München:Nach Holocaust-Vergleich: Grünen-Stadtrat Schreyer legt Mandat nieder

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Nach seinem Tweet entschuldigte sich Bernd Schreyer und zog Konsequenzen. (Foto: Stephan Rumpf)

In einem Beitrag auf Twitter hatte der Politiker beklagt, gegen die Grünen werde in der Debatte um das Heizungsgesetz aufgewiegelt, als seien sie die "neuen Juden". Die Generalstaatsanwaltschaft hat nun Vorermittlungen gegen Schreyer eingeleitet.

Von Heiner Effern, Joachim Mölter und Theresa Parstorfer

Stadtrat Bernd Schreyer legt sein Stadtratsmandat nieder. Der Grünen-Politiker hat am Sonntagabend in einer Nachricht auf der Plattform Twitter die Kritik an seiner Partei wegen des geplanten Heizungsgesetzes mit der Judenverfolgung verglichen. Wörtlich schrieb Schreyer: "Obwohl es nie ein Heizungsverbot gab, ist es gelungen so gegen Grüne aufzuwiegeln, als seien sie d. 'neuen Juden', die 'ausgemerzt' werden müssen um Deutschland wieder alles Glück und Wohlstand zu bringen." Nach Kritik, er verharmlose damit den Holocaust, hatte Schreyer seine Nachricht gelöscht. Am Montag vor der Fraktion entschuldigte sich Schreyer und gab seinen Rückzug aus der Rathauspolitik bekannt.

"Mit allergrößtem Bedauern entschuldige ich mich für meinen Tweet vom 11.6. zum Judenvergleich im Zusammenhang mit Aufwiegelung und Verschwörung gegen Grüne. Ich distanziere mich ohne Wenn und Aber von dieser Aussage, deren schreckliche Bedeutung mir zu spät klar wurde", erklärte Schreyer am Montagnachmittag schriftlich. "Ich bedaure das aus tiefstem Herzen. Niemals wollte ich einen Vergleich mit dem Holocaust bzw. der Shoa zum Ausdruck bringen." Er lege als Konsequenz sein Mandat nieder.

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Mona Fuchs, begrüßte den Schritt: "Es ist die richtige Entscheidung, dass Bernd Schreyer die vollumfängliche Verantwortung für diesen Fehler übernimmt und die Konsequenzen daraus zieht", erklärte sie in der Mitteilung. "Wir verurteilten jede Form der Relativierung der Shoa aufs Schärfste. Wir distanzieren uns daher in aller Form von diesen Tweets." Christian Müller, der Vorsitzende des Regierungspartners SPD/Volt, bedauerte das Ausscheiden Schreyers aus dem Stadtrat. Man habe ihn als Wohnungs- und Sozialexperten geschätzt: "Dass er jetzt die Konsequenzen aus seinem Fehler zieht, ist ihm hoch anzurechnen."

Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München, dankte der grünen Rathausfraktion für "ihre rasche und eindeutige Reaktion". Schreyers Äußerungen seien "verletzend und verantwortungslos" gewesen, erklärte Knobloch: "Sie haben die nötige öffentliche Debatte in eine völlig falsche Richtung gelenkt und damit erheblichen Schaden angerichtet. Sie konnten deshalb nicht ohne Konsequenzen bleiben, und ich bin froh, dass es diese Konsequenzen gegeben hat."

Der Antisemitismus-Beauftragte der bayerischen Staatsregierung, Ludwig Spaenle (CSU), hatte zuvor die Äußerung des Grünen-Stadtrats am Montagvormittag auf das Schärfste kritisiert. "Das ist eine Holocaust-Relativierung. Der Mann hat jeden Maßstab verloren", sagte Spaenle. Die harte und bestimmt auch unangenehme Kritik an einem Gesetz zum Anlass zu nehmen, den Umgang mit der eigenen Partei mit der Judenverfolgung gleichzusetzen, das "geht gar nicht". Spaenle legte dem Grünen-Stadtrat Schreyer einen Rückzug aus der Politik nahe. "Wenn er einen Funken Selbstachtung hat, weiß er, was zu tun ist", sagte er.

Der CSU-Fraktionschef im Münchner Rathaus, Manuel Pretzl, nannte den Rückzug Schreyers "konsequent". Die Äußerungen des Grünen-Stadtrats seien "unsäglich und indiskutabel". Mit dem Holocaust-Vergleich habe Schreyer einen "Stil- und Tabubruch" begangen.

Schreyers Äußerungen hat auch die Generalstaatsanwaltschaft München registriert. Der dort angesiedelte Zentrale Antisemitismusbeauftragte der Bayerischen Justiz, Oberstaatsanwalt Andreas Franck, habe Vorermittlungen eingeleitet, hieß es auf Anfrage. Auf diese Weise werde geprüft, ob "ein Anfangsverdacht wegen der Verharmlosung des Holocausts" gegeben sei.

Schreyer hatte seine Nachricht auf Twitter schnell wieder gelöscht und in einem weiteren Tweet erklärt, er verstehe, dass seine Aussage "fehlinterpretiert werden kann". Allerdings habe es "eine Zeit in den 20ern weit vor dem Holocaust" gegeben. Eine Entschuldigung blieb zu diesem Zeitpunkt noch aus.

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Schreyer ist Gründungsmitglied der Grünen München und Bayern, seit 2020 sitzt er zum zweiten Mal im Münchner Stadtrat. Ein erstes Mal war er dort zwischen 1986 und 1990 Mitglied. Zudem war er von 1997 bis 1998 Vorsitzender der bayerischen Grünen. Zuletzt hatte er sich in der Fraktion um die Wohnungspolitik gekümmert.

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