Internationale Handwerksmesse in München:Wo der Minister unter Aufsicht hämmert

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Vom Ausbildungsmeister kritisch begutachtet: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck auf der Handwerksmesse. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Zum Auftakt der Internationalen Handwerksmesse in München reist Berliner und bayerische Politprominenz an - und es kommen viele Schüler. Hier gibt es Harfen mit zwei Hälsen und virtuellen Leberkäse. Eindrücke aus den Messehallen.

Von Leon Lindenberger

Mit überschlagenen Beinen sitzt Robert Habeck auf der Bühne in München, über ihm steht in großen Lettern "75 Jahre Internationale Handwerksmesse". "Erlauben Sie mir kurz, die Fakten klarzustellen", sagt der grüne Wirtschaftsminister und richtet sich an Markus Söder (CSU), der breitbeinig neben ihm sitzt. Der Vizekanzler und der bayerische Ministerpräsident leisten sich am Ende dieser weitgehend versöhnlichen Gesprächsrunde einen Schlagabtausch. Das Thema, natürlich: Energiepolitik. Mit den Aspekten Atomausstieg, Endlager, Erneuerbare.

Mit solch hohem Besuch startet in München am Mittwoch die Internationale Handwerksmesse (IHM). Und dazu beginnen gleich noch drei weitere Messen: "Handwerk & Design", "Food & Life" und "Garten München". Acht Hallen insgesamt. Bis 3. März präsentieren hier gut 800 Aussteller ihr Handwerk, ihre Kunst, ihre Küchen und mehr. Am Donnerstag wird auch der Bundeskanzler anreisen.

Mit Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (re.) auf der Bühne gibt Robert Habeck ein gewohnteres Bild ab. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Am Stand der Metzgerinnung München in Halle C1 ist weniger los - selbst als Hubert Aiwanger hier gerade noch stand. "Dem haben wir von unseren Problemen erzählt", sagt Werner Jais, Metzgermeister seit 1983. Neue Azubis zu gewinnen sei inzwischen sehr schwierig. Deshalb habe man sich beim Landesinnungsverband für das bayerische Fleischerhandwerk etwas Neues überlegt, erklärt er und deutet hinter sich.

Von der Rückwand des Standes blickt ihm eine Anime-Figur mit pinkfarbenen Haaren entgegen, tiefer Ausschnitt, ein Steak-Hologramm über der Smart-Watch, das große M des Landesverbands baumelt ihr als Goldkette vor der Brust. Mit diesem und weiteren Fantasy-Charakteren werben die Metzger auf Instagram und auf der IHM für die Ausbildung. Auch eine VR-Brille liegt bereit, mit der Besucher in der virtuellen Welt ihren eigenen Leberkäse zusammenmischen können. Ganz ohne Kleckern. Nur ein Problem sieht Werner Jais bei dieser neuen Werbestrategie: "Die Kids, die hier vorbeischauen, fragen uns oft: ,Seids ihr Spieleentwickler?'"

Virtuelle Metzgerspiele sollen den Ausbildungsberuf für junge Menschen attraktiv machen, führen aber auch manche auf eine falsche Fährte. (Foto: Catherina Hess)

Die Bühnenrunde mit Habeck und Söder am Eröffnungstag dieser IHM steht unter dem Motto "Zeit, zu machen". Eine Woche, nachdem der Wirtschaftsminister vor dem Bundestag eindringlich über die lahmende deutsche Konjunktur gesprochen hat, scheint das kein schlechtes Motto zu sein - wenngleich ein eher schemenhaftes. Konkreter wird es etwa eine Stunde später in Halle B1, am Straßenpflaster-Stand der Bauinnung München und Ebersberg.

Hier kniet Habeck auf Schonern im Kies, inzwischen ohne Jackett, die Ärmel hochgekrempelt. Alles sehr pressetauglich. In der Rechten hält er einen Hammer, in der Linken einen Pflasterstein - Naturstein, wie er schon im alten Babylonien verlegt wurde - und jetzt auch in modernen Fußgängerzonen. Neben Habeck kniet auf gelben Handschuhen Heinz Dotzauer, Ausbildungsmeister der Bauinnung. Er prüft die Arbeit des Ministers kritisch.

