Heizkraftwerk Süd:Der Kamin ist zum Abriss freigegeben

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Jetzt steht es fest: Münchens zweithöchster Bau fällt in diesem Jahr. (Foto: Florian Peljak)
  • Es gab eine Reihe von Ideen für die Nutzung des alten Schlots des Heizkraftwerks Süd.
  • Die Stadtwerke bereiten nun den Abriss vor.
  • Auf dem HKW-Gelände soll Deutschlands größte Geothermie-Anlage installiert werden.

Von Birgit Lotze, Sendling

Münchens zweithöchstes Bauwerk, der ausgediente Kamin am Heizkraftwerk (HKW) Süd, wird abgerissen. Die Grünen/Rosa Liste, allen voran die Sendlingerin Anja Berger, hatten sich im Stadtrat für eine Zwischennutzung starkgemacht - etwa für ein Café oder Museum, auch Vorschläge für eine Windturbine oder für Forschungszwecke waren kürzlich geäußert geworden. Jetzt sind sie im Wirtschaftsausschuss gescheitert.

Per Antrag forderten die Rathaus-Grünen/Rosa Liste zu prüfen, ob man nicht den 176 Meter hohen Kamin, der früher für eine Hochdruckanlage diente, erhalten und zwischennutzen könne. Der Kamin sei für viele Münchner zu einem Wahrzeichen geworden. Er gehöre ins Stadtbild, er könne als Aussichtsplattform genutzt werden, gerade wenn demnächst der Olympiaturm renoviert werde. Kulturveranstalter Daniel Hahn hatte zuletzt neben einem Café in luftiger Höhe auch ein Museum ganz oben auf der Plattform ins Gespräch gebracht.

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Diese Pläne verschwinden nun in der Schublade - aus finanziellen und Sicherheitsgründen. In der Sitzung des Sendlinger Bezirksausschusses (BA) erläuterten zwei Mitarbeiter der Stadtwerke München (SWM), Christoph Bieniek, Leiter Strom und Wärmeerzeugung, und Michael Tiefenbrunn, zuständig für die Konzeption der Erzeugungsanlagen, warum der Turm aus ihrer Sicht keinesfalls stehen bleiben kann. "Er muss weg. Es tut mir leid, aber wir können nichts anderes machen."

Der Kamin sei 50 Jahr alt und baufällig. Er wurde 2018 stillgelegt, die Stadtwerke hätten keine weitere Verwendung für ihn. Selbst wenn die Hülle noch einigermaßen in Ordnung sei, sagte Bieniek, müsse der Turm trotzdem kostspielig saniert werden. Im Innern - dort sind Rauchgasröhren verlegt und eine Treppe führt nach oben - müsse er komplett erneuert werden. Auch stillgelegt müsse er regelmäßig überprüft werden. Reiße man ihn jetzt nicht ab, sei der Zugang voraussichtlich 40 Jahre durch die neue Anlage blockiert. Denn so lange dauere es in der Regel, bis Anlagen ausgetauscht werden. Auf 30 bis 40 Millionen Euro schätzen die beiden Fachleute die Kosten für eine Turm-Erhaltung. "Reine Investitionskosten - da sind noch keine Gutachten drin", stellte Biemiek fest.

Die SWM bereiten bereits den Abriss vor. Bis Ende des Jahres soll vom Kamin nichts mehr zu sehen sein. Zunächst werden die vier Abgasrohre im Innern demontiert, im August beginnt der Rückbau. Auf dem HKW-Gelände soll Deutschlands größte Geothermie-Anlage installiert werden. Das ausrangierte Heizwerk soll durch eine moderne Gasturbine ersetzt werden, ein 50 mal 50 Meter großer Block, in dem die durch Geothermie produzierte Wärme zwischengespeichert wird. "Das ist doch auch schön, das ist doch ein Zeichen für die Energiewende", so versuchte Michael Tiefenbrunner die gedrückte Stimmung im Sendlinger BA vergeblich aufzulockern.

Auch dem in Sendling seit Jahrzehnten geforderten Weg über das HKW-Gelände, das einen Radschnellweg am Isarkanal entlang blockiert, erteilten die beiden SWM-Fachleute eine Absage. "Der Standort ist vollgepackt mit Technik. Da können nicht überall Leute herumlaufen!" Man müsse schließlich vielen Sicherheitsauflagen Rechnung tragen. Auch dass sich Menschen über einen Steg darüber bewegen, wie es Daniel Hahn im Zusammenhang mit seinem Café-Konzept empfohlen hat, sei "niemanden zuzumuten". Die Anlage müsse gegen Überdruck geschützt, die Pumpen für die Geothermie alle zwei Jahre ausgetauscht werden, es gebe Ventile, Dampf, heiße Abgase.

BA-Vorsitzender Markus Lutz (SPD), sagte, solche Bedenken könnten ihn keinesfalls von seinem Standpunkt abbringen. Es müsse kein Steg sein, ein Durchgang könne ebenso durch einen Glastunnel ermöglicht werden. Da müssten sich die Stadtwerke etwas einfallen lassen. "Fest steht, wir müssen einen Zugang zum Isarkanal bekommen."

© SZ vom 14.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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