Heizkraftwerk Süd:"Es ist doch toll, wenn es Leute gibt, die Luftschlösser bauen"

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Für das Heizkraftwerk Süd gibt es viele Pläne, doch die Stadtwerke halten am geplanten Abriss fest. (Foto: Jens Niering)
  • Café, Museum, Tauchbecken, Windturbine: Es gibt immer mehr Ideen für den alten Schlot des Heizkraftwerks Süd.
  • Die Stadtwerke treiben den Abriss dennoch voran.
  • Den Münchner Grünen geht das zu schnell. Die Partei hat am Montag in einer Fraktionssitzung über den alten Schlot beraten und beschlossen, noch diese Woche einen Prüfantrag im Stadtrat zu stellen.

Von Michael Zirnstein

Die Stadtwerke München wollen Mitte dieser Woche einen Aufzug an der Südseite des 176 Meter hohen Schornsteins am Heizkraftwerk Süd anbringen. Freunde des Sendlinger "Wahrzeichens", die nun hoffen, dies sei die erste Maßnahme zur Rettung des seit 1997 nicht mehr aktiven Schlotes, freuen sich wohl zu früh. Und schon gar nicht soll der Außenlift irgendwann neugierige Bürger zu einer Aussichtsplattform oder zu einem Museum-Café an der Spitze des Kamins befördern - mit den Plänen für eine solche Nutzung hatte vor einer guten Woche der Münchner Gastro-Jungunternehmer Daniel Hahn für Aufsehen gesorgt und die Fantasien beflügelt.

Mit dem Außenlift sollen bald Arbeiter und Material transportiert werden, um innen vier Abgasrohre aus Stahl von bis zu 2,90 Meter Durchmesser demontieren zu können. Dies soll bis zur Mitte des Jahres vollbracht sein, dann werde mit dem Rückbau der Außenhülle begonnen. Denn die Stadtwerke bleiben dabei, dass eine kulturelle Nutzung bei laufendem Betrieb und während des späteren Umbaus in eine Geothermieanlage nicht möglich sei. Schon weil man jeden einzelnen Besucher einer Sicherheitsprüfung unterziehen müsse. Auch wenn Besichtigungen bei Vorzeigeprojekten anderer Energieversorger wie dem "Erlebniskraftwerk Walchensee" (mit Café) durchaus unkompliziert und erwünscht erscheinen, wollen die Münchner Stadtwerke auf dem engen Gelände in Sendling offenbar keine Risiken eingehen.

Den Münchner Grünen geht das alles zu schnell. Die Partei hat am Montag in einer Fraktionssitzung über den alten Schlot beraten und beschlossen, noch diese Woche einen Prüfantrag im Stadtrat zu stellen, ehe die Stadtwerke vollendete Tatsachen schaffen. "Für die einen ist der Kamin ein interessanter Hochpunkt in der Skyline", erklärt Anja Berger von den Grünen, "den anderen gefällt die kulturelle Nutzung: Aussichtstürme mit Café sind doch für jede Stadt etwas Tolles. Und uns gefällt natürlich gerade Daniel Hahns Plan für ein Nachhaltigkeitsmuseum."

Nun soll die Stadt Statik, Sanierungsbedarf und Unterhaltskosten im Hinblick auf eine alternative Nutzung - möglicherweise auch nur auf Zeit - wie eine Aussichtsplattform mit Café oder auch ein Graffiti-Projekt untersuchen lassen. "Auch wenn dann herauskommt, dass der Kamin technisch nicht geeignet ist", sagt Berger, "aber es ist doch toll, wenn es Leute gibt, die Luftschlösser bauen." Damit meint sie Hahn, der München bereits mit seinem Gastro-Dampfer Alte Utting eine Sehenswürdigkeit beschert hat.

Die SWM hätten für so einen "Megaknaller" das "nötige Kleingeld"

Hahn ist nun auch zum Hoffnungsträger anderer geworden, die mit dem Schornstein eigene Pläne haben. Reinhard Fuchs zum Beispiel möchte eine Windturbine zur Energiegewinnung in zugiger Höhe aufstellen. Das wollte er 2011 schon einmal, damals boten die Stadtwerke dem Chef der Münchner Futag Umwelttechnik AG immerhin das Dach des Kraftwerks an der Drygalski-Allee (heute Kare) an. Da es Fuchs dort nicht genug wehte, stellte er sein Windrad zwei Jahre lang testweise auf dem Siemenshochhaus auf. Nach dem Fukushima-Unfall sei sogar eine Delegation aus Japan zur Besichtigung gekommen. Nun böte sich die Chance, das Projekt zusammen mit Hahn voranzutreiben, und für ein Museum Strom zu produzieren.

Auch Oliver Köhne hat bereits bei Hahn angefragt, ob er "die unteren 50, 60 Meter des Kamins entbehren" könne. Köhne ist Apnoetaucher (also ohne Atemgerät) bei Freedive Munich. Sein Traum wäre ein ganzjährig nutzbarer Tieftauchtopfturm, wie er in Padua Froschmenschen aus aller Welt anlockt und wie er in Essex gerade für 20 Millionen Euro gebaut werde. Die SWM hätten für so einen "Megaknaller" das "nötige Kleingeld" und das "Knowhow in der Bädertechnik". Mit der Restwärme der Geothermieanlage könnte das Wasser angenehm beheizt werden, erklärt Köhne: "Das ist einzigartig, was wir da in München haben."

© SZ vom 13.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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