Hotelabriss:Die letzten Tage des Königshofs

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Das Hotel Königshof wird abgerissen und in diesem Stil neu gebaut. (Foto: Nieto Subejano/Simulation)
  • Nach mehr als 100 Jahren unter dem Namen "Königshof" bekannt - zuvor hieß es seit 1866 Hotel Bellevue -, und nach 80 Jahren unter der Ägide der Familie Geisel, schließt das Luxushotel, wird abgerissen und anschließend neu aufgebaut.
  • Für den Verkehr wird es angesichts der Ausmaße der Baustelle erstaunlich wenige Einschränkungen geben.
  • Das Kreisverwaltungsreferat will eine Autospur in der Sonnen- und der Bayerstraße entlang des Hotels sperren, während der Bauzeit werden die Gehwege links und rechts vom Hotel entfallen, die Tram muss hier etwas langsamer fahren.

Von Franz Kotteder

Carl Geisel ist kein übermäßig sentimentaler Mensch, aber so ein bisschen wehmütig ist ihm dieser Tage schon. Wo andere Hotelmanager enthusiastisch von Neuerungen schwärmen würden und den nie dagewesenen Möglichkeiten einer strahlenden Zukunft, wirkt er fast schon schicksalsergeben. Schließlich geht nun für den Hotelier Geisel wirklich eine Ära zu Ende, um das viel bemühte Wort hier ein weiteres Mal zu bemühen. An Silvester ist Schluss im Königshof, sowohl im Hotel als auch im Restaurant. Nach mehr als 100 Jahren unter diesem Namen - zuvor hieß es seit 1866 Hotel Bellevue -, und nach 80 Jahren unter der Ägide seiner Familie, schließt das Luxushotel, wird abgerissen und anschließend neu aufgebaut.

Lange wird es das Hotel Königshof nicht mehr geben. (Foto: Florian Peljak)

Carl Geisel und seine Brüder Michael und Stephan sind aufgewachsen mit diesem Haus, es ist das Flaggschiff ihrer kleinen, aber exklusiven Hotelgruppe, zu der auch das Excelsior, das Anna Hotel, die Schwabinger Wahrheit und das Beyond am Marienplatz gehören. Und irgendwie hat man den Eindruck, man sieht die drei momentan viel öfter als sonst um den Königshof herumwuseln. Stephan Geisel trifft man zum Beispiel in der Weingalerie links vom Haupteingang, denn die Geisels haben auch eine Weinhandlung und einen eigenen Weinberg im Taubertal. Die Weingalerie wird demnächst in die Herzogspitalstraße 24 umziehen, da gibt es viel zu organisieren. Michael Geisel hat auch viel im Haus zu tun, mal hier, mal dort. Und Carl Geisel sowieso. Er ist der Geschäftsführer für den Königshof, so ist die Aufteilung unter den drei Brüdern, die sonst gemeinsam entscheiden.

Momentan merkt man noch wenig von den anstehenden Veränderungen. Im Foyer ist alles wie immer, im Zeitschriftenständer finden sich Hochglanztrendmagazine mit kyrillischen und arabischen Titelzeilen. Die Kundschaft, die sich eine der 16 Suiten ab 610 Euro die Nacht bis hinunter zum einfachen Zimmer für mindestens 250 Euro gebucht hat.

Das Hotel am Stachus wird abgerissen. (Foto: Florian Peljak)

Dass so ein Traditionshaus wie hier am Stachus abgerissen und völlig neu wieder aufgebaut wird, das ist ungewöhnlich. "Es ist auch technisch eine extreme Herausforderung", sagt Carl Geisel. Denn unter dem Haus verläuft der S-Bahn-Tunnel zwischen Haupt- und Ostbahnhof und das Stachus-Untergeschoss mit dem großen Einkaufszentrum. Die drei Brüder lobten einen Architektenwettbewerb aus, das spanische Büro Nieto Soejano Arquitetos von Fuensanta Nieto und Enrique Sobejano gewann ihn. Ihr spektakulärer Entwurf mit neun Stockwerken und Längsschnitt durch die Fassade erzürnte einige Münchner Traditionalisten. Aber letztlich setzte sich der Entwurf auch in der Stadtgestaltungskommission durch. Vom nächsten Jahr an wird er für etliche Millionen Euro bis ins Jahr 2021 hinein umgesetzt, wenn das alte Gebäude aus dem Jahr 1955 abgerissen ist. 130 Zimmer gibt es dann. Ganz oben, im neunten Stock, ist dann die Gastronomie untergebracht, mit herrlichem Blick über die Innenstadt.

Heute befindet sie sich noch im ersten Stock, mit einer verglasten Panoramaetage, direkt über dem Stachus und mit Blick auf die Sonnenstraße. "Aquarium" hat der Volksmund das Restaurant deshalb getauft. Hier sitzen die Geldigen und Gespickten und speisen Sterneküche, während sich draußen das zugegebenermaßen etwas behäbige Münchner Großstadtleben abspielt.

