Gerichtsverhandlung:Mutmaßlicher Täter will aussagen, Mitangeklagter bedroht ihn

Lesezeit: 3 min

  • In einem Prozess wegen versuchten Totschlags gegen drei Männer ist einer der Angeklagten geständig und belastet die beiden Mitangeklagten schwer.
  • Das Trio soll im Herbst zwei junge Männer im Oktober 2017 auf einer Kreuzung in der Maxvorstadt krankenhausreif geprügelt haben.
  • Einen Einschüchterungsversuch unterbindet der Vorsitzende Richter mit deutlichen Worten.

Von Susi Wimmer

Als Norbert Malik ( Namen der Opfer geändert) sich nach den Schlägen und Tritten gegen seinen Körper langsam erhob und ein paar Meter entfernt auf der Theresienstraße seinen Freund liegen sah, kroch in ihm die Angst hoch. Aus Nase und einem Ohr von Stefan Hierl tropfte Blut. "Ich hab ihn angesprochen, gerüttelt, er hat nicht mehr reagiert." Es gelang ihm nicht, einen Puls zu fühlen, "ich dachte, es wäre vorbei". So schildert der 24-jährige Unternehmensberater vor dem Landgericht München I die Nacht auf den 22. Oktober 2017, als er und sein Freund wohl nur zur falschen Zeit am falschen Ort waren und ohne nachvollziehbaren Grund von drei Männern mitten auf einer Kreuzung in der Maxvorstadt krankenhausreif geschlagen wurden. Die mutmaßlichen Täter müssen sich wegen versuchten Totschlags verantworten.

Norbert Malik und Stefan Hierl hatten mit Freunden aus dem Studentenkreis die Samstagnacht zum Tag gemacht und bis etwa zwei Uhr früh gefeiert, zuletzt im Irish Pub Kilians neben der Frauenkirche. Da beide im Landkreis wohnten, entschlossen sie sich, zu Fuß in die Barer Straße zu laufen, um bei Norberts Freundin zu übernachten. Sie kamen gegen 2.50 Uhr aus der Fürstenstraße und wollten die Theresienstraße überqueren. In etwa zehn bis 15 Metern Entfernung sah Malik einen weißen Wagen auf der Straße, "aber der stand oder fuhr ganz langsam", also wankten die beiden nicht mehr ganz Nüchternen über die Kreuzung. Der Fahrer des Wagens soll dann "irgendwas Beleidigendes" gerufen haben, "ich hab wohl auch was zurückgesagt und wir gingen weiter", erzählt Malik.

Prozess in München
:Dealer soll Drogen in Kuscheltier überbracht haben

Ein Münchner soll mit seiner Freundin einen "schwunghaften Handel" mit psychoaktiven Stoffen betrieben haben. Vor Gericht bestreitet er den Vorwurf.

Von Susi Wimmer

Was dann folgte, ging für Norbert Malik binnen Sekunden vonstatten, aus heiterem Himmel, und sein Gedächtnis kann heute nur noch Fetzen der Szenen hervorkramen. Drei Männer, die plötzlich auf der Straße standen, er wird zu Boden gerungen, Füße treten auf ihn ein und er hält die Arme nur schützend über Gesicht und Kopf. Da er schon einmal Operationen am Kiefer gehabt hatte, wollte er offenbar instinktiv sein Gesicht schützen. Staatsanwältin Nina Prantl jedenfalls geht davon aus, dass die "embryonale Schutzhaltung" des 24-Jährigen ihn vor schwereren Verletzungen bewahrt hat. Er habe das Geschehen heute verdaut, sagt der Unternehmensberater. "Ich bin stabil. Und ich trinke weniger Alkohol." Ob zwei oder drei Männer ihn geschlagen haben, daran kann er sich nicht erinnern. Schemenhaft tauchen Fetzen von weißen und schwarzen Sportschuhen auf.

Ein Punkt, der vor allem für den Angeklagten Ion C. relevant ist. Er ist einer von den drei Männern, die im Garchinger Arbeiterwohnheim lebten, und in jener Nacht betrunken mit einem weißen Sprinter der Firma Hermes durch München fuhren, wo sie auf der Theresienstraße auf die zwei Fußgänger stießen. Ein Hupen, ein Stinkefinger, Beleidigungen, dann sollen alle drei Männer ausgestiegen sein. Ion C. behauptet, an der anschließenden Gewalteskalation nicht beteiligt gewesen zu sein. Er habe die anderen sogar noch beruhigen wollen, dass es nun doch gut sei. Er trug blaue Turnschuhe. Und er belastet die anderen Mitangeklagten schwer. Er schilderte die Fußtritte von Artur K. gegen den bereits bewusstlosen Stefan Hierl und die Schläge und Tritte von Artur K. und Vadim S. gegen Norbert Malik. Von Vadim S. soll Ion C. vor dem Gerichtsprozess bedroht worden sein mit den Worten: "Pass auf, was Du sagst." Michael Höhne, Vorsitzender Richter der ersten großen Schwurgerichtskammer, versteht da gar keinen Spaß: "Sollte Herrn C. irgendetwas in der Haft passieren, wissen wir sofort, wo wir zu ermitteln haben", fährt Höhne die Mitangeklagten an.

"Mir geht es gut", sagt Stefan Hierl. Der Student aus München erlitt einen Schädelbruch und Hirnblutungen, hatte noch zwei Monate nach dem Vorfall Probleme mit der Konzentration. Aber heute habe er psychisch und physisch alles überstanden, sagt der 23-Jährige. Er kann sich noch daran erinnern, wie sie alle im Kilians gefeiert hätten mit Bier und Wodka-Red-Bull. "Aber schon der Weg nach Hause, der Tathergang und der Folgetag, das verschwimmt bei mir schon alles", sagt er. Der Prozess dauert an.

© SZ vom 25.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Prozess in München
:Verhinderte Panzerknacker müssen vor Gericht

Acht Männer sollen versucht haben, einen Geldautomaten in Oberhaching zu sprengen. Im Prozess belasten sich die Haupttäter gegenseitig.

Von Susi Wimmer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: