihe.

Kritik von Jelena Maier

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: