Wohnungsbau in München:Neuer Investor, altbekannte Planung

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Zwischen den Bahngleisen im Osten, der Otto-Warburg-Straße im Süden und der Eversbuschstraße im Westen liegt das Gelände, auf dem die Hirmerei geplant ist. Nicht mehr im Bild ist der Bahnhof Karlsfeld im Norden. (Foto: Hirmer-Gruppe)

Die Empira Group aus der Schweiz übernimmt das Bauprojekt "Hirmerei" in Allach. Am Entwurf für 233 geförderte Mietwohnungen soll sich nichts ändern, die Anwohner bleiben skeptisch. Sie befürchten, dass die Gegend "nicht mehr unser Allach" sein wird.

Von Ellen Draxel

Die "Hirmerei" hat einen neuen Investor. Christian Hirmer, Immobilienunternehmer aus Andechs, nach dessen Namen das Allacher Bauvorhaben am nordwestlichen Stadtrand benannt ist, hat seine Anteile an die Empira Group verkauft, eine Investmentfirma mit Hauptsitz im schweizerischen Zug. "Durch Corona, gestiegene Zinsen und das schwierige Bauumfeld" hätten sich neue Rahmenbedingungen ergeben, sagt Hirmer. Deshalb habe man sich dazu entschlossen, die Hirmerei an den langjährigen Partner zu übergeben. "Wir wissen das Projekt bei Empira in guten Händen."

Große Planneuerungen sind durch den Eigentümerwechsel nicht zu erwarten. "An der Dimension, der Lage und der Größe des Entwurfs hat sich nichts verändert", betont Alexandra Capella-Soler. Wie Hirmer wolle auch Empira geförderte Mietwohnungen bauen. "Das Areal wird nicht aufgeteilt, wir halten die Wohnungen im Bestand", verspricht die neue Projektleiterin. Hirmer und Empira pflegen seit langem eine enge Zusammenarbeit, kooperieren bei verschiedenen Projekten. Die Empira AG ist in München keine Unbekannte: Einer Tochter des Schweizer Unternehmens gehört etwa das Siemens-Hochhaus an der Baierbrunner Straße in Obersendling, das derzeit saniert und revitalisiert wird.

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Noch ist auf dem 2,2 Hektar großen Areal in Allach zwischen Eversbusch-, Otto-Warburg-Straße und der Bahngleisen nichts zu sehen, die Fläche wird als Ackerland genutzt. Künftig sollen auf dem Grundstück unweit des S-Bahnhofs Karlsfeld aber 233 Wohnungen für rund 600 Menschen entstehen, dazu eine Kindertagesstätte für zwei Krippen- und zwei Kindergartengruppen. Zum Schutz vor dem Verkehrslärm wird das Gebiet fast vollständig von teils transparenten, teils begrünten, bis zu 4,50 Meter hohen Lärmschutzwänden umgeben. So sieht es der vorhabenbezogene Bebauungsplan vor, der Allachs Lokalpolitikern jetzt zur Anhörung vorlag.

Die Planung basiert auf dem Siegerentwurf des Realisierungswettbewerbs, den das Münchner Architekturbüro Palais Mai zusammen mit den Landschaftsarchitekten und Stadtplanern Grabner Huber Lipp aus Freising für sich entschieden hat. In seiner Formgebung erinnert das Vorhaben an die Borstei: ein ringförmiger, geschlossener Gebäudekomplex rund um einen Hof, segmentiert durch vor- und zurückspringende Fluchten. Ein Ort für kollektives Wohnen, ein "gemeinsamer Raum für die zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner, aber auch die Nachbarinnen und Nachbarn", wie Hirmer es formulierte. Mit viel Grün im Innern und auf den Dächern - mindestens 60 Prozent der gemeinschaftlich genutzten Dachflächen müssen laut Bebauungsplan mit Sträuchern, Stauden und Nutzpflanzen begrünt werden. Hinzu kommen öffentliche Grünflächen im Norden und Süden. 32 Bäume sollen auf der privaten Freifläche gepflanzt werden und mindestens 19 weitere entlang der Eversbuschstraße, so gibt es das Planungsreferat vor. Damit große Bäume im Innenhof wachsen können, soll die Tiefgarage an drei Stellen Aussparungen ermöglichen.

Doch so charmant das Vorhaben aus Investorensicht klingen mag - die Allacher äußern Bedenken. Da ist zum einen die Höhe der Bebauung. Die Riegel an der Bahntrasse sollen fünf- bis sechsgeschossig werden, die Gebäudeseiten entlang der Eversbuschstraße vier Stockwerke hoch. Dreigeschossige Vorsprünge haben die Aufgabe, so steht es in dem Planungspapier, zwischen der Nachbarbebauung aus Einfamilienhäusern und Doppelhaushälften und dem neuen Quartier zu "vermitteln". Durch die Staffelung ergebe sich eine "abwechslungsreiche Silhouette". Für viele Allacher aber "zerstört die Bebauung den dörflichen Charakter" des Stadtteils. "Das", kritisierte eine Viertelbewohnerin in der Bezirksausschuss-Sitzung, "ist dann nicht mehr unser Allach, das sind nicht mehr wir".

Stoßstange an Stoßstange stehen die Autos im Berufsverkehr auf der nördlichen Eversbuschstraße in Allach, im Vordergrund der Acker, auf dem das neue Wohngebiet entstehen soll. (Foto: privat/oh)

Sorgen machen sich Anlieger und Lokalpolitiker auch wegen des Verkehrs. Zwar wird von einem Gutachten der durch das Vorhaben ausgelöste Verkehr als "bewältigbar eingestuft". Doch auf der Eversbuschstraße schlängeln sich schon heute Fahrzeuge in den Morgen- und Abendstunden Stoßstange an Stoßstange die schmale Strecke entlang. Wenn dann auch noch die Sanierung des Allacher Tunnels startet, befürchten die Allacher, im Verkehrschaos zu ersticken. Die Eversbuschstraße, monieren die Bürgervertreter, sei "nicht ausreichend dimensioniert". Fakt ist: Für die Hirmerei sind 145 Pkw-Stellplätze und 569 Abstellplätze für Fahrräder eingeplant. Der Stellplatzschlüssel wurde auf 0,7 gesenkt, dafür soll es sechs Carsharing-Stellplätze und eine Mobilitätszentrale mit Sharing-Lastenfahrrädern geben.

Nicht alle Kritikpunkte sind neu, einer aber wurde bisher wenig beachtet: Die Befürchtung, dass Betreuungsplätze nicht ausreichen könnten. "Wir sehen dieses Baugebiet mit großen Bauchschmerzen, weil wir schon jetzt an unseren Kapazitätsgrenzen angelangt sind", sagt die Schulleiterin der für das neue Quartier zuständigen Verbandsgrundschule Karlsfeld, Ursula Weber. Dass eine Kita mit Krippen- und Kindergartengruppen in der Hirmerei gebaut werde, sei "ganz wichtig", denn in der Gerberau und der Siedlung Ludwigsfeld fehle beides. Aber auch ein Hort sei "sinnvoll", betont die Rektorin. "Wir haben einen Nachmittagsbetreuungsbedarf von 80 bis 90 Prozent, das können wir nicht leisten." Und die Hortgruppe in der Gerberau sei "voll". Empira-Projektleiterin Capella-Soler verweist auf die Anforderungen des Bildungsreferats, die bisher keinen Hort implizierten. Sollten sich diese Vorgaben jedoch ändern, meint sie, sei "alles möglich".

Bevor es losgeht, stellt der neue Investor das Projekt den Bürgern noch einmal vor

Wann mit dem Bau begonnen werden soll, ist offen, Empira würde "am liebsten sofort" loslegen. Die Bauzeit, soviel kann Capella-Soler sagen, dauert mindestens zwei Jahre - alles andere hänge von der Verwaltung ab.

An einer guten Kommunikation mit den Nachbarn jedenfalls, wie sie schon Christian Hirmer gepflegt hat, ist auch der neue Investor interessiert. Man will das Projekt den Bürgern noch einmal vorstellen - zu klären ist nur noch der Termin. Allachs Lokalpolitiker wollen ihre Stellungnahme in der nächsten Gremiumssitzung Mitte Juni formulieren - zu dem Abend sind auch Empira und die Stadtverwaltung eingeladen.

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