Kritik:Die Stimme der Psyche

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Sie trug den Abend: Anna Kasyan als Alceste (Foto: Khrystyna Jalowa)

Bei den Gluck-Festspielen ist die Oper "Alceste" in der italienischen Urfassung zu erleben.

Von Klaus Kalchschmid, Bayreuth

Christoph Willibald Glucks zweite Reform-Oper "Alceste" nach "Orfeo ed Euridice" (Wien 1762) wird meist gespielt in der entscheidend veränderten und erweiterten Fassung auf Französisch, die Gluck 1776 für Paris komponierte. So geschah das auch vor drei Jahren wieder in München am Nationaltheater. Umso spannender und erhellender, dass die diesjährigen Gluck-Festspiele in Franken und der Oberpfalz, wo der Komponist 1714 geboren wurde, die prägnante, schnörkellose italienische Urfassung von 1767 wählten.

Im Markgräflichen Opernhaus zu Bayreuth war eine Produktion des J. K. Tyl Theaters in Pilsen zu sehen und das hervorragende dortige Opernorchester DJKT unter Michael Hofstetter zu erleben. Weil das Bühnenbild des tschechischen Hauses nicht ins großartige, erst kürzlich umfassend restaurierte Barocktheater von 1748 passte, diente die prächtig gemalte, barocke Schauarchitektur der Markgrafen-Bühne dank geschickter Beleuchtung (Jakub Sloup) als überzeugender Einheitsschauplatz. Das war fast wie im Barock, wo oft stereotype Bühnenbilder für verschiedene Opern verwendet wurden.

Der Chor trug eher schlichte zeitlose Kostüme (Eva Hliněnská) aus der Produktion des Pilsener Theaters, Alceste und Admeto dagegen erschienen in heutiger (Abend-)Kleidung. Dank dieser optischen Konzentration lag der Fokus ganz auf Gesang, Darstellung und auf dem wunderbar historisch informiert und sehr "sprechend" artikulierenden und musizierenden Orchester, in dem Hörner und Posaunen auf Originalinstrumenten spielten.

Begonnen hatten die Festspiele mit Pina Bauschs Version von "Orpheus und Eurydike" von 1975

Allen voran trug Anna Kasyan als Alceste den Abend: Was für eine Konzentration im dramatischen Gesang sowie in Mimik und Gestik - wie die geborene singende Tragödin. Vor 250 Jahren wäre Gluck vor der Armenierin auf die Knie gefallen vor Begeisterung und Rührung. Denn es war sein erklärtes Ziel, die Psyche des singenden Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und auf alle äußere Gesangs-Virtuosität zu verzichten. Leider nicht in der Partie ihres Gatten Admeto, weil ebenso phänomenal singend und spielend: der Slowene Aco Bišćević. Er ist ein großartiger sogenannter Haut-contre, also ein sehr hoher, eleganter französischer Tenor. Leider hatte er als Evandro, Vertrauter des Königs Admeto, nur eine, allerdings wichtige Nebenrolle. Die füllte er mit einer ungemein weichen, biegsamen und ausnehmend schönen Stimme wunderbar aus, nicht zuletzt im Duett mit Markéta Klaudová als Ismene. Khanyiso Gwenxane hatte als Admeto die tiefere Tenor-Partie inne, vermochte seiner Gattin Alceste, die für ihn den Opfertod wählte, aber leider weder sängerisch noch darstellerisch das Wasser zu reichen.

Die diesjährigen Gluck-Festspiele begannen mit Pina Bauschs legendärer (Tanz-)Version von "Orpheus und Eurydike" aus dem Jahr 1975 mit Countertenor Valer Sabadus als faszinierend stilsicher und emotional singendem Protagonisten und präsentierten wieder den sensationell hoch und virtuos singenden männlichen Sopran Samuel Mariňo aus Venezuela in einem Konzert in Bayreuth. Mit Glucks Einakter "Le Cinesi" von 1754 gehen sie in einer Produktion der Hochschule für Musik in Nürnberg vom 20. bis 22. Mai zu Ende.

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