München:Grünwald, der seltsamste Ort

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Wer ein wenig herumradelt, gelangt schnell aus München raus und in die seltsamsten Orte hinein. (Foto: Angelika Bardehle)

Der Ort, der so heißt wie die Landschaft um ihn herum, ist in jeder Hinsicht seltsam. Und trotzdem kommt man als Münchner nicht daran vorbei.

Kolumne von Christian Mayer

Am Wochenende fahre ich manchmal mit dem Rad von Harlaching durch den Perlacher Forst bis zum Deininger Weiher, weil es dort am Kiosk einen legendären Flammkuchen gibt und der dunkle See märchenhaft glitzert. Und dann geht es, schnaufend und keuchend, den Berg wieder hoch in den Wald, Richtung Landeshauptstadt, bis man irgendwann in den seltsamsten Ort kommt. Dieser Ort heißt so wie die Landschaft um ihn herum, und es wohnen hier neben den Alteingesessenen auch Menschen, die sich für einige Zeit hier niederlassen wollen, einfach weil sie es können.

Ein richtiges Zentrum hat dieses Grünwald eigentlich nicht, dafür gibt es eine schöne Burg, Isarhangblick, erlesene Fitnessclubs und ein auf alpenländische Gerichte spezialisiertes Restaurant, das so wiesnhaft urig daherkommt, dass sich auch prominente Fußballer dort wohlfühlen. Und prominente Fußballer wohnen seit jeher hier, genauso wie bekannte Schauspielerinnen oder Konzernvorstände, die von anderen gewesenen Konzernvorständen das repräsentative Anwesen übernommen haben, sehr zur Freude der Edelmakler, für die Grünwald das beste Geschäftsmodell ist.

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Meist halte ich gar nicht an, ich lasse mich mit dem Restschwung durch Grünwald gleiten und bewundere die architektonischen Kompositionen rechts und links. Die Gabriel-von-Seidl-Straße schätze ich in dieser Hinsicht ganz besonders. Die eher bescheidenen Spitzdachhäuser aus der späten Adenauer-Ära wechseln sich ab mit pompejanischen Zwergpalästen und kühnen Rekonstruktionen aus den Zweitausendern, die den Bewohnern den Anschein einer neoklassizistischen Gediegenheit geben sollen.

Wenn ich so im Abendsonnenschein durch die nahezu menschenleere Gabriel-von-Seidl-Straße radle, vorbei an gigantischen Garagen und turmhohen Hecken, denke ich an Derrick und an Rudolph Moshammer, deren Geist hier umgeht. Genau diese Mischung aus Münchner Vorstadtheimeligkeit und Beverly-Hills-Attrappe zieht ja gewisse Leute magisch an, der Fußballer Franck Ribéry etwa war seiner Grünwalder Villa regelrecht verfallen, in den Boden seines Pools hatte er seine Initialen ritzen lassen. Wie schade, dass er weitergezogen ist, nach Florenz, er war schon immer ein Freund des schönen Scheins.

Für mich persönlich ist Grünwald der Ort, durch den man durch muss.

© SZ vom 22.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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