Hotelier Carl Geisel sitzt im Schaufenster neben einem Sekretär, der verkauft werden soll. (Foto: Florian Peljak)

In der Küche des Restaurants geht derweil vornehm die Welt zugrunde. Martin Fauster, Chefkoch seit 14 Jahren, hat gerade Besuch bekommen. Der Trüffelhändler Stephan Burger von der Firma La Bilancia hat eine prächtige weiße Trüffel mitgebracht, stolze 570 Gramm schwer. Fauster ist beeindruckt. Und nachdenklich. Lange haben er und Carl Geisel versucht, das Team zusammenzuhalten und das mit einem Michelin-Stern ausgezeichnete Restaurant an einem anderen Ort weiterzuführen. Pläne, in den Bogenhausener Hof umzuziehen, zerschlugen sich, jetzt zerstreut sich das Küchen- und Servicepersonal gerade in alle Winde. "Natürlich haben unsere Leute kein Problem, unterzukommen", sagt Fauster, "gutes Personal ist sehr gefragt, zurzeit."

Fauster selbst nimmt jetzt erst einmal eine Auszeit, sagt er. "Es ist schon ein komisches Gefühl", erzählt er, "wenn ich morgens meine Tochter in die Kita bringe. Danach fahre ich normalerweise mit der U-Bahn in die Arbeit. Im Januar kann ich dann wieder heimfahren." Noch, sagt er, habe er keine neue Stelle. Und momentan hat er ja noch zu tun: Im Restaurant sind bis einschließlich der großen Silvesterparty alle Tische komplett ausgebucht. Seine Fans wollen Abschied nehmen: "Die sind manchmal fast trauriger als wir."

Das Hotel symbolisiert ein Stück Münchner Stadtgeschichte. (Foto: Florian Peljak)

Ein bisschen traurig ist auch Rudolf Bleiholder. Der Juwelier hat seinen Laden an der Nordseite des Hotels. Seit 70 Jahren ist seine Familie im Königshof vertreten, "schon der Opa war da". Bleiholder stellt seinen Schmuck selbst her, so etwas gibt es nicht mehr oft. Familienbetrieb eben, so wie der ganze Königshof ja auch. Jetzt steht der Umzug bevor, man zieht erst einmal zum Hotel Blauer Bock am Sebastiansplatz. Ob es eine Rückkehr gibt, wenn der Neubau steht? "Wir sind in guten Gesprächen", sagt Bleiholder, "das Verhältnis zur Hotelleitung ist wirklich gut, so etwas gibt es halt bloß unter Familienbetrieben."

Die meisten anderen Läden sind schon ausgezogen, das Eiscafé Venezia hinten etwa, der "Trachtenwahnsinn" vorne oder der Porzellan- und Besteckhändler Biebl auf der Südseite. In den leer stehenden Ladenräumen findet man jetzt Mobiliar, Bilder, Lampenschirme aus den Hotelzimmern, die zu günstigen Preisen verkauft werden. Es müsste ja eh alles weg. "Manche Gäste haben schon nach bestimmten Möbelstücken gefragt", sagt Carl Geisel, "eine Stammkundin will unbedingt das Bild haben, unter dem sie 20 Jahre lang geschlafen hat." Im Januar, wenn das Hotel geschlossen wird, soll es noch einmal einen großen Bazar geben. Alles muss raus.

Momentan merkt man noch wenig von den anstehenden Veränderungen. Im Foyer ist alles wie immer. (Foto: Florian Peljak)

Dann wird es ernst. Für den Verkehr wird es angesichts der Ausmaße der Baustelle erstaunlich wenige Einschränkungen geben. Das Kreisverwaltungsreferat will eine Autospur in der Sonnen- und der Bayerstraße entlang des Hotels sperren, während der Bauzeit werden die Gehwege links und rechts vom Hotel entfallen, die Tram muss hier etwas langsamer fahren. "In der dritten Januarwoche wird der Strom abgesperrt" sagt Carl Geisel, "Mitte bis Ende Februar findet dann der eigentliche Abbruch statt."

Dann ist Carl Geisel, wenn man so will, ein Hotelier ohne Hotel. Wird ihm da nicht langweilig? "Es gibt auch sonst genug zu tun", sagt er, "wir dürfen mit dem Rest der Gruppe deshalb ja nicht stehen bleiben, nur weil wir einen höchst aufwendigen Neubau haben." Das ist umso wichtiger, als die Konkurrenz im Luxussegment stark wachsen wird. Insofern ist der Zeitpunkt nicht der günstigste. Geisel zuckt mit den Schultern: "Was ist schon ein günstiger Zeitpunkt für so ein Vorhaben?"

Auch wieder wahr.

© SZ vom 08.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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