Glockenbachwerkstatt:Eine soziokulturelle Oase, in der jeder mitgestalten kann

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In vier Jahrzehnten hat in der Glockenbachwerkstatt viel buntes Leben stattgefunden. (Foto: Gerhard Emmer)

Vor 40 Jahren entstand das Bürgerhaus Glockenbachwerkstatt. Und genau das wird beim großen Straßenfest der Glocke und des Bellevue di Monaco gefeiert.

Von Jürgen Moises

Ein Freiraum. Eine Insel. Eine Oase. So wurde die Glockenbachwerkstatt in einem Film genannt, den Harald Rumpf vor zehn Jahren über das Bürgerhaus an der Münchner Blumenstraße gedreht hat. Damals war die "Glocke" 30 Jahre alt. Jetzt ist sie 40 und immer noch ein Ort, der, wie es Andreas Alt vom soziokulturellen Team formuliert, Menschen die Möglichkeit bietet, "kulturelle Dinge auszuprobieren, ohne dass ein finanzieller oder kommerzieller Druck da ist". Davon kann es in einer Stadt wie München eigentlich nicht genug geben. Denn diesen Druck, den spürt man überall. Den spüren junge genauso wie alte Menschen, und vor allem auch die, die kreativ und künstlerisch aktiv oder einfach nur ein bisschen anders sein wollen.

Dass für all jene die Glockenbachwerkstatt seit 40 Jahren eine Anlaufstelle ist, das ist in der Tat ein Grund zu feiern. Und genau das wird an diesem Sonntag, 19. Mai, auch beim großen Straßenfest der Glocke und des Bellevue di Monaco passieren. Die beiden Häuser haben schon im vergangenen Jahr zusammen gefeiert. Und weil sie auch sonst eine gute Nachbarschaft pflegen, wird das nun wiederholt. Nur mit dem Unterschied: "Letztes Jahr lag die Planung vor allem beim Bellevue, weil diese neu eröffnet hatten. In diesem Jahr liegt der Schwerpunkt wegen 40 Jahre Glocke bei uns", erzählt Alt, der mit seinen Kollegen Asmir Sabic und Annette Laber in einem Gemeinschaftsbüro im zweiten Stock sitzt und unter anderem für das Band-Booking und die Proberäume zuständig ist.

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Apropos Proberäume. Davon gibt es aktuell sechs Stück, im Hochbunker an der Blumenstraße gegenüber. Die früheren Proberäume im Keller lassen sich wegen Feuchtigkeit aktuell nicht nutzen. Für eine Sanierung fehlt das Geld, aber zum Glück hat die Stadt der Glockenbachwerkstatt den Bunker als Ausweichort zur Verfügung gestellt. Ein weiterer Problemfall der letzten Jahre: der Bolzplatz, der - genauso wie eine Töpferei, eine Schreinerei und eine Metallwerkstatt - zum Haus gehört. Vor sieben Jahren sollte dieser einem Neubau weichen. Viele Bürger und Kulturschaffende wie Dieter Hildebrandt oder die Sportfreunde Stiller hatten dagegen demonstriert. Der Bolzplatz blieb, genauso wie das zum Abriss gedachte Nachbarhaus, das heute das Bellevue ist.

Eine Erfolgsstory, wie es trotz kleinerer Turbulenzen das durch die Stadt teilfinanzierte Bürgerhaus selbst ist, das aus einer 1977 im Glockenbachviertel ins Leben gerufenen Elterninitiative hervorging. Diese gründete 1979 den Verein Glockenbachwerkstatt und zog an der Blumenstraße ein. Mit dem Zweck, wie es in der Satzung heißt, "die Förderung der Kinder- und Jugendhilfe, der Erziehung und der Wohlfahrtspflege, sowie die Förderung der kulturellen Bildung und Integration der verschiedenen sozialen Gruppen" zu betreiben. Heute gehören zur Glocke 200 Mitarbeiter und 14 Außenstellen. Die meisten davon sind Kinderkrippen und -gärten. Dann gibt es noch das Atelierhaus Baumstraße, wo etwa Yoga- und Tanz-Workshops stattfinden. Und im nächsten Jahr wird an der Ruppertstraße ein neuer Veranstaltungsort eröffnet.

Bis dahin spielt sich die Kultur wie bisher im Haupthaus ab, das viele Jahre im Grunde wie ein klassischer Stadtteil- und Jugendtreff geführt wurde. In dem in den frühen Achtzigerjahren aber auch schon die Punks ein- und ausgingen, weil die Glocke von Anfang an für alle Menschen und für alle Szenen offen war. Ähnliches wiederholte sich später mit der Hip-Hop-Szene, durch Veranstaltungen wie die Open Mic Sessions, die für lokale Hip-Hop-Größen wie Blumentopf eine Art Startrampe waren. Bei Fish'n Blues wiederum treffen sich erwartungsgemäß eher ältere Semester. Gleichzeitig fanden dort aber auch junge Musiker wie Jesper Munk und Amy Warning ein Forum. Und laut Andreas Alt hat sich das Alter der Musiker und Zuschauer dort in letzter Zeit wieder deutlich verjüngt.

Multifunktionale Mehrgenerationen-Häuser in Großstädten der Trend

Auch bei den Blues- und Jazz-Jamsessions sieht man viele junge Leute, wohl unter anderem deswegen, weil hier die Bühne jedem offen steht. Mitmachen, mitgestalten, eigene Ideen einbringen und das Generationen übergreifend: Vielleicht ist das auch einfach das zeitgemäßere Konzept, meint Asmir Sabic. Anstatt wie früher im Jugendtreff nur einen Kicker reinzustellen. Tatsächlich habe ihm erst vor Kurzem ein Musiker aus Kanada erzählt, dass multifunktionale Mehrgenerationen-Häuser in Großstädten gerade der Trend seien. In der Glocke ist dieses Konzept schon seit Jahrzehnten lebendig. Das sichtbar herauszustellen, genau darum soll es auch bei den Feierlichkeiten gehen.

Deswegen gibt es auch keine große Geburtstagssause, mit einem außergewöhnlichen Programm. Sondern es gehe eher darum, so Alt, durch kleinere Sonderveranstaltungen die eigene Arbeit herauszustellen. Den Anfang machte "17 Jahre Fish'n Blues" vor ein paar Wochen, jetzt kommt das Straßen- und am 26. Mai ein Werkstätten-Fest. Das Noise Mobility Festival bietet im Juni ebenfalls ein spezielles Programm. Außerdem sind mit Volxvergnügen oder den "Glöcknern" frühere Veranstalter eingeladen, ein oder zwei Abende zu gestalten. Und dann gibt es noch den Blog "#das ist die Glocke", wo sich Bilder, Texte zum Geburtstag finden. Jeder, der besondere Erinnerungen an die Glocke hat, ist eingeladen, diese zu twittern oder per Mail an 40jahre@glockenbachwerkstatt.de zu schicken. Und so allen zu erzählen, was für ihn die Glocke ist.

Großes Straßenfest Glocke & Bellevue, So., ab 13 Uhr, Corneliusstraße/Ecke Blumenstraße

© SZ vom 18.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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