Haidhausen:Obergrenze für Kneipen unzulässig

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In der Wörthstraße in Haidhausen reiht sich ein Lokal ans andere. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Vor 25 Jahren erließ die Stadt die Vorschrift zum "Schutz der Wohnruhe" - und legte damit die Maximalzahl für Bars und Kneipen in Haidhausen fest. Ein Gericht hebt nun den "Kneipenstopp" auf.

Von Sebastian Krass

"Kneipenstopp" - das ist nicht nur eine Wortschöpfung von ganz eigener Poesie. Es ist auch ein Wort, das für Menschen, die neu in München sind oder die Stadt von außen betrachten, aufs Herrlichste das Klischee der unlockeren, regelungswütigen Provinzmetropole bedient. Bald aber wird die Gastro-Obergrenze, die seit 1996 für den zentralen Teil Haidhausens gilt, nur noch eine Anekdote der Stadtgeschichte sein. Denn das Verwaltungsgericht (VG) München hat den "Kneipenstopp" in einem Urteil für unzulässig erklärt, wie Stadtbaurätin Elisabeth Merk in einer Beschlussvorlage für den Planungsausschuss des Stadtrats an diesem Mittwoch erläutert. Deshalb schlägt sie dem Stadtrat vor, den entsprechenden Passus aus dem Bebauungsplan zu streichen.

Seinen Ursprung hat der "Kneipenstopp" vor gut 30 Jahren, als sich Bürgerinnen und Bürger im Quartier zwischen - vereinfacht dargestellt - Orleansplatz und Innerer Wiener Straße sowie zwischen Kirchenstraße und Balanstraße gestört fühlten vom Geräuschpegel, den die Gäste der Lokale abends verursachten. Der Bezirksausschuss machte sich die Klagen zu eigen und forderte 1990, die Verwaltung möge "für ganz Haidhausen unverzüglich einen Kneipenstopp erlassen". So schildert es Merk in ihrer Vorlage. Unverzüglich und für den ganzen Stadtteil klappte es nicht.

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Aber 1996 trat ein vom Stadtrat verabschiedeter Bebauungsplan für jenes Quartier in Kraft, der für einzelne Gebiete darin vorschrieb, wie viele "Schank- und Speisewirtschaften" es jeweils geben darf. Die Planungsziele waren: "einer Umstrukturierung von Haidhausen durch die Zunahme von Gaststätten entgegen zu wirken" und der "Schutz der Wohnruhe der Wohnbevölkerung". Zuletzt wurde der "Kneipenstopp" 2018 diskutiert, als es um eine neue Bar im Erdgeschoss des Hotels an der Ecke Preysing-/Stubenvollstraße ging. Eigentlich wurde damit die im Karree zulässige Kneipenzahl von acht um einen Betrieb überschritten. Genehmigt wurde die Bar, weil es bereits bei Inkrafttreten des "Kneipenstopps" unzulässige neun Lokale gab.

Nun will ein Unternehmer zwei Geschäfte zu einem neuen Lokal zusammenlegen. Den Vorbescheid, eine Art Vorstufe der Genehmigung, versagte ihm das Planungsreferat wegen Überschreitung der Kneipenquote. Dagegen klagte der Unternehmer, und das Gericht verpflichtete die Stadt, den Vorbescheid auszustellen. Wer der Kläger ist und um welche Adresse es geht, bleibt offen. Das Planungsreferat nennt die Daten nicht. Und der Anwalt des Klägers lässt eine via Gericht übermittelte Bitte um Kontaktaufnahme unbeantwortet.

Für den "Kneipenstopp" gebe es weder im Baugesetzbuch noch in der Baunutzungsverordnung "eine gesetzliche Grundlage. Der dortige Ermächtigungsrahmen sei bei der Festsetzung überschritten worden", gibt Merk das Urteil wieder. Eine Berufung ließ das VG nicht zu. Vorsorglich beantragte die Stadt die Zulassung der Berufung. Merk empfiehlt aber mangels Erfolgsaussichten, klein beizugeben und den Bebauungsplan anzupassen. Die Regierungsfraktionen von SPD/Volt und Grünen/Rosa Liste werden Merks Vorschlag folgen. "Das war einer von mehreren Bebauungsplänen", sagt SPD-Stadtrat Christian Müller, "die in den Neunzigerjahren sonnig aufgestellt wurden" und bei denen es eine Frage der Zeit gewesen sei, "bis jemand klagt und Recht bekommt". Das passiere eben, wenn eine Kommune versuche, selbst Recht zu schaffen, obwohl es ihr qua Gesetz nicht zustehe.

© SZ vom 06.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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