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"Meine Frau meint, ich habe nicht böse geschaut - das heißt schon etwas", sagt Dotzauer wenig später, als der Tross der Politiker, Presseleute und Schaulustigen bereits in die nächste Halle weitergezogen ist. "Der hat auf jeden Fall schon einmal einen Hammer in der Hand gehalten", würdigt der Meister. Kurz darauf sind die Steine, die Habeck im Kiesbett verlegt hat, trotzdem wieder verschwunden. Aber nichts für ungut, "auch wir Lehrlinge müssen jeden Stein ein paarmal umdrehen, bis er passt", sagt ein Auszubildender.

Dennoch scheinen hier viele mit Habeck unzufrieden zu sein. Auch auf der Handwerksmesse ist die gestiegene Ablehnung der Regierungspolitik spürbar. Und ein enthemmter Tonfall ist vernehmlich, der sich besonders gegen Politikerinnen und Politiker der Grünen richtet. "Da ist er ja, unser schöner grüner Minister", frotzelt eine Zuschauerin. Es wäre nicht schade, fiele dem Minister jetzt ein Deckenstrahler auf den Kopf, bemerkt ein anderer unverhohlen. Sicherheitskräfte und Polizeibeamte stehen bereit.

Unweit von Habecks Pflasterversuch zupft Franziska Kolb, 28, an den Saiten ihrer Harfe. Das Instrument hat über Fuß, Korpus und Säule, aber unter dem Kopf einen doppelten Hals. Die Saiten sind ohne Versatz zwischen diesen beiden Hälsen aufgespannt, sodass die Harfe schlanker und das Spielen höherer Töne leichter ist. Eine Doppelhalsharfe nennt Kolb das, nicht zu verwechseln mit der Doppelharfe, ihrerseits nicht zu verwechseln mit der Doppelpedalharfe. "Für die Doppelhalsharfe habe ich das Handelspatent", sagt Kolb stolz.

Frau mit Handelspatent: Franziska Kolb an der Doppelhalsharfe. (Foto: Catherina Hess)

Schon als Kind wollte sie Harfe lernen. "Meine Mutter meinte aber: Spiel lieber Geige", erzählt Kolb. Das tat sie, auch in ihrer Abiturprüfung in Rosenheim. Erst nach einer Ausbildung zur Geigenbauerin wechselte Kolb die Seiten - heute ist sie selbständig und baut ihre eigenen Harfen. 6850 Euro kostet das günstigste Modell für Erwachsene, Doppelhalsharfe aus Fichtenholz.

Läuft man weiter durch die Hallen der Messe, werden die Märchenklänge der Harfe bald verschluckt. Viel ist los auf der IHM, schon am ersten Tag. Besonders laut ist es in Halle C1, wo das Handwerk um Nachwuchs wirbt. In der "Berufe Rallye" laufen Schülerinnen und Schüler von Schreinern und Steinmetzen zu Dachdeckern und Schuhtechnikern, lauschen über Headsets den Ausführungen der Handwerkerinnen und Handwerker und bekommen am Ende einen Stempel in ihr Heft. Hauptgewinn der Aktion: ein Saturn-Gutschein über 20 Euro.

Auf der Messe können Jugendliche allerlei ausprobieren, auch das Bäckereihandwerk. (Foto: Catherina Hess)

Gegen Mittag erinnert das Atrium der Messe dann noch stärker an die Hallen eines Flughafens, als es das wegen seiner Architektur ohnehin schon tut. An allen Seitenwänden und Säulensockeln sitzen Jugendliche wie wartende Passagiere, tragen schon ihre Daunenjacken, daddeln am Handy, harren dem Schulschluss entgegen. Aus den Hallen trudeln immer neue Grüppchen ein, suchen kurz und setzen sich.

Hier und da steht ein Lehrer daneben - so auch Andreas Friesenegger, 44, beide Hände in den Hosentaschen seiner Jeans. "Wir sind kurz vorm Aufbruch", sagt er, deutet auf die Neuntklässler am Boden und lacht. Damit meint Friesenegger gewissermaßen Zweierlei. Zum einen, darum geht es jetzt, fährt in wenigen Minuten der Bus zurück nach Bad Aibling - zur Wirtschaftsschule Alpenland. Zum anderen, und darum ging es heute eigentlich, verlassen einige seiner Schützlinge diese Schule bald und brechen meist auf ins Berufsleben. "Jeder Schüler, der uns verlässt, soll mal so eine Messe gesehen haben", sagt der Lehrer. Viele seien auf der IHM in den vergangenen Stunden in Kontakt mit Arbeitgebern gekommen, konnten auch selbst einmal anpacken. Sehr gut hätten sie das gemacht - auf beiden Seiten.

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